Grafik mit einer roten und schwarzen Trendkurve. Dahinter ein Oberkörper von einem Mann mit grauem Jackett und roter Krawatte. Zeigt mit dem Zeigefinger auf die Grafik.

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In der Zeitmaschine: Reise in die Vergangenheit

Nachdem im August 2021 die Erholungsphase vom Lockdown-Jahr 2020 schon wieder passé war, ist die Kunststoffverarbeitung erneut zum Sinkflug übergegangen. In neun von zehn Monaten ist die Produktion geschrumpft. Lediglich im Februar 2022 ging es minimal aufwärts, was aber nichts anderes war als der Ausgleich des Minus aus dem Vorjahresmonat, der den Aufholprozess nach dem Lockdown kurzzeitig unterbrochen hatte. Im Juni 2022 liegt die Produktion nur noch zwei Prozentpunkte über dem Basisjahr 2015. Deutlicher formuliert: Die Produktion ist fast auf das Niveau von 2015 zurückgefallen.

Grafik mit blauen Balken und roter Kurve.
(Bild: Destatis)

In der Rezession

Drei Quartale mit Produktionsrückgängen bezeichnet man gemeinhin als Rezession. Seit dem vierten Quartal 2021 bewegt sich die Kunststoffverarbeitung nun im Krebsgang, das zweite Quartal 2022 ist das dritte Quartal in Folge mit sinkender Produktion. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Produktion auch im dritten Quartal 2022 zumindest nicht steigen wird, nicht ausgeschlossen, dass sie sogar weiter zurückgeht. Damit steht fest: Am Vorabend der K befindet sich die Kunststoffverarbeitung in der Rezession. Die EZB wird langsam weiter an der Zinsschraube drehen (müssen), in Berlin dürfte die Gassteuer, vulgo „Gasumlage“, nicht der letzte Streich sein.

Grafik mit blauen Balken und roter Kurve.
(Bild: Destatis)

Produzieren auf niedrigerem Niveau

Vergleicht man die ersten Halbjahre, zeigt sich, dass die Produktion im ersten Quartal 2018 mit 108,3 Punkten ihren bisherigen Höchststand erreicht hatte. 2019 ging es dann schon leicht nach unten. Der Einbruch des Lockdownhalbjahres 2020 konnte im folgenden Jahr wieder wettgemacht werden, nun weist die Entwicklung aber wieder nach unten. Im ersten Halbjahr 2022 liegt man halbwegs zwischen den Ständen von 2016 und 2017. In der Abrechnung für 2022 könnte man noch unter das Niveau von 2016, im zweiten Halbjahr auf das von 2015 fallen.

Grafik mit blauen Balken und roter Kurve.
(Bild: Destatis)

Technische Teile/Konsumwaren bremsen Abwärtstrend

Unter dem Niveau des Basisjahres 2015 liegt die Produktion bei den Herstellern von „sonstigen Kunststoffwaren“, sprich Technische Teile und Konsumwaren. Dieser Sektor, nach Betriebszahlen die größte Gruppe, wertmäßig aber wieder auf den zweiten Platz hinter die Halbzeugproduzenten zurückgefallen, wird sehr stark durch die Absatzkrise bei Technischen Teilen gebremst, während die Konsumwaren glimpflich davonkommen. Im zweiten Quartal 2022 beträgt der Rückgang gegenüber dem Vorjahresquartal noch -1,9 %, während es in den beiden Vorquartalen jeweils über -4 % waren.

Grafik mit blauen Balken und roter Kurve.
(Bild: Destatis)

Halbzeuge fallen wieder unter alten Stand

Der Halbzeugsektor (Rohre, Profile, Platten und Folien), inzwischen wieder Platz eins nach Produktionswerten, ging bisher aus der Krise relativ unbeschadet hervor. Im ersten Quartal 2022 hatte das Produktionsniveau etwa wieder den früheren Rekord in einem ersten Quartal von 2018 erreicht. Die Hersteller profitieren u.a. vom Bauboom und von Investitionen in energetische Gebäudesanierung und öffentliche Infrastruktur. Im zweiten Quartal 2022 büßen sie nun gleich -4,4 Prozent ein und liegen jetzt zwei Indexpunkte unter dem bisherigen Spitzenwert aus dem zweiten Quartal 2018.

Grafik mit blauen Balken und roter Kurve.
(Bild: Destatis)

Update vom 12.09.22: Insolvenzen in Gummi und Kunststoff

Gerade hat ein bedeutender Kunststoffverarbeiter, die Dr.-Schneider-Gruppe in Kronach, Insolvenz anmelden müssen. Unser Bundeswirtschaftsminister hätte ihnen vielleicht geraten, „einfach nichts mehr zu verkaufen“, sprich, die Produktion einzustellen, um die Insolvenz zu vermeiden. Solche zynischen Vorschläge beiseite lassend, wollen wir die aktuelle Diskussion zum Anlass nehmen, uns einmal die Entwicklung bei den Insolvenzen in der Gummi- und Kunststoffverarbeitung anzuschauen. Für die Kunststoffverarbeitung allein gibt es nur Jahresdaten und keine unterjährigen Zahlen. Aber die Gummiverarbeiter fallen quantitativ nicht ins Gewicht, sie machen im Schnitt nur 7,4 % der Gesamtinsolvenzen aus. Einen Insolvenzrekord gab es in der großen Krise von 2009 mit über 160 Insolvenzen. Seither haben sich die Zahlen in der Tendenz immer weiter verringert. 2018 war der Tiefststand erreicht. Es waren überwiegend gute Jahre, aber die Zahl der Unternehmen ist auch zurückgegangen, so dass sich das „Reservoir“ an Insolvenzen zwangsläufig verringert. Betriebsaufgaben aus Altersgründen, wegen Nachfolgeproblemen und durch zunehmende Unternehmenskonzentration sowie die Insolvenzen selbst sind die Hauptursache für die geringere Zahl an Gummi- und Kunststoffverarbeitern. Mit Beginn der Rezession Ende 2018 hat sich das Blatt gewendet, und die Zahl der Insolvenzen ist wieder deutlich angestiegen. Im Lockdown 2020 wurde die Pflicht zur Insolvenzanmeldung zeitweise ausgesetzt (bis Ende April 2021). Diese Maßnahme hat einige Insolvenzen verzögert, zusätzlich hat die Erholung 2021 einigen Kandidaten Erleichterung verschafft. Im ersten Halbjahr 2022 sind die Insolvenzen wieder leicht gestiegen. Man darf gespannt sein auf das zweite Halbjahr. Vermutlich dürften hier die Insolvenzanmeldungen noch einmal deutlich zunehmen.

Grafik mit blauer und roter Kurve.
(Bild: Destatis)

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