Der Einsatz moderner Infrarot-Temperaturmesstechnik in der Kunststoff verarbeitenden Industrie bietet viele Vorteile. Sehr heiße Messobjekte, schwer zugängliche oder sich schnell bewegende Produkte lassen sich aus sicherer Distanz mit sehr kurzen Ansprechzeiten erfassen. Die Tempertaturmessung erfolgt punktgenau mit berührungslosen Infrarotpyrometern oder flächendeckend mit Wärmebildkameras.
Moderne Infrarotmesssysteme von Micro-Epsilon, Ortenburg, sind für ein breites Anwendungsspektrum ausgelegt, von tiefgekühlten Lebensmitteln bis hin zu Metallschmelzen. Je nach Produktreihe erfassen sie einen Temperaturbereich von -40 bis +2.200 °C. Die Werte werden in Echtzeit ermittelt und lassen im Bedarfsfall ein umgehendes Anpassen von Prozessparametern zu, um die Produktqualität zu sichern und unnötigen Ausschuss zu verhindern. Wärmebildkameras machen eine Dokumentation des Temperaturverhaltens über die gesamte Materialoberfläche möglich, im Gegensatz zu Pyrometern, die auf einen Punkt messen. Pyrometer bieten darüber hinaus den Vorteil, dass sie mit polymerspezifischen Wellenlängen arbeiten, wodurch auch Temperaturen bei sehr dünnen Kunststofffolien bestimmt werden können. Langwellig arbeitende Wärmebildkameras würden hier aufgrund der Transmission des Materials an ihre Grenzen stoßen.
Das Messprinzip
Jeder Körper mit einer Temperatur über dem absoluten Nullpunkt von -273,15 °C (= 0 Kelvin) sendet an der Oberfläche eine seiner Eigentemperatur proportionale elektromagnetische Strahlung, die sogenannte Eigenstrahlung aus, ganz gleich, ob es sich um Eis oder heißen Stahl handelt. Ein Teil dieser Strahlung ist Infrarotstrahlung, die zur Temperaturmessung verwendet werden kann. Diese Strahlung durchdringt die Atmosphäre und wird im Infrarotmesssystem mittels einer Linse (Eingangsoptik) auf ein Detektorelement fokussiert, welches ein der Strahlung proportionales elektrisches Signal erzeugt. Das Signal wird verstärkt und mittels digitaler Verarbeitung in eine der Objekttemperatur proportionale Ausgabegröße umgesetzt. Der Messwert kann auf einem Display angezeigt oder über verschiedene Schnittstellen ausgegeben werden, die einen einfachen Anschluss an Regelsysteme der Prozesssteuerung ermöglichen.
Bei der Infrarottemperaturmessung sind die drei Faktoren Emission, Transmission und Reflexion entscheidend für eine genaue Messung. Der Emissionsgrad eines Körpers gibt an, wie viel Strahlung er im Vergleich zu einem idealen Wärmestrahler, einem schwarzen Körper, abgibt. Der Transmissionsgrad ist relevant bei dünnen Kunststofffolien und variiert mit der Wellenlänge. Er verhält sich umgekehrt proportional zur Dicke, wobei dünne Materialien durchlässiger sind als dicke Kunststofffolien. Optimale Temperaturmessungen können bei Wellenlängen durchgeführt werden, bei denen der Transmissionsgrad unabhängig von der Dicke annähernd Null ist.
Auf die Wellenlänge kommt es an
Polyethylen, Polypropylen, Nylon und Polystyrol sind beispielsweise bei 3,43 µm IR-undurchlässig. Die Temperaturen dieser Messobjekte lassen sich mit dem Thermometer CTP-3 bestimmen. Dessen Temperaturbereich erstreckt sich von 50 bis 400 °C. Polyester, Polyurethan, Teflon, FEP und Polyamid dagegen sind bei 7,9 µm undurchlässig. Hier kommt das Thermometer CTP-7 zum Einsatz, welches exakt mit diesem Wellenlängenbereich arbeitet. Ohne Kühlung liefert dieses Gerät in einer Umgebungstemperatur bis 85 °C präzise Messwerte. Bei dickeren (> 0,4 mm) und pigmentierten Folien kann eine Wellenlänge zwischen 8 und 14 µm zur Temperaturmessung ausgewählt werden. Der Emissionsgrad liegt zwischen 0,9 und 0,95.
Infrarot-Temperatur-Sensoren der Baureihe Thermometer CT sind modular aufgebaut und für ein breites Anwendungsspektrum für das berührungslose Messen ausgelegt. Dank der kompakten Bauweise der Temperatursensoren werden sie in Anwendungen mit beschränktem Bauraum integriert, wie im Maschinenbau, im Kleinstapparatebau oder in OEM Anwendungen mit Mehrfach-Infrarot-Messstellen. Kurze Ansprechzeiten, hohe Genauigkeit und Auflösung zeichnen alle Modelle dieser Produktgruppe aus. Besonders bei temperaturkritischen Anwendungen werden Infrarotpyrometer eingesetzt.
Qualitätsprüfung in der Linie
Die Anwendungsmöglichkeiten der Temperaturüberwachung im Produktionsprozess sind vielfältig. Durch den Einsatz von Wärmebildkameras beim Fertigen von Kunststoffspritzgussteilen lässt sich die Produktqualität besonders auf Stabilität und Passgenauigkeit hin überwachen. Wesentlich hierfür ist die Prüfung des Abkühlprozesses, damit die Materialdichten innerhalb der Spritzgussteile gleichbleiben. Ungleichmäßiges Abkühlen kann unterschiedliche Materialdichten verursachen und sich auf die Materialeigenschaften auswirken. Auch unvollständig ausgespritzte Bauteile, die bei visueller Sichtprüfung unentdeckt bleiben, werden mit Wärmebildern sofort erkannt. Für das Überwachen wird ein Bauteil während des Produktionsprozesses zunächst direkt vor die Infrarotkamera bewegt, um es auf Fehler zu überprüfen. Ein automatisches Handlingsystem zur Bauteilentnahme und Ablage, mit dem moderne Spritzgießmaschinen üblicherweise ausgestattet sind, greift das gespritzte Teil und führt es vor die Wärmebildkamera. Das Inline-Thermografie-System, welches zur Bauteilprüfung eingesetzt wird, trägt den Namen Moldcontrol und macht eine schnelle, konstante und kostenoptimierte Qualitätsprüfung von gespritzten Kunststoffteilen direkt in der Fertigungslinie möglich. Die Systemlösung besteht aus einer Wärmebildkamera der Serie Thermoimager, einem betriebsbereiten Industrie-PC, der Moldcontrol Software und einer Maschinen-Kommunikationsschnittstelle. Die Software lässt sich kostengünstig in vorhandene Entnahmesysteme und die Maschinensteuerung einbauen. Die Vorteile dieses Inline-Thermografie-Systems liegen vor allem im frühzeitigen Erkennen von Qualitätsschwankungen und der Möglichkeit, auf Basis der gemessenen Werte die Produktion schneller anzufahren und die Werkzeugtemperatur optimal einzustellen, um Ausschuss zu verringern.
Bei der Blasfolienextrusion muss die Temperatur der Schlauchfolie an verschiedenen Punkten exakt gemessen werden, um eine konstante und homogene Produktqualität sicherzustellen. Entscheidend ist die Position der Frostlinie, durch deren genaue Bestimmung sich ein Blockieren an den Abzugswalzen verhindern lässt.
Beim Thermoformen von Kunststoffplatten oder Folien aus thermoplastischem Kunststoff wird das Material im Formautomaten erwärmt, bis es plastifiziert ist. Wenn eine vordefinierte Temperatur erreicht ist, wird das Material per Vakuum in eine vordefinierte Form gesaugt. Die Heizdauer ist vom Material, aber auch von dessen Oberfläche abhängig. Dunkler Kunststoff erwärmt sich beispielsweise schneller als heller Kunststoff. Aus diesem Grund ist eine schnelle und zuverlässige Temperaturkontrolle unerlässlich. Ohne sie müsste die exakte Temperatur über diverse Probeläufe ermittelt werden. Diese verursachen Kosten, die sich mittels berührungsloser Temperaturüberwachung vermeiden lassen.
Preform- und Extrudattemperatur erfassen
Mit dem (Spritz-)Streckblasverfahren werden thermoplastische Kunststoffe wie PET, PVC und PP verarbeitet. Sehr häufig handelt es sich dabei um Kunststoffflaschen. Die Vorformlinge für PET-Flaschen werden zunächst auf eine Temperatur von 80 bis 120 Grad gebracht. Der zähflüssige Kunststoff lässt sich im nächsten Schritt in der Preform ausformen. Anschließend folgen einzelne Ausgleichszeiten. Während dieser werden die Vorformen nicht weiter erwärmt und es folgt ein Temperaturausgleich über die gesamte Wanddicke. Im zweiten Verfahrensschritt findet im Blasrad der Streckblasmaschine der eigentliche Ausformprozess der Kunststoffflasche statt. Am Ende sorgt die Wasserkühlung der Blasform für ein schnelles Erkalten der nun ausgeformten Flaschen. Besonders der Erwärmungsprozess auf die richtige Verarbeitungstemperatur muss kontrolliert werden, um ein qualitativ hochwertiges Verarbeiten der Vorform zu ermöglichen. Per Infrarotkamera kann flächendeckend die Temperatur der Preform überwacht werden.
Bei der Flachfolien- und Plattenextrusion wird die Schmelze durch eine breite Schlitzdrüse gedrückt und über einen Kalander weiterverarbeitet. Die extrudierte Ware wird hier schrittweise heruntergekühlt. An mehreren Stellen sind Temperaturmessungen nötig, um die Temperatur der Folie zu kontrollieren und einen reibungslosen Prozess zu gewährleisten. Überhitzung, Risse oder Oberflächendefekte lassen sich dadurch erkennen. Eine schnelle Fehlererkennung ist unerlässlich, um hohen Ausschuss im kostenintensiven Produktionsprozess zu vermeiden.
Auf den Punkt oder die Fläche
In der Kunststoffverarbeitung sind Temperaturmessungen unverzichtbar und ausschlaggebend für einen reibungslosen Produktionsprozess und eine hohe Produktqualität. Die Temperatur lässt sich je nach Anwendung punktgenau per Pyrometer oder flächendeckend per Infrarotkamera bestimmen. Die Vorteile der Systeme liegen in den schnellen Ansprechzeiten und der exakten Temperaturdetektion in der Fertigungslinie. So werden – dank optimaler Prozesstemperaturen – großer Ausschuss und damit verbundene hohe Kosten auf ein Minimum reduziert.
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Micro-Epsilon Messtechnik GmbH & Co. KG
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