In seiner Begrüßungsansprache ging der Präsident der SPE Central Europe, Bernard Rzepka, darauf ein, welch enorme Bedeutung Kunststoffe für die Technik und das Design der Fahrzeuge von morgen haben. Viele der Bauteile, die am Wettbewerb teilgenommen haben, zeichnen sich dadurch aus, dass sie nach ihrer Nutzung wiederverwertet werden können. Innovative Werkstoffe und Technologien verbessern nicht nur Fahrerlebnis, Sicherheit und Nachhaltigkeit, sondern bringen auch die Wettbewerbsfähigkeit voran und stärken so die Gesellschaft. Die zum Wettbewerb zugelassenen Bauteile wurden im Dome des direkt an der Rheinpromenade gelegenen Kameha Grand Bonn in Szene gesetzt.
Während der Verleihung wurden die Bauteile kategorieweise vorgestellt und die Gewinner gekürt. Fachbereichskoordinator Thilo Stier sowie die Jury-Mitglieder Joachim Melzig (BMW), Dr. Matthias Theunissen (Envalior) und Dr. Thomas Wolff (SPE Central Europe) lenkten die Aufmerksamkeit der Gäste immer wieder auf Details, die ohne Erläuterung zumeist gar nicht wahrgenommen würden. Bei einigen Teilen waren die Gäste überrascht von der letztendlich einfachen, weil logischen Lösung – nur der Weg dorthin ist oftmals alles andere als einfach.
Welche Bauteile in welcher Kategorie ausgezeichnet wurden
In der Kategorie Body Interior, gesponsert von Akro-Plastic, trägt in diesem Jahr ein Instrumentenpanel-Grundträger den Sieg davon. Hergestellt wird er über einen Gasinjektionsprozess mit kaltem Gas, der Gaskanal läuft dabei beidseits über die gesamte Breite und Einbautiefe des Teils. Dadurch lassen sich eine hervorragende Maßhaltigkeit und mechanische Festigkeit erzielen. Entwickelt wurde es von Volkswagen und Forvia in Zusammenarbeit mit Stieler Kunststoff-Service, das Werkzeug steuerte Müller Modell und Formenbau bei. Platz zwei belegt eine A-Säulen-Verkleidung von Eurostyle Systems, das aussieht wie textilverkleidet und sich auch so anfühlt, aber ausschließlich aus einem glasfaserverstärkten Polypropylen von Lyondell Basell besteht. Das Geheimnis ist eine spezielle Lasernarbung im Werkzeug. Auf dem dritten Platz landet eine Verschlussscheibe für die Türabdämpfung und -abdichtung, die Woco Industrietechnik und Mercedes-Benz entwickelt haben. Und zwar aus einem Material von Tyre Recycling Solutions, das 15 % Closed-Loop-Altreifenrezyklat enthält.
Den Award in der Kategorie Body Exterior, die von Syensqo gesponsert wird, erhält Weidplas Germany für eine 3K-Radverbreiterung, die mit einem mit einem Polyurea-Lacksystem beschichtet ist. Die Umstellung auf ein einteiliges Konzept reduziert das Gewicht um 30 %, spart Bauraum und macht sowohl die Montage als auch den Lackiervorgang mit seinen vielen Prozess-Schritten obsolet. Eine Dachrelingunterlage erreicht den zweiten Platz. Sie ist aus einem TPE mit mikroskopisch kleinen Glashohlkugeln gefertigt und höchst dimensionsstabil. Dritter in dieser Kategorie wird ein Dekorationsteil für die vordere Türverkleidung, für dessen Fertigung eine Polypropylen-Compound mit 20 % Recyclinganteil verwendet wird. Das Design zeigt einen Mold-in-Color-Spezialeffekt mit Partikeln, der den Einsatz von Recyclingmaterial hervorhebt.
Dr. Oliver Neuss überreichte den Award in der Kategorie Electronical/Optical Part für ein besonders Rückleuchtenlichtschwert, das Lucid Motors gemeinsam mit Hella und Reichle Technologiezentrum entwickelt hat. Seine Oberfläche ist absolut kratzfest, sodass das Lichtschwert ohne Schutzglas auskommt. Eine Diamant-Lasertextur sorgt für exakte optische Pfade und damit für eine gleichmäßige Verteilung des Lichts. Den zweiten Platz belegt ein Flatlight, ein 5 mm flaches Lichtelement mit einer Vielzahl von Signalfunktionen. Es weist eine 20 Mal höhere Effizienz auf als vergleichbare Module. Auch diese Entwicklung kommt aus dem Hause Hella. Auf dem dritten Platz landet ein Hochvoltstecker für Batterie, Motor und Inverter in Elektrofahrzeugen. Er ist aus stark fließverbessertem Grilon der EMS-Chemie gefertigt und verfügt über einen einzigartigen Verriegelungsmechanismus, der die Steckverbindung vierfach sichert.
In der Kategorie Power Train erhält Woco Industrietechnik den Award aus den Händen von Alen Ibrahimovic als Vertreter von Almaak international für eine Motorabdeckung. Das Besondere an diesem Teil: Die Motorabdeckung ist nicht aus PPA, sondern aus Polyamid gefertigt. Und zwar im Mucell-Verfahren. Dennoch weist sie eine 1A-Oberfläche auf. Platz 2 geht an ein Kühlsystem für brennstoffzellenbetriebene Trucks. Das verwendete glasfaserverstärkte Polypropylen-Compound von Lyondell Basell sorgt in Verbindung mit exzellenten Werkzeugbau und optimierter Verarbeitung für ein extrem verzugsarmes Bauteil. Dritter wird eine Diesel-Rücklaufleitung, die eine wartungsfreie Nutzungsdauer von 20 Jahren hat. Dreh- und Angelpunkt ist der Kanal, der mit einem 322 mm langen Kernzug hergestellt wird. Der Kern verjüngt sich von 7,3 mm auf 4 mm bei einer Entformschräge von nur 0,29 Grad. Vierter in dieser sehr stark besetzten Kategorie wird eine einzigartige Flex5-Leitung mit 2K-Anschlüssen von Aft Automotive. Sie ist hoch flexibel, lässt sich knicken und biegen und kehrt wieder in ihre ursprüngliche Form zurück. Über den fünften Platz freuen sich die Vertreter von Radici und Marelli, sie haben einen Luftansaugkrümmer entwickelt, für den mechanisch recyceltes Material verwendet wird und der dennoch die strengen Anforderungen hinsichtlich Lärm-Emissionen erfüllt.
Dietrich Taubert geehrt
Nach mehr als 35 Jahren hat Dietrich Taubert vor wenigen Wochen seine aktive Mitarbeit bei SPE Central Europe beendet. Mehr als 30 Jahre gehörte er dem Vorstand des Vereins als Pressesprecher an. In dieser Zeit hat er dafür gesorgt, dass die SPE Central Europe und ihre Aktivitäten in der Fachwelt bekannt wurden – vom Kunststoff-Forum in Salzburg über die Delphi-Studie bis hin zu unserer wichtigsten Aktivität, dem Automotive Award. Auch innerhalb des Vereins hat er immer wieder Impulse gesetzt und sich dafür stark gemacht, neue Ideen zügig umzusetzen. Anlässlich der Award Night verlieh ihm SPE Central Europe die Ehrenmitgliedschaft.
Welche Kategorien noch prämiert wurden
Der zweite Teil der Award-Verleihung begann mit der Kategorie New Mobility. Als Vertreter von Sponsor Kuraray überreicht Andreas Weinmann den Award an die Entwickler des Axialen Jet-Rings. Der verbindet Hochvoltisolation mit einem Kühlsystem und erlaubt damit einen geringeren Abstand zwischen Rotor-Endwindungen und Motorgehäuse. Die Mikrodüsen, die frisches Öl tief in das Entwindungspaket einbringen, müssen exakt abgebildet sein. Den zweiten Platz in der Kategorie belegt ein Kühler-Modul mit voneinander unabhängigen Kühlkreisläufen der Sogefi-Group, das eine selektive Erwärmung bzw. Kühlung bestimmter Komponenten je nach Wetterbedingungen und Betriebsanforderungen ermöglicht. Zum Einsatz kam hier ein aliphatisches Polyketon, das mittels einer eigens entwickelten Laserschweißtechnik gefügt wird. Dritter wird ein Batteriemanagement-Modul für EVs von Intercable, das sich durch eine hohe elektrische Durchschlagfestigkeit auszeichnet. Verantwortlich dafür ist ein passgenau formulierter Werkstoff der EMS-Chemie. Der verbesserte Flammschutz sorgt für verlängerte Evakuierungszeit,
Aus den Händen von Marco Prigandt von Sponsor EMS-Chemie erhalten Elring Klinger und Lucid Motors den Award in der Kategorie Chassis Unit/Structural Component für ihren Instrumententafel-Querträger. Er übernimmt die Funktionalitäten von insgesamt 26 Bauteilen, etwa dem Handschuhkasten, und trägt durch seine Crashperformance wesentlich zur Insassensicherheit bei. Gefertigt wird er aus einem carbonfaserverstärkten Polyamid 6 der Akro-Plastic mit Metalleinlegern. Auf Platz zwei landet eine Corona-Shield-Halterung von Faurecia Autositze und Yizumi. Sie ist ein Paradebeispiel für eine wirtschaftliche und schnelle Fertigung von Strukturbauteilen in mittleren Losgrößen mittels additiver Verfahren. Wichtiger Punkt dabei: Die Bauteile halten einem Frontcrash und einem Heckcrash bei 50 km/h stand. Dritter im Bunde ist ein Plastic Outboard Housing von ZF Automotive. Es ist das erste Kunststoffgehäuse, das in einem Lenksystem verwendet werden darf. Denn das verwendete Lang-Glasfaser-Material von Syensqo erreicht in Kombination mit der Konstruktion eine Steifigkeit und Formstabilität, wie sie Metallwerkstoffe aufweisen.
In der Kategorie Enabler Technology sind so viele Teile eingereicht worden, dass zwei Untergruppen gebildet werden mussten. Sieger in der Subkategorie part & component design wird das Pocket Profile Cooling von Erwin Quarder Systemtechnik. Mit der dort entwickelten MPDB-Technologie können Kunststoff-Endstücke radial umlaufend an Aluminium-Profilen angebracht werden, heliumdicht und langzeitstabil. Das verwendete Polyketon hat einen weiteren Vorteil: Im Fall eines Thermal Runaways vernetzt es zu einem Duroplast und bildet eine Schutzbarriere. Und auch Platz zwei geht an Erwin Quarder Systemtechnik, für die MPDB-Leistungsbox. Sie sorgt für 30 % weniger Verlust bei der DC-AC-Umwandlung und damit für eine höhere Fahrleistung pro Akkuladung. Als Drittes geehrt in dieser Kategorie wird eine Stoßfängerverkleidung von Magna Exteriors, für die Christian Karl Siebenwurst das Werkzeug beigesteuert hat. Die neue Technologie verbindet das Spritzgießen mit dem Stanzen.
Die meisten Teile finden sich in der Subkategorie materials & technologies, weshalb es auch hier fünf Ehrungen gibt. Sponsor dieser Kategorie ist EMS-Chemie. Den Award gewinnt KTM Technologies für seinen Sitzbankboden in Geminus-Technologie. Dabei werden Tapes automatisiert ins Werkzeug für das Cold-Shot-Spritzgießen eingelegt. Das verwendete langfaserverstärkte Polypropylen wird mittels chemischem Treibmittel und Präzisions-Öffnungshub gespritzt und zeigt im Verbund keinerlei Kerbempfindlichkeit. Platz zwei geht an einen Polyamid-Partikelschaum-Pralldämpfer, der im Crashfall die auftretenden Kräfte absorbiert und verteilt. Er besteht aus einem Ultramid Expand, das lackierprozess- und temperaturbeständig ist und deshalb bereits im Rohbau montiert werden kann. Dritter in dieser Subkategorie wird ein Battery Pack Housing. Es handelt sich um das erste Akku-Pack, bei dem alle wichtigen Kunststoffteile aus nichthalogenhaltigem, flammhemmendem PP GF30 bestehen. Platz vier belegt ein Integrated Form Panel, dessen neuartige, nur 0,3 mm dicke PUR-In-Mold-Beschichtung vor UV-Strahlen schützt, chemisch beständig und selbstreparierend ist. Auf dem fünften Platz landet eine Innovation, die das Zeug hat, die Fertigung von komplexen Kunststoffstrukturbauteilen mit geschlossenen dünnwandigen Kanalgeometrien und konstanten Innenquerschnitten zu revolutionieren: eine Technologie, die Fluid- und Projektil-Injektionstechnik kombiniert.
Zum Abschluss dieses Blocks ehrte Sponsorenvertreter Sebastian Grafe all die Einreichungen, die nicht unter die ersten drei beziehungsweise fünf Plätze ihrer Kategorie gekommen sind, mit einem Nomination-Award. Alle diese Teile zeichnen sich ebenfalls durch ein überdurchschnittlich hohes Niveau aus, häufig unterschieden sich die Bewertungsergebnisse nur um wenige Punkte. Und manch ein Teil hätte mit der jetzt erreichten Punktzahl beim vorangegangenen Wettbewerb ganz vorn gelegen.
Erstmals Young Professionals Award verliehen
Den Höhepunkt einer jeden Award Night bilden die Special Awards. Erstmals im Rahmen der Award Night wurde der Young Professionals Award verliehen. Drei Masterarbeiten, die sich mit Kunststoffanwendungen und Leichtbau im Automobil beschäftigen, wurden ausgezeichnet. Den ersten Platz belegt Maximilian Lang von der TU Ilmenau: Seine Arbeit trägt den Titel „Herstellung und Charakterisierung biobasierter Organobleche“. Die Arbeit überzeugt mit einer breit gestreuten Literaturrecherche, mit einer sehr effizienten und methodischen Herangehensweise und - last but not least - mit einer umfangreichen Illustration und sehr guten Verständlichkeit. Auf Platz zwei landet die Masterarbeit von Johanna Beckmann von der Universität Paderborn, ihr Thema ist „Untersuchung zur Bruchmechanik hinsichtlich Crushing von CFK für einen Crash-Längsträger im Automobil“. Sie verbindet in perfekter Weise die sehr anspruchsvolle Theorie und die Praxis, verifiziert die Ergebnisse mit der Simulation und leitet sehr gute Erklärungsansätze daraus ab. Dritter in der Runde ist Marcel Piechnik aus dem IKT der Universität Stuttgart. In seiner Arbeit geht es um die „Untersuchung von Kunststoff-Metallverbindungen in Elektromotoren“. Ihm gelingt es, die wesentlichen Einflussgrößen herauszuarbeiten und treffend zu charakterisieren, Somit hat das Ergebnis einen hohen Nutzen für entsprechende Anwendungen in der Praxis.
Sustainability Award: Nachhaltigerer Sitzbezug hat die Nase vorn
Zum dritten Mal verliehen wurden die Nachhaltigkeits-Awards, erneut unterstützt von Lyondell Basell. Klarer Sieger ist der Sitzbezug Econeer von BMW und Magna Seating. Er besteht aus Monomaterial mit maximalem Rezyklatanteil: Die Oberware wird aus 100 % recyceltem Polyester gefertigt, das Vlies darunter enthält 85 % Recyclingmaterial. Hoch innovativ ist auch der Klebeprozess: Erstmals wird ein PET-Kleber eingesetzt, der mittels Walzen in einer Klebekaschieranlage aufgebracht wird.
Platz zwei in Sachen Nachhaltigkeit geht an ein Airbag-Gerätegehäuse aus dem Hause Robert Bosch, das aus PCR-Material aus dem Gelben Sack gefertigt wird und für das man eine neue Methode zur Geruchsreduktion entwickelt hat. Den dritten Platz belegt ein ressourcenneutraler Seitenverkleidungshalter von ABAS Werkzeug- und Formenbau und Edag Engineering. Das Bauteil besteht zu 80 % aus Polypropylen, das aus Altfahrzeugen gewonnen wurde, und zu 20 % aus Kohlenstofffasern, die von ausrangierten Windrotoren stammen.
Zum Abschluss wurden traditionell die innovativsten Einreichungen geehrt. Zum Innovation Award gratulierte Sponsor Alen Ibrahimovic dem Unternehmen Novem Car Interior Design für die Entwicklung des Inlight. Das 2K-Zierteil ist sowohl flächig montierbarer Träger als auch vollflächig ausgestalteter Lichtleiter. Das Licht wird an der Stirnseite eingespeist und zwischen zwei Folien hin und her reflektiert. Dieser Effekt wird durch Druckschichten mit unterschiedlichen Brechungsindizes realisiert, zwischen die das lichtleitende Material im Sandwich-Spritzgießen eingebracht wird.
Über den Grand Innovation Award freut sich Kautex Textron. Sponsor Sebastian Grafe überreicht ihn für einen integrierten Zellhalter für Hochleistungsbatteriekühlung. Ein elektrisch nicht-leitfähiges Fluid wird durch integrierte halboffene Kanäle in Batteriegehäuse und Zellhalter in direktem Kontakt mit der Zelle verdampft. Diese sogenannte Zwei-Phasen-Immersionskühlung stellt höchste Anforderungen an die Bauteil-Dichtheit, was durch einen One-Shot-Prozess gewährleistet wird.
Der Clou: Durch den direkten Kontakt mit der Zelle kann im Vergleich zu herkömmlichen Kühlsystemen mit der gleichen Menge Fluid circa die 15-fache Menge an Wärme abtransportiert oder eingebracht werden.
Wer wurde als Gesamtsieger des Awards geehrt?
Gesamtsieger des Automotive Award 2024 und Gewinner des Grand Award wird ein Bauteil aus der Kategorie Chassi Unit/Structural Component: ein Mittelkonsolenträger, für dessen Fertigung erstmals ein additives Verfahren für ein Serienprojekt eingesetzt wird, das roboterbasierte Large Scale Printing. Großer Vorteil dieses Verfahrens ist, dass auch hochgefülltes faserverstärktes Spritzgießgranulat verarbeitet werden kann. Gleichzeitig konnte durch ein intelligentes Bauteildesign die Anzahl der Teile von sieben auf eins reduziert und weitere Funktionen in den Mittelkonsolenträger integriert werden. Das eingesetzte Akromid mit 40 % recycelter Kohlefaser basiert auf nachwachsenden Rohstoffen und senkt den CO2-Fußabdruck um 70 kg je Bauteil.
Quelle: SPE