Dr. Ralf Düssel, Head of Sustainability bei Evonik und Vorstandsvorsitzender von PlasticsEurope Deutschland, eröffnete die Veranstaltung mit einem Rückblick auf das herausfordernde Jahr 2023: „Leider habe ich heute nicht den besten Part dieser Konferenz abbekommen, denn ich darf Ihnen einen Rückblick auf das Jahr 2023 inklusive der Wirtschaftskennzahlen geben. Und Sie ahnen es, ich habe wenig gute Neuigkeiten aus diesem sehr fordernden Jahr dabei.“
Die Kunststoffproduktion sank das zweite Jahr in Folge merklich – und ein Ende der Negativentwicklung sei nicht in Sicht. Die Produktion von Kunststoffen in Primärformen fiel um 1,53 % im Vergleich zum Vorjahr, während der Umsatz der Branche um drastische 21,9 % sank. Der Auftragseingang von Kunststoffen lag um rund 16 % niedriger als 2022, was die angespannte Lage weiter verschärfte.
„Dies ist ohne Frage die schwerste ökonomische Krise seit dem Bestehen unserer Industrie. Wir gehen derzeit davon aus, dass die Produktion auch in diesem Jahr stagniert und rund 25 Prozent unter dem Vorkriegsniveau (2021) bleibt. Das Ziel der gesamten Kunststoffwertschöpfungskette muss es jetzt sein, wichtige Strategie- und Strukturanpassungen vorzunehmen, um gestärkt aus der Krise hervorzugehen,“ so Düssel.
Ausblick 2024: Keine kurzfristige Erholung in Sicht
Carolina Hupfer, Geschäftsführerin Wirtschaft und zentrale Aufgaben, gab einen Ausblick auf das Geschäftsjahr 2024, welches ebenso wenig Grund zur Freude bietet: „Anzeichen für eine kräftige Erholung sehen wir auch für 2024 ausdrücklich nicht.“
Von den vier größten Absatzmärkten der Kunststoffindustrie – der Verpackungsbereich, der Baubereich, die Automobilindustrie sowie die Elektro- und Digitalindustrie – seien laut Hupfer keine positiven Impulse zu erwarten: „Wir gehen davon aus, dass die Nachfrage aus dem Verpackungsbereich 2024 stagnieren wird. Aufgrund des prognostizierten kleinen Wirtschaftswachstums von 0,2 Prozent ist die Nachfrage dort stabil. Der gestiegene regulatorische Druck, vor allem auf Kunststoffverpackungen, könnte die Nachfrage allerdings weiter hemmen. Ein leichter Rückgang ist deswegen auch nicht auszuschließen. Für den Bau, die Automobilindustrie sowie die Elektro- und Digitalindustrie gehen wir von einem Rückgang der Nachfrage nach Kunststoffen in 2024 aus. Die weiterhin hohen Zinsen sowie hohe Rohstoffkosten hemmen die Produktion im Bau. Die angespannte wirtschaftliche Lage verschlechtert außerdem die Konsumlaune in Deutschland. Derzeit werden weniger Elektroartikel oder Autos gekauft.“
Hoffnung auf das Wachstumschancengesetz
Bettina Dempewolf, Leiterin der Kommunikation, sprach über die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland und die Bedeutung des Wachstumschancengesetzes – die deutsche Antwort auf den Inflation Reduction Act (IRA) der USA. Und gab sich gleich zu Beginn kämpferisch: „Der kunststofferzeugenden Industrie geht es schlecht und die Prognosen für 2024 sehen anhaltend düster aus. Aber: Wir wollen nicht jammern, wir wollen gestalten.“
Dempewolf kritisierte die aktuelle Fassung des Wachstumschancengesetzes als „zahnlosen Tiger“ und forderte die Rückkehr zur ursprünglichen Version, die signifikante Steuersenkungen und eine Investitionsprämie zur Förderung der Transformation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft beinhaltete. Zum Vergleich: Ursprünglich standen im Gesetzentwurf steuerliche Entlastungen für Firmen in Höhe von 7 Mrd. Euro pro Jahr bis 2028. Im Kompromissangebot wurden diese steuerlichen Entlastungen um die Hälfte – von 7 Mrd. auf rund 3,2 Mrd. Euro pro Jahr – gekürzt. „Um diese Zahl ins Verhältnis zu setzen: Die Steuerlast, die Gewerbebetriebe in Deutschland tragen, lag 2019 bei 157,8 Milliarden Euro pro Jahr. Die geplanten Entlastungen sind also wirklich nur ein Tropfen auf den heißen Stein,“ argumentierte Dempewolf.
Gleichzeitig wurde auch die Prämie für Investitionen in Energieeffizienz schlichtweg gestrichen, soll aber möglicherweise auf anderem Weg finanziert werden. „Wir brauchen das Wachstumschancengesetz – und zwar mindestens in seiner Ursprungsform zurück“, so Dempewolf.
Politische Rahmenbedingungen und Kreislaufwirtschaft
Ingemar Bühler, Hauptgeschäftsführer von Plastics Europe Deutschland, ergänzte die Diskussion um das politische Umfeld und die Prioritäten der Branche. Er hob die Bedeutung der EU-Verpackungsverordnung Packaging and Packaging Waste Regulation (PPWR), der geplanten Einführung einer Plastiksteuer in Deutschland und der nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie hervor. Die Kunststoffindustrie sieht in diesen Vorhaben sowohl Risiken als auch Chancen, insbesondere wenn es darum geht, die Transformation zur fossilfreien Kreislaufwirtschaft voranzutreiben.
„Die Mitgliedsunternehmen von Plastics Europe erwarten von diesen Vorhaben starken Einfluss auf den Markt. Das kann negative oder positive Auswirkungen haben, je nachdem, wie die Ausgestaltung und Umsetzung am Ende wirklich aussehen. Als Industrie, die sich der Innovation verschrieben hat, die die Transformation zur fossilfreien Kreislaufwirtschaft mit Kunststoffen vorantreibt, befürworten wir Marktimpulse, die neue, zirkuläre Geschäftsmodelle wirtschaftlich attraktiver machen und Unternehmen dabei helfen, die europäischen Klima- und Kreislaufwirtschaftsziele zu erreichen.
Im Kontext der Kunststoffproduktion bedeutet dies in erster Linie, den Einsatz von fossilen Ressourcen wie Erdöl und Erdgas zu reduzieren und alternative Kohlenwasserstoffquellen für die Kunststoffproduktion zu erschließen. Beispielsweise durch den Einsatz von biobasierten Rohstoffen, mechanisch oder chemisch recycelten Materialien, sowie CCU,“ erklärte Bühler. Den Technologievorsprung, den die europäischen Kunststoffindustrie derzeit im Vergleich zum Rest der Welt habe, gelte es weiter auszubauen.