Update vom 13.09.24: Produktion: Wieder abwärts
„Wende abgesagt“ hatten wir im letzten Beitrag in KW 32 getitelt. Dieses Mal mussten wir „Wieder abwärts“ wählen. Denn im Juli hat sich der Negativtrend erneut beschleunigt: -4,3 % gegenüber Juli 2023. Im Juni waren es noch „nur“ -2,4 % im Vergleich zum Vorjahresmonat. Das Produktionsniveau erreicht fast wieder den Tiefststand aus dem Dezember 2023. Es liegt bei 86,5 Punkten im Vergleich zum Basisjahr 2021, knapp 19 Punkte unter dem früheren Höchststand der Produktion vom Mai 2018. Aus heutiger Sicht gibt es keinen Grund anzunehmen, dass sich die Situation in den Folgemonaten wesentlich geändert hat oder sich bis zum Jahresende noch stark verbessern wird. Im Jahresschnitt wird sich das Niveau deshalb wahrscheinlich deutlich unter 90 Punkten bewegen.
Verlierer: Die deutschen Verarbeiter
2017 war die europäische Kunststoffverarbeitung auf ihrem Höhepunkt, danach ging es bergab, die deutschen Verarbeiter konnten auch noch 2018 zulegen und ließen erst ab 2019 etwas Federn. Nach dem tiefen Einschnitt im Pandemiejahr erholte sich die Produktion überall recht schnell. Unter den großen Ländern konnte im Folgejahr als einziges nur noch Spanien wachsen. Seither ist Kriechgang oder Rezession angesagt. Besonders stark getroffen wurden die deutschen Verarbeiter, die in den ersten fünf Monaten 2024 nur noch bei etwa 89 % des Niveaus des Jahres 2021 und 16 Punkte unter dem früheren Höchststand liegen.
Halbzeugproduktion bricht ein
In der Halbzeugfabrikation (Platten, Folien, Rohre, Profile) sehen wir nach einem letzten Höhepunkt im Jahr 2021 ab 2022 einen bisher nie da gewesenen Einbruch. Oszillierte der Ausstoß vorher in einem Korridor von 92 bis 100 Punkten (gemessen am Basisjahr 2021), so stürzte er bis 2023 auf Werte von nur noch zwischen 84 und 85 Punkten ab und hat sich seither kaum erholt. Ursachen lassen sich nur vermuten, für Deutschland wissen wir, dass es viel mit dem Einbruch der Baukonjunktur zu tun hat, welche in einer geringen Nachfrage nach Vorprodukten wie Rohren, Profilen und Platten und auch Folien resultiert.
Packmittel: Altes Niveau mit Ausnahmen
Die Verpackungsmittelhersteller erlitten in der Pandemie nur einen vergleichsweisen geringen Einbruch, in Spanien überhaupt keinen und konnten dort sogar 2022 einen neuen Höchststand der Produktion vorzeigen. Frankreich ist der eine Sonderfall: Dort liegt die Produktion heute noch mehrere Punkte unter dem früheren Hoch von 2017. Deutschland ist der andere Sonderfall: Hier ist die Produktion derzeit etwa sechs Punkte niedriger als im Rekordjahr 2018, noch unter dem Stand von 2016. EU-weit produziert man derzeit etwa auf dem Niveau der Vorpandemiejahre.
Italien und Spanien boomen beim Baubedarf
Baubedarfsartikel (Sanitärausstattungen, Türen und Fenster) waren lange Zeit eine sichere Bank in Zeiten niedriger (Bau-)Zinsen und garantierten ein solides und auch langfristig steigendes Produktionsniveau. Mit Anstieg der Zinsen infolge der Inflation hat sich das nach 2021 grundlegend geändert, zumindest in Frankreich und Deutschland. Beide Schwergewichte verlieren im Gleichtakt Produktion und ziehen die EU-Produktion insgesamt nach unten. Dagegen steigt die Produktion in Italien stark, und in Spanien wird das Niveau mal gehalten, mal kann es leicht gesteigert werden.
Stabilisierung auf niedrigem Niveau
Die Produktion bei Herstellern von Konsumwaren und Technischen Teilen (in der Statistik unter „sonstige Kunststoffwaren“ zusammengefasst) liegt derzeit EU-weit etwa 13 Prozentpunkte unter ihrem Höhepunkt 2017. Und in jedem der vier großen Kunststoffverarbeiterländer unter den früheren Rekordwerten. Besonders Deutschland und Italien tragen zum Rückgang der Produktion bei. Spanien und Frankreich haben sich hingegen deutlich erholt, aber es ist fraglich, ob sie das alte Niveau wieder erreichen. Möglicherweise ist viel Produktion in expandierende Länder wie Polen oder Tschechien abgewandert.