Vorgefüllte Spritzen werden in verschiedenen Anwendungsbereichen eingesetzt, von der enteralen Ernährung bis hin zu hoch dosierten Medizindarreichungen. Prinzipiell unterscheiden sie sich nicht von üblichen Einwegspritzen, sondern bestehen ebenfalls aus einem Spritzenkörper, dem Spritzenkolben mit Dichtung und Luer-Lock-Anschluss oder aufgesetzter Kanüle. Die Spritzen werden mit Wirkstoff oder enteraler Nahrung vorbefüllt und gegebenenfalls sterilisiert. Wichtig ist, dass sie auch nach Lagerung einwandfrei funktionieren. Hier sind insbesondere stabile und reproduzierbare Losbrechkräfte bei der Manipulation der Spritze von entscheidender Bedeutung, um ein sicheres Dosieren der Wirkstoffe zu gewährleisten. Daraus ergeben sich hohe Anforderungen an die eingesetzten Werkstoffe. Benchmark für den Spritzenkörper ist bei vielen Anwendungen Borosilikatglas, wobei dieses zunehmend durch Kunststoffe wie COC (Cycloolefin-Copolymer) ersetzt wird. Dieser amorphe und biokompatible Werkstoff zeichnet sich durch hohe Transparenz, gute Dimensionsstabilität, Barriereeigenschaften und chemische Beständigkeit aus und kann mit gängigen Sterilisationsverfahren wie ETO (Ethylenoxid), Gamma- oder Elektronenstrahlen sterilisiert werden. Im Gegensatz zum Borosilikatglas ist COC weniger bruchempfindlich – ein wesentlicher Vorteil. Üblicherweise werden in der vorgefüllten Variante Spritzenkolben mit einer elastomeren Dichtung eingesetzt. Als Elastomer kommen dabei bevorzugt Gummi, aber auch Butyl- und Bromylkautschuk sowie thermoplastische Elastomere zum Einsatz. Diese dichten den Spritzenraum ab, tendieren im Laufe der Lagerzeit jedoch dazu, sich an den Spritzeninnenseiten festzupressen. Hierdurch steigt die Applikationskraft in der späteren Anwendung nicht reproduzierbar an. Um diesem Effekt gegen zu wirken, werden Spritzenkörper - optional auch die Elastomerdichtung - silikonisiert. Im Falle des Spritzenkörpers taucht eine Düse in diesen ein und vernebelt Silikonöl in feine Tröpfchen. Wichtig dabei ist, dass sich diese Tröpfchen zu einem geschlossenen, reibungsreduzierenden Silikonölfilm ausbreiten, und auch ausreichend auf der innenliegenden Oberfläche des Spritzenkörpers anhaften. Ziel ist, einen homogenen Silikonölfilm mit einer möglichst geringen Menge an Silikonöl zu realisieren, um eine denkbare Interaktion mit dem aufgezogenen Wirkstoff zu minimieren.
Ohne eine spezielle Oberflächenfunktionalisierung zeigt das COC jedoch ein unzureichendes Benetzungsverhalten mit dem Silikonöl. Hier kann eine Behandlung mit Atmosphärendruckplasma Abhilfe schaffen.
Atmosphärendruckplasma – was ist das?
Wird einem Gas Energie zugeführt, so wird es ionisiert und geht in den energiereichen Plasmazustand über. Plasmatreat verwendet hierzu eine Hochspannungsentladung innerhalb einer speziellen Plasmadüse, durch die das Prozessgas geführt und dabei ionisiert wird. Hier eignen sich unterschiedliche Gase als Prozessgas, wobei Druckluft und reiner Stickstoff in den meisten Fällen zum Einsatz kommen. Trifft das Plasma dann auf eine Substratoberfläche, so interagiert es mit den Molekülen auf der Oberfläche und verändert deren Eigenschaften. Neben einer Feinstreinigung der Oberfläche werden dabei reaktive Sauerstoff- und Stickstoff-Verbindungen chemisch in der Kunststoff-Oberfläche eingebunden. Durch den Einbau der Stickstoff- und Sauerstofffunktionalitäten erhöht sich die Oberflächenenergie und somit das Benetzungsverhalten des COC. Das Silikonöl interagiert mit der plasmabehandelten inneren Oberfläche der Spritzenkörper und breitet sich auf dieser zu einem homogenen, dünnen Film aus.
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Plasmaparameter im Labor bestimmen
ur Ermittlung der richtigen Plasmaparameter werden zunächst Analysen der aktuellen Oberflächenenergie des Werkstoffes durchgeführt. Die Vorversuche zum Behandeln der Spritzenkörper ergaben, dass die Oberflächenenergie des COC auf oberhalb 50 mN/m ange-hoben werden muss, damit eine optimale Benetzbarkeit mit dem Silikonöl sichergestellt werden konnte. Auf den ersten Blick war nicht verständlich, warum ein an sich unpolares Silikonöl in einer unpolaren COC-Spritze nicht spreitet, jedoch die nach Plasmabehandlung polarisierte Oberflächen gut benetzt. Das COC weist unbehandelt eine Oberflächenenergie von circa 39 mN/m auf, mit einem geringen polaren Anteil von rund 0,5 mN/m und liegt nach der Plasmaaktivierung bei 52 mN/m, mit einem polaren Anteil von circa 13 mN/m. Das verwendete Silikonöl hat eine Oberflächenspannung von 21,6 mN/m (davon 1,85 % polar, gemessen mit der Methode des liegenden Tropfens). Nach Literaturangaben begründen sich die polaren Oberflächenenergieanteile von Silikonöl aus Resten der Polymerisationskatalysatoren und Neutralisationsmittel, die nach der Synthese der Öle nicht ausgewaschen oder entfernt werden [1]. Dies erklärt, warum das Silikonöl eine mit Atmosphärendruckplasma behandelte Oberfläche gut benetzt. Entscheidend für den Erfolg einer industriellen Umsetzung einer Plasmabehandlung ist zum einen ein auf die Anwendung zugeschnittenes Plasmasystem aus Generator, PCU (Transformator inklusive verschiedener Qualitätssicherungssysteme für die Plasmabehandlung) sowie Düse, und zum anderen das Erarbeiten eines stabilen Prozessfensters. Neben grundlegenden Einstellungen des Plasmasystems betrifft dies den Abstand zwischen Plasmadüse und Substrat sowie deren relative Geschwindigkeit zueinander. Da gerade COC als amorpher Kunststoff bei einer Überbehandlung zu Spannungsrisskorrosion neigt, muss das Prozessfenster genau eingehalten und die Parameter permanent überwacht werden. Dies gewährleistet der Anlagenhersteller mit der PCU-Technologie (Plasma Control Unit), mit der unter anderem Prozessgasstrom, Plasmaleistung, Düsenrotation und Staudruck überwacht und für Qualitätskontrolle und -monitoring aufgezeichnet werden können.
Plasmabehandlung in der Healthcare Branche
Die Firma Hahn Automation stellt umfangreiche Automatisierungsprozesse her, wie beispielsweise für die Herstellung von vorgefüllten Spritzen aus COC der Größen 5 ml, 10 ml und 50 ml. Die Spritzenkörper werden automatisiert der Spritzgießmaschine entnommen, per Kameraprüfung auf die geforderte Qualität kontrolliert, inline mit Plasma vorbehandelt und anschließend mit einem Sprühnebel von Silikonöltröpfchen im Inneren benetzt. Zum Schluss werden die Spritzen automatisch verpackt, in Trays versiegelt und stehen so optimal geschützt für den Weitertransport zur Verfügung. Bei sich ändernden Spritzengrößen oder Werkstoffen ist die Entwicklung der optimalen Produktionsparameter innerhalb einer solchen Automatisierungslinie nicht wirtschaftlich durchzuführen. Gerade die Plasmabehandlung, also das „Eintauchen“ der Plasmadüse ins Spritzeninnere, muss den geänderten Anforderungen angepasst werden. Für diesen Fall ist eine Anlage hilfreich, die dem Bediener eine einfache Programmerstellung ermöglicht, über eine Schnellwechselaufnahme verfügt, um verschiedene Spritzen bearbeiten zu können und die Reproduzierbarkeit und Dokumentation der Prozesse zur Durchführung von Kleinserien sicherstellt. Eingesetzt wurde hier die Smartsolutions Plasma von Hahn Automation. Diese Automatisierungszelle lässt sich ohne große Programmierprozesse, ähnlich einem Smartphone, einrichten, steuern und überwachen.
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Was bietet eine Vorbehandlungszelle?
In der Smartsolutions Plasma sind eine RD2004 Rotationsdüse, eine PCU-M und ein Generator des Typs GF601x von Plasmatreat vollständig integriert. Die RD2004 eignet sich durch ein geringes Gewicht und kleinen Bauraum gut für die Integration in eine automatisierte Behandlungsplattform. Für die behandelten Spritzenkörper wurde die RD2004 mit 55 l/min Stickstoff, bei einer Düsenrotation von 2.800 rpm und 500 W Leistung betrieben. Als Prozessgas wurde Stickstoff gewählt, um die Plasmaintensität innerhalb der Spritze zu verstärken. Die Anlage kann aber auch mit Druckluft betrieben werden, um andere Prozesse unter idealen Bedingungen abzubilden.
Die Bestückung und Bedienung der Zelle ist anwenderfreundlich gestaltet. Die Artikelaufnahmen für verschiedene Spritzentypen können mittels Schnellspannvorrichtung innerhalb von Sekunden ohne Werkzeug und Rüstzeit gewechselt werden. Nachdem die Spritzen manuell in die Artikelaufnahme eingelegt werden, können in der eigens entwickelten Software SIA (Smart Intuitive Automation) die Positionen der einzelnen Spritzen per Tablet angelegt werden. Hierbei sind keine Programmierkenntnisse erforderlich.
Ein Kamera Livebild unterstützt intuitiv den Einrichtungsprozess mittels den Navigationstasten auf dem
Tablet, wie in diesem Falle die Positionierung des X, Y Tisches. Der Ablauf des Programms wird im Hintergrund automatisch erstellt, sodass der Bediener seine volle Aufmerksamkeit dem Prozess in der Zelle widmen kann.
Als letzter Schritt wird die Plasmabehandlung eingerichtet, für die die SIA-Software um zusätzliche Funk-tionen erweitert wurde. Der Fokus lag dabei ebenso darauf, eine höhere Varianz an Bearbeitungsmöglichkeiten anzubieten, wie auch eine Kopierfunktion, um Parameter von einer Spritzenposition auf alle anderen Positionen übertragen zu können. Der vollständige Prozess muss so nur ein einziges Mal eingerichtet werden, sofern alle Spritzen in der Aufnahme mit den gleichen Prozessparametern behandelt werden sollen.
In dem Z-Editor zur Parametrierung des Plasmaprozesses lassen sich in der grafischen Oberfläche bis zu drei Positionierungen innerhalb der Spritze bestimmen. Diese können mit einer wählbaren Geschwindigkeit von bis zu 250 mm/s angefahren und, falls gewünscht, auch eine Verweildauer an vorgegebenen Punkten in 10 ms Schritten eingestellt werden.
Dies erlaubt ein flexibles Parametrieren der Behandlung der Spritzeninnenseite, sodass eine abgestimmte Plasmabehandlung realisiert werden kann. Durch die vollständige Integration des Plasmagenerators in die Steuerung der Zelle lassen sich neben der Verfahrbewegung die wichtigsten Behandlungsparameter wie Plasmaleistung, Düsenrotation, Prozessgasstrom und Staudruck überwachen. Das Anbinden an eine SQL-Datenbank ermöglicht, alle Parameter und Prozessdaten anzuzeigen, zu speichern und gegebenenfalls an übergeordnete Systeme bereitzustellen – eine Voraussetzung für eine Produktion in der Medizintechnik.
Literatur
[1] J. Ackermann, V. Damrath, Chemie und Technologie der Silicone II, Herstellung und Verwendung von Siliconpolymeren, Chemie in unserer Zeit, 23. Jahrg. 1989, Nr. 3, S. 86–99.
Quelle: Plasmatreat, Steinhagen
Quelle: Hahn Automation, Rheinböllen