Die Strahlenvernetzung von Kunststoffen ist ein wichtiges Verfahren, um die mechanischen, chemischen und thermischen Eigenschaften zu optimieren. Durch die Vernetzung wird die Langlebigkeit vieler Produkte erheblich gesteigert und damit die Nachhaltigkeit entlang der Wertschöpfungskette verbessert. Das Recycling stellt allerdings eine besondere Herausforderung dar, da sich die vernetzten Anteile des Kunststoffs nicht mehr aufschmelzen lassen.
Das Ziel eines gemeinsamen Forschungsprojektes von BGS Beta-Gamma-Service, Nylon Polymers, der Hochschule Aalen und dem Fachgebiet Polymertechnik und Polymerphysik am Institut für Werkstoffwissenschaften und -technologien der TU Berlin ist es, die Chancen und Grenzen des werkstofflichen Recyclings an strahlenvernetzten Polyamiden zu untersuchen. Projektleiter und Doktorand Udo Grabmeier gibt nähere Einblicke und stellt zentrale Ergebnisse vor.
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Herr Grabmeier, die Strahlenvernetzung erhöht die Temperaturbeständigkeit von Thermoplasten. Inwieweit können strahlenvernetzte Polymere überhaupt mechanisch recycelt werden?
Udo Grabmeier: Der grundlegende Lösungsansatz für das werkstoffliche Recycling besteht darin, durch Vermahlen der strahlenvernetzten, sortenreinen Polymermaterialien einen wertvollen Füllstoff zu erhalten, der dem entsprechenden Virgin Material zusammen mit einem Vernetzeradditiv in der Compoundierung zugesetzt wird.
Unser Ansatz sieht im Detail folgendes Vorgehen vor: Da die recycelten Produkte als Füllstoff integriert werden, müssen die Produkte gemahlen und aufbereitet werden. Zu Beginn der Testreihen erfolgten einfache Beimischungsversuche und diese zeigten bereits, dass eine Neuproduktion von Kunststoffteilen möglich war. Im späteren Verlauf wurden verschiedenste Mahlgutgrößen hergestellt und in unterschiedlichen Dosierungen prozentual der Neuware beigemischt. Im Grunde kann man sich das so vorstellen wie Peelingpartikel in einem Duschgel, die vernetzten Partikel werden in der Schmelze als Feststoffpartikel transportiert.
In Ihrem Forschungsprojekt haben Sie sich mit dem Recycling von strahlenvernetztem Polyamid auseinandergesetzt. Warum fiel die Wahl ausgerechnet auf diesen Werkstoff?
Grabmeier: Polyamide zählen zu den wichtigsten für technische Anwendungen eingesetzten thermoplastischen Kunststoffen und werden aufgrund ihrer ausgezeichneten mechanischen Eigenschaften, guten Verarbeitbarkeit und einer hohen Chemikalienresistenz in großem Umfang als technische Kunststoffe für mechanisch hoch belastete Teile eingesetzt. Die beiden technisch am häufigsten verwendeten Polyamide sind PA 6 und PA 66. Die Polymere sind chemisch sehr ähnlich, in beiden Fällen handelt es sich um teilkristalline, lineare, aliphatische Homopolymere, die über ausgezeichnete technische Eigenschaften verfügen und hervorragend mittels Spritzguss oder Extrusion verarbeitet werden können.
Außerdem: Neben Polyethylen (PE), PBT und TPE stellen die Polyamide die wichtigsten in der Strahlenvernetzung eingesetzten Polymere dar. Dabei können auf eine sehr praktikable Art und Weise und mit relativ geringem Kostenaufwand mechanische, chemische und thermische Eigenschaftsverbesserungen erreicht und die Leistungsmerkmale von teuren Hochleistungskunststoffen erreicht werden. Vor allem im Bereich des Antriebsstrangs und Elektronikbereich im Automobilsektor gibt es eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten für strahlenvernetzte Polyamide.
Wie beeinflusst das Mahlgut die späteren Produkteigenschaften?
Grabmeier: Unsere Untersuchungen haben bei den thermischen und mechanischen Analysen keine Verschlechterungen gezeigt. Im Gegenteil: Die Eigenschaften bleiben auf dem gleichen Niveau oder sind sogar signifikant besser, wenn die Materialien nochmals bestrahlt werden, verglichen mit unbestrahlten Materialien. Daraus ergeben sich Chancen für neue Anwendungen und auch Einsparpotenziale. Mit den Partnern und Anlagenherstellern wurde eine grobe Abschätzung der Kosten für das Recycling und Herstellen des Compounds aufgestellt. So können Einsparungen von 1 bis 15 % der Materialkosten entstehen. Wichtiger ist aber die Reduzierung der Neuware, da dies auch einen direkten Effekt auf die CO2 -Bilanz hat.
Ist der Stoffstrom strahlenvernetzer Polyamide groß genug, um einen Recyclingkreislauf aufzubauen? Aus welchen Anwendungen beziehen Sie ihr Recyclingmaterial und was sind hierfür die Quellen?
Grabmeier: Hierzu wurden noch keine Untersuchungen gemacht – die Frage stand zum Projektbeginn noch nicht im Fokus, da zuerst die grundsätzliche technische Machbarkeit untersucht wurde. Der Schritt, einen ersten Beitrag zum Recycling strahlenvernetzer Polyamide zu leisten, stand wie bereits erwähnt im Vordergrund. Blickt man auf andere Branchen oder Recyclingprojekte, so ist die technische Machbarkeit das Grundgerüst, denn es gilt: „Ist das Produkt nicht lebensfähig bzw. herstellbar, so ist der Aufbau eines Stoffstroms und die Aufbereitung von sortenreinem Mahlgut fragwürdig oder gar hinfällig“. Der Aufbau eines Circular Economy-Konzepts ist vom Anwendungsfall abhängig und Plan nachfolgender Arbeiten. Das Recycling sollte in Zukunft, egal bei welchen Kunststoffen und Bauteilen, berücksichtig werden.
Quelle: BGS Beta-Gamma-Service
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