Mehrschichtverbund-Verpackungen werden üblicherweise aus mehreren Schichten petrochemischer Kunststofflagen hergestellt, welche es ermöglichen, bei geringem Materialeinsatz sehr hohe funktionelle Eigenschaften zu erzielen. Zu diesen funktionellen Eigenschaften zählen neben den Barriereeigenschaften gegen beispielsweise Wasserdampf und Sauerstoff auch mechanische und optische Eigenschaften. Diesen Vorteilen stehen unter anderem auch einige gewichtige Nachteile entgegen – denn Mehrschichtverbund-Verpackungen sind wirtschaftlich nur schwer zu recyceln und meist nicht biologisch abbaubar. Um zum einen die oben genannten funktionellen Eigenschaften sicherzustellen und gleichzeitig die Bioabbaubarkeit zu erhöhen, werden im laufenden EU-Projekt BIOnTop-Verpackungen und Textilien entwickelt, welche aus biobasierten und biologisch abbaubaren Materialien aufgebaut sind. Biobasierte und biologisch abbaubare Werkstoffe für Verpackungsanwendungen gibt es einige, welche alle ihre individuellen Vor- und Nachteile mit sich bringen. Einen Überblick zu biobasierten Materialien können in einem Review Artikel, der vom Projektteam erstellt wurde, nachgelesen werden [1]. Innerhalb des Projektes wurden neue Composites als auch Beschichtungen entwickelt, um zum einen die Funktionalität des Packmittels sicherzustellen und gleichzeitig neue End-of-Life Optionen wie einer Bioabbaubarkeit zu ermöglichen. Eine Mischung aus Polymilchsäure (PLA) und Polybutylen-Succinate-Coadipate (PBSA) zeigte verbesserte Bioabbaubarkeitseigenschaften im Bereich der Heimkompostierbarkeit als auch optimierte thermomechanische Eigenschaften im Vergleich zu reinen PLA-Folien. Die PLA/PBSA Folien wurden ausführlich von Projektpartnern aus Italien optimiert und untersucht [2].
Welche Eigenschaften verbessert wurden
Nun galt es dem Team des Sustainable Packaging Institute SPI der Hochschule Albstadt-Sigmaringen, die geringen Barriereeigenschaften der neuen Composites vor allem hinsichtlich der Sauerstoff- und Wasserdampfbarriere zu verbessern. Nur durch Erhöhen der Gasbarriereeigenschaften können die entwickelten Composites als Verpackungsmaterial für Produkte wie sensible Lebensmittel genutzt werden. Das Ziel besteht darin, vergleichbare Barriereeigenschaften zu petrochemischen Mehrschichtverbundaufbauten aus biobasierten und biologischabbaubaren Materialien herzustellen, um die Anforderungen von sensiblen Lebensmitteln zu erreichen. Eine optimierte Funktionalität hinsichtlich der Gasbarriereeigenschaften wird als einer der stärksten limitierenden Faktoren für den Einsatz von biobasierten und biologisch abbaubaren Verpackungsmaterialien beschrieben [3].
Bei petrochemischen Mehrschichtverbunden wird in der Regel eine Ethylen-Vinyl-Alkohol-Copolymere- (EVOH) Schicht genutzt, um die benötigten Sauerstoffbarrieren zu erreichen. EVOH wird allerdings aus Erdöl hergestellt und ist nicht biologisch abbaubar. Als Ersatz dafür wurden im Projekt durch Formulierungsentwicklungen Beschichtungen auf Basis von Molkenprotein und Alginat optimiert. Generell können die funktionellen Eigenschaften von Materialien durch Additive, Füllstoffe, Modifizierungen, Beschichtungen oder Kombinationen daraus angepasst werden [3].
Diese Stoffe bilden eine Barriere aus
Molkenproteine als Nebenprodukt der Käseherstellung und Alginat, ein natürlich vorkommendes Polysaccharid aus Braunalgen, wurden für die Entwicklung der Sauerstoffbarriereschicht verwendet. Alginate sind unter den Zusatzstoffnummern E401 bis E404 in Lebensmitteln zugelassen und gelten generell als unbedenklich. Alginate bilden hydrophile Folien beziehungsweise Beschichtungen. Beschichtungen auf Basis von Molkenproteinen wurden bereits als Sauerstoffbarriereschicht auf verschiedenen Kunststoffen erfolgreich getestet (zusammengefasst in [4]). Die Ergebnisse, die die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Modellfabrik in Sigmaringen erlangen konnten zeigten, dass sowohl Molkenprotein- als auch Alginatbeschichtungen mit einer Schichtdicke von 12 bis 17 μm die Sauerstofftransmission (OTR) der PLA/PBSA-Folien um Faktor 12 bis 19 reduzieren können (Bild 1). Für das Nutzen der molkenproteinbeschichteten Folien sind die Verarbeitungseigenschaften wesentlich. Insbesondere, ob die Beschichtung nach einem Thermoformprozess intakt bleibt, benötigte weitere Formulierungsentwicklung. Die Beschichtungen wurde hinsichtlich Additiven sowie Produkt- und Prozessparameternen wie der Konzentration, Weichmachertyp und -konzentration optimiert. Als thermogeformte Prototypen dienten Schalenformen (Bild 2). Die Stabilität der Molkenproteinschicht auf PLA/PBSA Folien wurde nach dem Thermoformen mittels visueller Methoden und Gaspermeationsmessungen beurteilt. Durch das Optimieren der Formulierung konnte eine Beschichtung entwickelt werden, die die Sauerstoffbarriere der Schalen um den Faktor 90 verbesserte. Diese herausragenden Ergebnisse zeigen, dass die Biopolymerbeschichtungen sehr vielversprechend sind, um biobasierte und biologisch abbaubare Verpackungsmaterialien in ihren Sauerstoffbarriereeigenschaften zu verbessern. Um die hydrophilen molkenprotein- und alginatbasierten Beschichtungen zusätzlich vor dem negativen Einfluss von Feuchtigkeit zu schützen, wurden diese mittels nanoskaliger Oberflächenhydrophobisierung mit Fettsäuren gepfropft („fatty acid grafting“). Dadurch entstand ein biobasierter Mehrschichtverbund (vgl. Bild 3). Durch die Fettsäuren konnten die wasserabweisenden Eigenschaften erhöht werden, die sowohl als Schutz der Biopolymerschicht dienen als auch die Restentleerbarkeit von Verpackungen optimieren können.
Diese Füllstoffe wurden getestet
Als Füllstoff in PLA/PBSA Mischungen wurde innerhalb des BIOnTop-Teams ein Nebenprodukt der getreideverarbeitenden Industrie, die Weizenkleie, getestet. Durch den Füllstoff könnte der Preis als auch Nachhaltigkeitsaspekte der PLA/PBSA-Folien verbessert werden, allerdings wurden Veränderungen der mechanischen Eigenschaften wie eine Versprödung durch den Weizenkleie-zusatz festgestellt [5]. Die Einarbeitung von Weizenkleie hatte zur Folge, dass die Folie optisch nicht mehr transparent war. Weiterhin bewirkte der Füllstoff einen Anstieg der Sauerstoffpermeationseigenschaften um circa 25 % mit 5 % Weizenkleie und um circa 50 % mit 10 % Weizenkleie im Vergleich zu reinen PLA/PBSA-Folien. Durch das Optimieren der molkenproteinbasierten Beschichtung konnte die Sauerstoffbarriere der Weizenkleie enthaltenen Folien auf Werte unter 20 cm³/m²d bar gesenkt werden.
Was sind die nächsten Schritte?
Die Entwicklung neuer Materialien und Beschichtungstechnologien von Verpackungen ist das eine, die Verarbeitungsprozesse und das Verwerten dieser neuen Materialien das andere. Große Fortschritte konnten durch die Optimierung der Biopolymerbeschichtungen hinsichtlich ihrer Verarbeitbarkeit, insbesondere in Thermoformprozessen erreicht werden. Nun gilt es das Up-scaling der Beschichtungen auf Folien in semi-industriellem Maßstab weiter zu entwickeln, welches im Rahmen des BIOnTop-Projektes in weiteren Studien in den nächsten Monaten ansteht. Parallel zur wissenschaftlich-technischen Entwicklung laufen Nachhaltigkeitsbewertungen und das Evaluieren der Bioabbaubarkeit, um die Entwicklung der neuen Verpackungsmaterialien ganzheitlich zu bewerten. Das wird vom BIOnTop-Team, bestehend aus 21 Expertenteams aus 8 EU-Ländern, bis zum Projektende erarbeitet, damit effiziente und marktfähige Verpackungsalternativen für die Life Science Industrie realisiert werden und damit einen Beitrag für eine nachhaltigere kreislauforientierte Bioökonomie geleistet werden können.
Dank
“This project has received funding from the Bio-based Industries Joint Undertaking (JU) under the European Union’s Horizon 2020 research and innovation programme under grant agreement No 837761. The JU receives support from the European Union’s Horizon 2020 research and innovation programme and the Bio-based Industries Consortium.”
Literaturverzeichnis:
[1] Reichert, C. L., Bugnicourt, E., Coltelli, M.-B., Cinelli, P., Lazzeri, A., Canesi, I., Braca, F., Martínez, B. M., Alonso, R., Agostinis, L., Verstichel, S., Six, L., Mets, S. de, Gómez, E. C., Ißbrücker, C., Geerinck, R., Nettleton, D. F., Campos, I., Sauter, E., Pieczyk, P. and Schmid, M. 2020. Bio-Based Packaging: Materials, Modifications, Industrial Applications and Sustainability. Polymers, vol. 12, no. 7.
[2] Aliotta, L.; Vannozzi, A.; Canesi, I.; Cinelli, P.; Coltelli, M.-B.; Lazzeri, A. 2021. Poly(lactic acid) (PLA)/Poly(butylene succinate-co-adipate) (PBSA) Compatibilized Binary Biobased Blends: Melt Fluidity, Morphological, Thermo-Mechanical and Micromechanical Analysis. Polymers, vol. 13, no. 218.
[3] Wu, F., Misra, M. and Mohanty, A. K. 2021. Challenges and new opportunities on barrier performance of biodegradable polymers for sustainable packaging. Progress in Polymer Science, vol. 117, p. 101395. DOI: 10.1016/j.progpolymsci.2021.101395.
[4] Kandasamy, S., Yoo, J., Yun, J., Kang, H.-B., Seol, K.-H., Kim, H.-W. and Ham, J.-S. 2021. Application of Whey Protein-Based Edible Films and Coatings in Food Industries: An Updated Overview. Coatings, vol. 11, no. 9, p. 1056.
[5] Aliotta, L.; Vannozzi, A.; Cinelli, P.; Coltelli, M.-B.; Lazzeri, A. 2022. Essential Work of Fracture and Evaluation of the Interfacial Adhesion of Plasticized PLA/PBSA Blends with the Addition of Wheat Bran By-Product. Polymers, vol. 14, no. 615.
Quelle: zur Hochschule Albstadt-Sigmaringen