Ineinanderliegende Kunststoffrohre: Die Permeationseigenschaften spielen bei vielen Kunststoffprodukten eine entscheidende Rolle.

Die Permeationseigenschaften spielen bei vielen Kunststoffprodukten eine entscheidende Rolle. (Bild: SKZ)

Neue Produkte müssen vor ihrem Einsatz für den jeweiligen Einsatzzweck zugelassen werden. Beim Einsatz von Rohren ist die Kenntnis der Permeationseigenschaften ein wichtiger Bestandteil. Je nach Anwendung ist es beispielsweise notwendig, eine Sauerstoffbarriere zu erzeugen, da Sauerstoff zu Korrosion und Alterung führen kann [1]. Die Messverfahren zur Bestimmung der Permeationseigenschaften von Rohren sind genormt (zum Beispiel DIN 53380-3 für die Bestimmung der Sauerstoffdurchlässigkeit [2] oder ISO 17455 für die Bestimmung der Sauerstoffdurchlässigkeit der Sperrschicht von Mehrschichtrohren [3]). Diese Normprüfungen sind insbesondere für Rohre sehr zeit- und kostenintensiv. Im Rahmen des bis März 2025 laufenden Forschungsvorhabens „Rohr-Perm“, das am SKZ in der Fachgruppe Spektroskopie durchgeführt wird, soll eine beschleunigte Messmethode für Kunststoffrohre etabliert werden. Zu diesem Zweck werden von der Norm abweichende Messbedingungen genutzt – es werden Späne aus den Rohren entnommen und zusätzlich zu Sauerstoff ein alternatives Messgas (Helium) verwendet, das Kunststoffbarrieren schneller durchdringt [4]. Diese gewählten Messbedingungen werden mit denen der Norm (DIN 53380-2 und DIN 55380-3) korreliert, um ein neues, schnelleres Verfahren zur Bestimmung der Permeationseigenschaften von Kunststoffen zu erreichen.  

Rohre und Späne – alternative Probekörper für eine verkürzte Messzeit

Für das Projekt Rohr-Perm wurden Rohre mit DN 32 aus PVC und PP von Unternehmen zur Verfügung gestellt, die das Projekt im Rahmen eines projektbegleitenden Ausschusses unterstützen. Die Rohre wurden auf eine Länge von 10 cm gekürzt, um mit dem Heliumschnelltest die Permeation gegenüber Helium bestimmen zu können. Zur Spanherstellung wird ein  Rohr in eine Drehmaschine eingespannt, und mit einem Meißel ein langer Span vom Äußeren bis ins Innere des Rohres abgedreht. Aus diesem werden an verschiedenen Positionen (außen, mittig, innen) die Proben für die Spanmessungen entnommen. Die Späne haben dabei eine durchschnittliche Dicke von 0,3 mm bei einer Breite von circa 3 cm. Um die Permeationseigenschaften der Späne bestimmen zu können, werden diese mit einer speziellen, permeationsdichten Aluminiumfolie maskiert, da diese kleiner als die Messfläche des Messgerätes sind (Bild 1). Bei der Berechnung der Permeationskoeffizienten werden die Dicke und die Oberfläche der Proben berücksichtigt, um die Vergleichbarkeit zwischen Rohren und Spänen zu gewährleisten.

Beispielhafte Darstellung eines PVC-Rohrs (links), eines aus einem PVC-Rohr abgespanten Kunststoffspans (Mitte), und eines mit einer speziellen, permeationsdichten Aluminiumfolie maskierten Kunststoffspans (rechts).
Bild 1: Beispielhafte Darstellung eines PVC-Rohrs (links), eines aus einem PVC-Rohr abgespanten Kunststoffspans (Mitte), und eines mit einer speziellen, permeationsdichten Aluminiumfolie maskierten Kunststoffspans (rechts). (Bild: SKZ)

Ein Messsystem für Folien, ein Messsystem für Körper

Messadapter für die Prüfung der Permeationseigenschaften von Rohrstücken.
Bild 2: Messadapter für die Prüfung der Permeationseigenschaften von Rohrstücken. (Bild: SKZ)

Kernstück der hier vorgestellten Messergebnisse ist ein Helium-Schnelltest-Verfahren, das am SKZ Würzburg im Rahmen von Projekten der Industriellen Gemeinschaftsforschung (Fördernummer 15968 N) und des zentralen Innovationsprogramms Mittelstand (Fördernummer KF2012539BN2) entwickelt wurde. Das Messverfahren stellt eine beschleunigte Bestimmung der Heliumpermeabilität für Folien und Freiformkörper dar,  da durcMesh das Anliegen eines Vakuums auf der einen Seite der Probe ein aktiver Gasfluss des Messgases auf der anderen Seite der Probe angeregt wird. Dieser Heliumfluss lässt sich mithilfe eines Massenspektrometers detektieren und sich daraus die Permeabilität ableiten [6]. Die Späne werden für die Messungen in einen an Folien angepassten Messkopf gelegt und der Heliumfluss mit einem Massenspektrometer Typ Phoenixl 300 von Oerlikon Leybold Vacuum erfasst. Für die Messung der Rohrstücke wurde ein Adapter entwickelt, der die oben und unten offen gehaltenen Rohrstücke über Dichtungen in eine Prüfvorrichtung einspannt (Bild 2), sodass das Rohr mit Gas geflutet und der Heliumfluss durch das Rohr außen über ein Massenspektrometer Modul 1000 der Firma Inficon Holding bestimmt werden kann. Die Messzeiten der Prüfmethoden betragen dabei für den Schnelltest an Folien 1 bis 2 h sowie für die Rohrstücke 2 bis 6 h. Beide Methoden zeigen dadurch signifikant kürzere Messzeiten als Normmessungen, bei denen mit Messzeiten über mehrere Wochen zu rechnen ist [5].

Einflüsse auf Gasdurchlässigkeit von Rohrspänen

Bild 3 zeigt exemplarisch die Heliumpermeation zweier PP- und zweier PVC-Typen. Die Ergebnisse zeigen deutlich, wie stark die Permeation durch unterschiedliche Eigenschaften beeinflusst wird, sei es die Kristallinität (PP als teilkristalliner Kunststoff, PVC als amorpher Kunststoff), die chemische Zusammensetzung (zum Beispiel Chloranteil), der Glasübergang (bei PP niedriger als bei PVC) und andere. Eine vergleichende Interpretation der Permeationseigenschaften der Kunststofftypen bietet sich daher nicht an. Zudem zeigt das Verhalten der Proben, dass eine Erhöhung der Prüftemperatur zu einer höheren Durchlässigkeit führt. Dies ist eine weitere Möglichkeit, Prüfzeiten zu verkürzen. Eine Kernfrage des Rohr-Perm-Projektes ist die Adaption der Ergebnisse an ein praxisrelevantes System, um die Ergebnisse für die Industrie nutzbar zu machen.

Grafik: He-Permeationskoeffizienten von aus Rohren entnommenen Spänen (gemittelte Werte über i,m,a mehrerer Späne), gemessen im He-Schnelltest mit Folienmesskopf.
Bild 3: He-Permeationskoeffizienten von aus Rohren entnommenen Spänen (gemittelte Werte über i,m,a mehrerer Späne), gemessen im He-Schnelltest mit Folienmesskopf. (Bild: SKZ)

Als Alternative Prüfmöglichkeit zum Span, der eher einen Stichprobencharakter aufweist, wurden die Rohrstücke  ebenfalls mit dem Heliumschnelltest charakterisiert (siehe Bild 4).

Grafik: He-Permeationskoeffizienten in cm3*100 µm/(m2*d*bar) von Rohrstücken (X-Achse) und -spänen (Y-Achse) gemessen mit den He-Schnelltestverfahren bei 23 °C.
Bild 4: He-Permeationskoeffizienten in cm3*100 µm/(m2*d*bar) von Rohrstücken (X-Achse) und -spänen (Y-Achse) gemessen mit den He-Schnelltestverfahren bei 23 °C. (Bild: SKZ)

Unter Berücksichtigung der Wandstärken, der Körperform und der Fläche der Rohrstücke sind die entsprechenden He-Permeationskoeffizienten aufgetragen und mit Rohrspänen korreliert. Es zeigt sich, dass die He-Permeationskoeffizienten beider Probenpräparationen ähnlich sind und daher gut korrelieren. Diese Ergebnisse zeigen das Potenzial, ein  beschleunigtes Messverfahren für Rohre zu ermöglichen. Die Messzeit im He-Schnelltestverfahren für Rohre konnte durch die Verwendung von Spänen anstelle von Rohrstücken von 2 bis 6 h auf 1 bis 2 h pro Messung verkürzt werden. Die Korrelation der gewonnenen Ergebnisse mit Normmessungen (nach DIN 53380-2 und ISO 15105-1) ist aktuell Gegenstand des laufenden Projektes. Die Korrelation der gewonnenen Ergebnisse mit Messungen nach Norm mit Sauerstoff an Rohrstücken und Spänen sowie mit  Helium an Spänen wird aktuell noch untersucht.

Was erreicht wurde

Es wurde am Beispiel der vier Materialien (PVC 1120, CPVC, PP-R und PP-H) gezeigt, dass sich mit dem bereits existierenden Verfahren des Helium-Schnelltest eine Beschleunigung der Messzeit durch den Einsatz von Spänen (Messzeit 1-2 h) statt Rohren (2-6 h Messdauer) erreichen lässt. Die Untersuchung der Übertragbarkeit auf weitere Materialien (PEx sowie weiter Rohre aus PP und PVC) sind Gegenstand des laufenden Forschungsvorhabens.

Wie sehen die nächsten Schritte aus?

er nächste Meilenstein im Projekt ist die Überprüfung, ob die aufgestellte These sich auch auf die Normprüfung an Rohren und Spänen mit Sauerstoff und im optimalen Fall auch von Sauerstoff auf Helium übertragen lässt. Neben der Verkürzung der Messzeit ermöglicht die Zerspanung der Rohre auch die Analyse unterschiedlicher Schichten der Rohre. So können zum Beispiel bei Multi-Layer- Rohren die Eigenschaften einzelner Schichten untersucht werden, um den Einfluss der Layer auf das gesamte Rohr abzuschätzen.
Die Korrelation zwischen Spänen und Rohren unterstreicht die Möglichkeit und das Potenzial verschiedene Prüf- und Probekörper hinsichtlich der Übertragbarkeit bestimmter Messwerte zu untersuchen. In diesem Zusammenhang ist geplant,  ein beschleunigtes Prüfverfahren an weiteren Bauteilen mit dem Fokus auf Wasserstoff als Messgas im Rahmen eines Forschungsvorhabens zu untersuchen und anhand der Messwerte eine Datenbank mit Materialkennwerten aufzubauen.
Bei Interesse für die Projektergebnisse des Forschungsvorhabens ‚Rohr-Perm‘ oder Interesse an einer Zusammenarbeit für das geplante Forschungsvorhaben zur Wasserstoffpermeation, können sich Sie sich gern an das SKZ wenden.

Quelle: SKZ

Weitere Autoren:

Dr. Thomas Hochrein, Geschäftsführer der Produktprüfung und -zertifizierung sowie Analytik in der SKZ-Gruppe.
Prof. Dr.-Ing. Martin Bastian, Institutsdirektor des SKZ

Dank

Das IGF-Vorhaben 01IF22636N der Forschungsvereinigung Fördergemeinschaft für das SKZ wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung und -entwicklung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestags gefördert.

Literatur

[1] E. Baur, S. Brinkmann, T. A. Osswald und E. Schmachtenberg, Saechtling Kunststoff Taschenbuch, 31. Aufl. (Hanser eLibrary). München: Hanser, 2013. [Online]. Verfügbar unter: http://www.hanser-elibrary.com/action/showBook?doi=10.3139/9783446437296
[2] DIN 53380-3:1998-07 Bestimmung der Gasdurchlässigkeit: Teil 3: Sauerstoffspezifisches Trägergas-Verfahren zur Messung an Kunststoff-Folien und Kunststoff-Formteilen, Deutsches Institut für Normierung e.V., Berlin, 1998.
[3] ISO 17455:2005(E) Plastic Piping Systems - Multilayer pipes: Determination of the oxygen permeability of the barrier pipe, Berlin, 2010.
[4] L. W. McKeen, Permeability properties of plastics and elastomers (PDL-Plastic design library). Amsterdam, Boston: Elsevier/William Andrew, 2017.
[5] DIN 53380-2:2006-11: Bestimmung der Gasdurchlässigkeit: Teil 2: Manometrisches Verfahren zur Messung an Kunststoff-Folien, Deutsches Institut für Normierung e.V., Berlin, 2006.
[6] R. Dahlmann, E. Haberstroh und G. Menges, Menges Werkstoffkunde Kunststoffe, 7. Aufl. München: Hanser, 2022.

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Unternehmen

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