September 2013

Die Weichen sind gestellt und die Signale stehen auf „grün“: Am 19.2.2013 ist das Übereinkommen über ein einheitliches Patentgericht (EPGÜ) unterzeichnet worden. Davor hatten sich am 19.11.2012 der Ausschuss der ständigen Vertreter des Rats der Europäischen Union und der Rechtsausschuss des europäischen Parlaments zu einem Kompromiss in den Handlungen über das so genannte Patentreformpaket durchgerungen. Dabei wird das Patentreformpaket von drei Verordnungen beziehungsweise. Übereinkommen gebildet:

der Verordnung (EU) Nummer 1257/2012 des europäischen Parlaments und des Rates vom 17.12.2012 über die Umsetzung der verstärkte Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes (EPV), der Verordnung (EU) Nummer 1160/2012 des Rates vom 17.12.2012 über die Umsetzung der verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes im Hinblick auf die anzuwendenden Übersetzungsregelungen (ÜEPV), und dem Übereinkommen über ein einheitliches Patentgericht (EPGÜ).

Der Unterschied zwischen Inkrafttreten und Anwendung

Die beiden Verordnungen sind am 31. Dezember 2012 veröffentlicht worden und am 20.01.2013, in Kraft getreten. Das Übereinkommen wurde am 19.2.2013 von 24 der 27 EU Staaten unterzeichnet. Die Kommission hofft, dass das erste Patent mit einheitlicher Wirkung im April 2014 erteilt werden kann. Das setzt allerdings voraus, dass nach der Unterzeichnung des Übereinkommens am 19.2.2013 die für das Inkrafttreten notwendigen 13 Ratifizierungen bis November 2013 vorliegen, damit das Übereinkommen nach seinem Art. 89 vier Monate später Kraft treten kann. Zu den 13 Ländern, die das Übereinkommen mindestens ratifizieren müssen, zählen zwingend Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Betrachtet man insbesondere die neuesten europakritischen Äußerungen aus Großbritannien, so bleibt abzuwarten, ob sich der ehrgeizige Zeitplan realisieren lässt.

Weiter ist zu beachten, dass das Patentreformpaket zeitlich und territorial nur als Ganzes anwendbar ist. Die beiden Verordnungen sind zwar für die 25 an einer verstärkten Zusammenarbeit teilnehmenden Staaten (alle EU-Staaten außer Italien und Spanien) am 20. Januar 2013 in Kraft getreten, es gibt jedoch einen bedeutsamen Unterschied zwischen Inkrafttreten und Anwendung: Sie gelten erst ab dem 1.1.2014 oder ab dem Tag des Inkrafttretens des EPGÜ, je nachdem, welcher der spätere Zeitpunkt ist. Somit kommt es auf das Inkrafttreten des EPGÜ an.

Dieses tritt zu dem spätesten Zeitpunkt der folgenden drei Voraussetzungen in Kraft: 1.1.2014, oder am ersten Tag des vierten Monats nach Ratifikation durch 13 Staaten, oder am ersten Tag des vierten Monats nach dem Inkrafttreten der Änderungen der VO (EU) Nummer 1215/2012, die das Verhältnis zwischen dieser Verordnung und dem EPGÜ betreffen.

Gemäß Art. 18 Abs. 2 Satz 2 EPV ist die einheitliche Wirkung des Einheitspatents auf die Staaten beschränkt, in denen das einheitliche Patentgericht über die ausschließliche Zuständigkeit für diese Patente verfügt.

Was bringt das europäische Einheitspatent im Vergleich zum Bündelpatent

Bisher gibt es mit dem europäischen Patentübereinkommen ein einheitliches Erteilungsverfahren, wobei es der Anmelder nur mit einer einzigen Behörde und mit einer einzigen Verfahrenssprache zu tun hat, will er ein Patent in einer Mehrzahl von Vertragsstaaten erteilt bekommen. Mit der rechtskräftigen Erteilung des Patents hat bisher die Einheitlichkeit ein Ende. Das europäische Patent nach dem EPGÜ zerfällt nach der Erteilung in ein Bündel nationaler Patente, deren Bestand sich nach dem Ablauf der Einspruchsfrist nach nationalem Recht richtet.

Das Erteilungsverfahren bleibt vom Einheitspatent völlig unberührt. Das Einheitspatent tritt fakultativ neben das europäische Bündelpatent. Bis zur Veröffentlichung des Hinweises auf die Patenterteilung bleibt damit alles beim Alten.

Nach der Veröffentlichung des Hinweises auf die Patenterteilung muss sich Patentinhaber entscheiden, ob er das Einheitspatent wählt. Stellt der Patentinhaber keinen Antrag auf einheitliche Wirkung, so bleibt es für alle noch benannten Vertragsstaaten des EPÜ beim europäischen Bündelpatent. Stellt er aber innerhalb eines Monats nach der Veröffentlichung des Hinweises auf die Patenterteilung einen Antrag auf einheitliche Wirkung beim EPA, so prüft das EPA den Antrag, insbesondere während der Übergangszeit darauf, ob die vorgeschriebene Übersetzung eingereicht ist (siehe Teil 2 im Plastverarbeiter 10/2013). Es ist auch zu erwarten, dass die Zahlung einer Gebühr vorgeschrieben werden wird. Mit der Eintragung der einheitlichen Wirkung in das hierfür vorgesehene Register tritt nach Art. 4 EPV rückwirkend zum Tag der Veröffentlichung des Hinweises auf die Patenterteilung die einheitliche Wirkung nach Art. 3, 5 und 6 EPV ein, und zwar nach Art. 18(2) Satz 2 EPV für die teilnehmenden Mitgliedstaaten, in denen das EPGÜ zum Zeitpunkt des Antrags auf einheitliche Wirkung in Kraft getreten war.

Folglich bleibt es beim europäischen Bündelpatent für die teilnehmenden Mitgliedstaaten, in denen das EPGÜ noch nicht in Kraft getreten war; die EU Staaten, die nicht an der verstärkten Zusammenarbeit teilnehmen (derzeit Italien und Spanien); und die EPÜ Vertragsstaaten, die nicht EU Mitgliedstaaten sind. In der Oktoberausgabe des Plastverarbeiters (10/2013) erscheint der 2. Teil dieses Artikels. Darin werden die Kostenauswirkungen sowie die Zuständigkeiten näher erläutert. Der Autor gibt außerdem einen Ausblick, welche Entwicklungen des Einheitspatent zu erwarten sind.

Die Ausführungen in dieser Kolumne wurden sorgfältig recherchiert und nach bestem Wissen erstellt. Trotzdem können sie eine Rechtsberatung nicht ersetzen. Rechtliche Ansprüche lassen sich aus dem Inhalt dieses Artikels nicht herleiten.

Quelle: http://www.epo.org/

 

Experten-Tipp

Einheitspatent und Einheitliches Patentgericht
In Anbetracht der Entwicklungen beim einheitlichen Patent und beim Einheitlichen Patentgericht hat die Europäische Patentakademie zu diesem Thema zwei aufeinander abgestimmte Webinare für die Öffentlichkeit veranstaltet. Beide umfassten eine Fragerunde mit einem Experten des EPA. Die Aufzeichnung des letzten Webinars sowie zusätzliche Informationen wie die PDF-Version der dort gehaltenen Präsentation und den Link zur einschlägigen
EPA-Website finden Sie hier: https://e-courses.epo.org/

Außerdem finden sich auf der Webseite des europäischen Patentamts weitere detailreiche Informationen, darunter auch Antworten auf die wichtigsten Fragen zum einheitlichen Patent und Patentgericht.

 

Die Hauptmerkmale des Einheitlichen Patentgerichts

1. Dezentrales Gericht erster Instanz bestehend aus einer Zentralkammer sowie örtlichen und regionalen Kammern in den Vertragsstaaten

2. Gemeinsames Berufungsgericht

3. Gemeinsame Geschäftsstelle mit
lokalen Nebenstellen

4. Vorlage an den EuGH zur Vorab-
entscheidung, wenn eine Frage des
Unionsrechts zu klären ist (wie bei
nationalen Gerichten).

5. Nur EU-Mitgliedstaaten können Vertragsstaaten des Übereinkommens werden

6. International besetzte Kammern mit juristisch und technisch vorgebildeten Richtern

7. Mitgliedstaaten ernennen die Richter auf der Grundlage einer von einem unabhängigen Ausschuss mit Patentfachleuten erstellten Liste

8. Gerichtliche Zuständigkeit sowohl für klassische europäische Patente als auch für einheitliche Patente

9. Ausschließliche Zuständigkeit für:

– Patentverletzungsklagen und Klagen wegen Verletzung ergänzender Schutzzertifikate, – Klagen und Widerklagen auf Nichtigerklärung, – einstweilige Maßnahmen und Sicherheitsmaß-
nahmen einschließlich einstweiliger Verfügungen, – Klagen gegen das
einheitliche Patent betreffende
Entscheidungen des EPA

10. Ermessensfreiheit für die örtlichen und regionalen Kammern, Widerklagen auf Nichtigerklärung selbst zu behandeln oder an die Zentralkammer zu verweisen

11. Möglichkeit eines opt-out aus dem System des Einheitlichen Patentgerichts und der Wahl zwischen den heutigen zuständigen nationalenGerichten und dem Einheitlichen Patentgericht während einer (verlängerbaren) 7-jährigen Übergangszeit

12. Inkrafttreten bei Ratifikation durch  Mitgliedstaaten einschließlich DE, FR und UK

13. Revisionsklausel: Zur Verbesserung der Funktionsweise des Gerichts kann der Verwaltungsausschuss das
Übereinkommen nach Nutzerkonsultation und Stellungnahme des Einheitlichen Patentgerichts revidieren.

14. Gerichtsgebühren: Festgebühren und streitwertabhängige Gebühren

15. Vertretungspflicht durch einen bei einem nationalen Gericht
zugelassenen Anwalt oder einen europäischen Patentanwalt mit einer qualifizierten Zulassung

16. Der vorläufige Entwurf einer
Verfahrensordnung des Einheitlichen Patentgerichts ist derzeit Gegenstand einer öffentlichen Konsultation.

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