Abb. 1

Verwertungswege im Kunststoffrecycling. (Bild: Tascon)

Die Entsorgung und weitere Nutzung von Kunststoffen hat im Zuge der Umwelt- und Nachhaltigkeitsdiskussion in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen. Ziel ist es, einen Eintrag von Kunststoffmaterialien in die Umwelt weitestgehend zu vermeiden. Dabei handelt es sich nicht nur um makroskopische Kunststoffreste, obwohl diese bereits 150 Mio. Tonnen ausmachen und jährlich um mehr als 5 Millionen Tonnen wachsen [1], sondern auch um sogenannte „potenziell toxische Substanzen (PoTS)“, das sind in der Regel kleine migrationsfähige Moleküle, die sich in der gesamten Nahrungskette finden und in allen Körperflüssigkeiten des Menschen nachgewiesen werden. Diese Moleküle entstammen entweder kleineren Restmonomeren oder in den Kunststoffen eingesetzten Additiven [2].

In diesem Zusammenhang kommt daher dem Kunststoffrecycling eine besondere Bedeutung zu. So stieg der Recyclingumfang in der EU in den Jahren 2006–2016 um 79 Prozent und lag 2016 bei 8,4 Mio. Tonnen [3]. Dabei sind verschiedene Verwertungswege im Recycling zu unterscheiden.

Für die nachverwertende Kunststoffindustrie ist dabei nur das Materialrecycling zu betrachten. Die Notwendigkeit einer gesonderten Analytik ergibt sich ausschließlich für das stoffliche Recycling (Regranulate, Fertigprodukte). Das Rohstoffrecycling führt zu Ausgangsmaterialien, die sich von Neumaterialien praktisch nicht unterscheiden und keiner gesonderten Analytik bedürfen.

Grundsätzlich ist die chemische Zusammensetzung von Regranulaten aus Kunststoffrecycling ein Spiegel der bereits durchlaufenen Wertschöpfungskette: Monomer/Additivherstellung, Polymerproduktion inklusive Additivierung, Formgeben, Nutzungsphase, Abfallentstehung aus Kunststofferzeugnis [4]. Wenn daraus ein gesundheitlich und anwendungsgarantiertes neues Produkt entstehen soll, muss also sichergestellt sein, dass keine unerwünschten Bestandteile in das Neuprodukt gelangen. Leider gibt es derzeitig kaum regulatorische Vorgaben, wie dieser Nachweis zu erbringen ist. Zwar gibt es eine Verordnung der EU-Kommission aus dem Jahre 2008 „über Materialien und Gegenstände aus recyceltem Kunststoff, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen“ [5], diese fordert aber nur sehr allgemein „dass ein geeignetes Qualitätssicherungssystem einzurichten ist, das gewährleistet, dass der recycelte Kunststoff die in der Zulassung geforderten Anforderungen erfüllt“. Bezug genommen wird auf die „gute Herstellungspraxis“ [6], die zwar analytische Prüfungen fordert, aber nicht festlegt, welche denn geeignet wären. Auch eine deutsche Handreichung zur Thematik REACH [7] und Kunststoffrecycling [8] nennt keine geeigneten, analytischen Techniken.

Auswahl der Analysemethode

Somit müssen sich geeignete analytische Techniken aus den Anforderungen im Kontext Recycling ergeben:

  • Zugang zu den Makromolekülen, Restmonomeren, Additiven und Kontaminationen
  • Beziehung zu Elementen und Molekülen
  • Beantwortung der drei großen analytischen Fragen:
    • Was? (Identifizierung)
    • Wo? (Lokalisierung)
    • Wieviel? (Quantifizierung)
  • screeningfähig (Suche nach vorher nicht bekannten Substanzen)
  • hohe Empfindlichkeit (geringe Nachweisgrenze)
  • hohe Oberflächenempfindlichkeit
  • geringe Komplexität
  • gutes Preis-/Leistungsverhältnis
Abb. 2 links

Gelpermeationschromatographie und daraus abgeleitete mittlere Molekulargewichte an PE-Folien aus Neuware, Regranulat und einer 50 %/50 %-Mischung aus beiden. (Bildquelle: Tascon)

Abb. 2 rechts

Die Analytik auf der Ebene der Makromoleküle lässt sich in aller Regel gut durchführen und ist nur besonders herausfordernd, wenn die Kunststoffe nicht sortenrein vorliegen. Häufig eingesetzte Techniken sind:

  • optische Mikroskopie
  • Infrarotspektroskopie (IR, Identifizierung)
  • Gelpermeationschromatographie (GPC, Molekulargewicht)
  • mechanische Prüfungen (Zugversuche)
  • thermische Analyse (Struktureigenschaften wie Glasübergangstemperatur, thermische Abbauvorgänge)
  • Pyrolyse-Massenspektrometrie (Co-Polymere)

Beispielhaft wird die Untersuchung von PE-Folien angeführt: Die Molekulargewichtsbestimmung von Folien eines PE-Neuwaregranulats, eines PE-Regranulats und einer 50 %/50 %-Mischung aus beiden mittels Gelpermeationschromatographie. Deutlich erkennbar ist das geringere Molekulargewicht des Regranulats, ein typischer Befund für recycelte Materialien.

Analyse von Zusätzen herausfordernd

Die Analytik von Additiven und Kontaminationen gestaltet sich demgegenüber viel schwieriger, insbesondere, wenn die Ausgangsmaterialien unbekannt sind. Grundsätzlich ist mit einer großen Substanzbreite und geringen Konzentrationen zu rechnen. Die Additivanalytik ist besonders bedeutend, da sie die später zuzusichernden Stoffeigenschaften signifikant beeinflussen. Häufig wird dafür der Weg über die Extraktion gewählt: Extraktion, Chromatographie, Massenspektrometrie. Dieses Vorgehen hat jedoch den Nachteil, dass es nicht für alle Additive geeignet ist, keine Informationen darüber liefert, wo im Material sich die nachgewiesenen Stoffe befunden haben und ist präparativ sehr aufwändig. Alternativ werden oberflächenanalytische Techniken eingesetzt.

Mögliche Analysemethoden

Abb. 3

Für die Analytik von Additiven und Kontaminationen in Frage kommende oberflächenanalytische Techniken im Kontext Lateralauflösung versus Informationstiefe; ToF-SIMS: Flugzeit-Sekundärionenmassenspektrometrie, XPS: Photoelektronenspektroskopie, REM-EDX: Rasterelektronenmikroskopie mit Elementnachweis, IR: Infrarotspektroskopie. (Bildquelle: Tascon)

Die weit verbreitete REM-EDX ist dabei ausschließlich für den Nachweis von elementaren Additiven (wie anorganische Füllstoffe) und elementaren Kontaminationen (wie Metallabrieb) geeignet. Weil viele Additive jedoch organischen Ursprungs sind, ist eine REM-EDX-Analyse alleine niemals ausreichend. Sie wird daher im Folgenden nicht näher beschrieben, hat aber ihre Berechtigung und ist ein „Arbeitspferd“ der anorganischen Analytik.

Eine für die organische Analytik gern eingesetzte Technik ist die Infrarotspektroskopie (IR). Dabei wird die zu untersuchende Probe mit Infrarotlicht be- oder durchstrahlt. In der Probe kommt es zu Schwingungsanregungen von Molekülen, die in reflektiertem oder transmittiertem Infrarotlicht durch entsprechende Intensitätsverringerungen sichtbar werden. Das Verfahren ist vergleichsweise einfach an Luft durchführbar und die Daten können, durch entsprechende Datenbanken unterstützt, ausgewertet werden. Dadurch halten sich die Kosten für eine IR-Analytik in akzeptablen Grenzen.

Abb. 4

Infrarotspektren der drei PE-Folien. Die IR-Messung erfolgte in ATR-Anordnung (abgeschwächte Totalreflexion). (Bildquelle: Tascon)

Beim Betrachten der Infrarotsprektren der drei Folien fällt jedoch auf, dass praktisch keine Unterschiede zwischen den Proben gefunden werden. Alle Linien sind dem PE-Grundmaterial zuzuordnen. Die IR-Spektroskopie ist damit gut geeignet, schnell das Grundpolymer zu bestimmen, für einen Nachweis der zweifelsohne vorhandenen organischen Additive reicht jedoch die Nachweisempfindlichkeit in diesem Fall nicht aus.

Untersuchungen im Hochvakuum geeignet

Als weitere Technik bietet sich die Photoelektronenspektroskopie (XPS) an. Mit dieser Methode kann die Elementzusammensetzung einer Probe quantitativ erfasst werden. Darüber hinaus erhält man Informationen über die Bindungszustände der beteiligten Elemente, aus denen Rückschlüsse auf die vorhandenen Moleküle gezogen werden können.

Abb.5

Durch XPS ermittelte Elementkonzentrationen (in at%) von PE-Folien aus Neuware, Regranulat und einer 50 %/50 %-Mischung aus beiden. (Bildquelle: Tascon)

Der Kohlenstoff liegt im Falle des PE dabei ausschließlich als C-C-Bindung vor. Es kann somit geschlossen werden, dass es sich um PE- oder PP-Material handelt. Im Volumen des Rezyklats werden Hinweise auf Polysiloxane gefunden und sowohl auf dem Neumaterial sowie dem Rezyklat werden Salze auf der Oberfläche detektiert. Die XPS liefert damit einige zusätzliche Information und besticht durch ihre Quantifizierbarkeit. Die Nachweisgrenze von etwa 0,1 at% beschränkt dadurch den Einsatz in der Additivanalytik.

Mit der Flugzeit-Sekundärionenmassenspektrometrie (ToF-SIMS) ist eine analytische Technik verfügbar, die gleichzeitig Elemente und Moleküle mit hoher Empfindlichkeit erfassen kann (ppm für Elemente, Femtomol für Moleküle). Durch Beschuss der Oberfläche mit geladenen Teilchen (Primärionen) entstehen vergleichsweise komplexe Massenspektren von für die chemische Zusammensetzung typischen Sekundärionen, die ohne chromatographische Vortrennung alle Komponenten der Probe enthalten.

Abb.6

ToF-SIMS Spektren von den Oberflächen der betrachteten PE-Folien. (Bildquelle: Tascon)

Die Spektren der drei Proben unterscheiden sich signifikant untereinander. Auch gibt es Unterschiede zwischen der Zusammensetzung der Oberfläche und des Bulks. Während im unteren Massenbereich im Wesentlichen Linien von Salzen und dem PE-Material detektiert werden, finden sich im höheren Massenbereich Signale von Kontaminationen und Additiven, wie Polysiloxane, Irgafos 168 sowie Antistatika.

Die ToF-SIMS ist damit ein unverzichtbarer Baustein im analytischen Portfolio für die Analytik von Additiven und Kontaminationen in Rezyklat-Materialien. Da die Technik nur semi-quantitativ ist, kann sie gegebenenfalls mit der XPS ergänzt werden.

Standardanalytik noch nicht vorhanden

Eine „Standardanalytik“ für zu rezyklierende Polymere gibt es nicht. Bezüglich regulatorischer Bestimmungen ist die Additiv- und Kontaminationsanalytik jedoch unverzichtbar. Die Charakterisierung der Makromoleküle gelingt in der Regel, die der Additive und Kontaminationen gestaltet sich schwieriger und erfordert aufwendige Extraktionen. Soll eine Analyse direkt am Material erfolgen, können oberflächenanalytische Techniken genutzt werden. Die häufig eingesetzte IR-Spektroskopie ist dabei für die Charakterisierung der Additive nicht empfindlich genug. Für das Screening von Additiven und Kontaminationen ist die ToF-SIMS die Technik der Wahl und kann mit der XPS zur Quantifizierung kombiniert werden. Für die Produktionsumgebung kann auf Basis oberflächenanalytischer Ergebnisse möglicherweise eine geeignete Vor-Ort-Analytik erarbeitet werden.

 

Quellen

[1] http://www.europarl.europa.eu/news/de/headlines/society/20181005STO15110/plastik-im-meer-fakten-auswirkungen-und-neue-eu-regeln [abgerufen am 4.7.2019].

[2] Hahladakis et al.; Journal of Hazardous Materials 344 (2018) 179

[3] “Plastic Facts 2018“; https://www.plasticseurope.org/application/files/6315/4510/9658/Plastics_the_facts_2018_AF_web.pdf [abgerufen am 4.7.2019].

[4] http://www.tecpart.de/images/tecpart/projekte/01_reach%20%20recycling%20_%20handreichung.pdf, [abgerufen am 4.7.2019].

[5] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32008R0282&from=de, [abgerufen am 2.7.2019].

[6] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32006R2023&from=DE, [abgerufen am 2.7.2019}.

[7] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02006R1907-20140410&from=DE
(Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Chemikalienagentur), [abgerufen am 2.7.2019].

[8] http://www.tecpart.de/images/tecpart/projekte/01_reach%20%20recycling%20_%20handreichung.pdf
(Handreichung für eine sachgerechte Umsetzung der REACH-Anforderungen für Betreiber von Recycling-Anlagen), [abgerufen am 2.7.2019].

  ist Geschäftsführerin der Tascon GmbH in Münster.

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