Beim Thekendienst im Tennisverein hatte Alexander Brock die spontane Idee für diesen Flaschenträger. Mit ihm lassen sich Glasflaschen sehr einfach ein- und ausklinken und sicher transportieren. Gedacht – und getan, denn Alexander Brock ist Werkzeug-Konstrukteur und Inhaber des gleichnamigen Konstruktionsbüros in der Nähe von Bielefeld; dabei hat er sich auf die Konstruktion von Spritzgießwerkzeugen und die Entwicklung produktionsgerechter Kunststoffteile spezialisiert. Hergestellt wurde der neuartige Träger mit den von Brock bereits konstruierten Spritzgieß-Serienwerkzeugen, insgesamt sieben. Davon hat Vollmer Kunststofftechnik (VKT) in Bielefeld zwei Werkzeuge – für Tragegriff und Entriegelung – gebaut und zwei weitere Werkzeuge – für Federmatte sowie Inlay – Strohdiek Werkzeugbau und Frästechnik in Bielefeld. Die drei weiteren Werkzeuge wurden extern hergestellt. 3D-Modelle bestimmen bei den drei Partnern Brock, Strohdiek und VKT schon seit Jahren das Geschehen. Genau hier gibt es eine weitere Schnittmenge: Alle drei Firmen arbeiten in der Fertigung beziehungsweise Konstruktion mit der 3D-Werkzeugbau-Lösung Visi des britischen Herstellers Vero Software.
3D-System für CAD und CAM
„Visi ist bei uns als 3D-CAD seit 1998 im Einsatz“, erläutert Frank Vollmer, Geschäftsführer von VKT. „Früher hauptsächlich in der Werkzeug-Konstruktion, da war Arbeitsvorbereitung noch nicht das Thema.“ Seit Beginn dieses Jahres deckt Visi als durchgängiges System bei uns auch den gesamten CAM-Bereich ab, von der 2,5D-Bearbeitung über das 5-Achs-Fräsen bis hin zum Drahterodieren mit Visi Peps Wire. „Heute nutzen wir das 3D-CAD Visi-Modelling hauptsächlich als Basis für die NC-Programmierung und für die Ableitung beziehungsweise Konstruktion der Elektroden.” Denn fast alle Werkzeug-Konstruktionen werden heute extern vergeben, darunter sehr viel an Alexander Brock.
Bei Strohdiek ist die Situation ähnlich: „Wir arbeiten seit rund zehn Jahren mit Visi und nutzen das System neben der Elektrodenkonstruktion vor allem zum 2,5- und 3D-Fräsen“, berichtet Frank Strohdiek, Mitinhaber des Werkzeugbau-Unternehmens. Bei der Werkzeug- und Prototypen-Konstruktion arbeitet Strohdiek ebenfalls mit Partnern wie Alexander Brock zusammen.
Brock sieht die Visi-Produktfamilie als eine Lösung an, mit der im Werkzeugbau sehr vieles bedeutend einfacher geworden ist. Als Beispiel dafür nennt er die Durchgängigkeit des Systems verbunden mit der hohen Schnittstellenanzahl bereits in der Basisversion. „So ist ein unkomplizierter Datenaustausch möglich. Denn als freies Konstruktionsbüro trifft man immer wieder auf andere CAD-Systeme”, erklärt er weiter. Ein weiterer großer Vorteil des Systems sei, dass man sehr schnell defekte Bauteildaten aus Fremdsystemen mit wenigen Klicks zu benutzbaren und gültigen Volumenmodellen reparieren kann. Brock: „Dies ermöglicht mir zügig an die eigentliche Konstruktion zu gehen, was nicht zuletzt auch die Kosten für den Kunden niedrig hält.“
Produktdesign auch mit Visi
Eine Besonderheit bei der Entwicklung des Flaschenträgers war, dass Brock die Werkzeugbau-Lösung Visi auch zur Produktentwicklung des Flaschenträgers verwendete. Er setzte damit die ersten Ideen und Entwürfe sowie das anschließende Design des Flaschenträgers um; das ist für eine speziell auf die Werkzeug-Konstruktion ausgerichtete 3D-CAD-Lösung eher ungewöhnlich. Von Vorteil sei auch hier der hybride Flächen- und Volumenmodellierer gewesen, sagte Brock. Dabei legte er während der Entwicklungsphase verschiedene Lösungsansätze in Layer und Layer-Gruppen an. So bestand der Träger ursprünglich aus 31 Bauteilen, die im Laufe der Entwicklung auf 14 Teile reduziert werden konnten, was sich nicht zuletzt günstig auf die Montagekosten auswirkt: „Alle Teile bestehen ausschließlich aus Kunststoff, ohne Schrauben”, erklärt der Werkzeug-Konstrukteur. Sie bestehen aus Polypropylen (PP), Polyoxymethylen (POM) für die Federmatte und Polyamid mit 30 Prozent Gaskugelfüllstoff für den Rastkäfig. Bis der Prototyp endgültig stand, exportierte er zur Funktionskontrolle zweimal alle Bauteile über die VISI-eigene Schnittstelle als STL-Files und „druckte“ die Entwürfe aus – also physische 3D-Modelle zuerst per FDM-Verfahren und später per Lasersintern.
Werkzeug-Konstruktion beim Produktdesign „mitgedacht“
Natürlich konstruierte Brock auch alle benötigten Werkzeuge mit Visi. Bereits im Vorfeld legte er die einzelnen Bauteile hinsichtlich Merkmalen wie Trennungsverlauf oder Konizitäten gleich so aus, dass sie „werkzeuggerecht“ waren. „Ich habe sozusagen die Werkzeuge im Kopf parallel mitgedacht“, betont Brock. „So hatte ich bereits von Anfang an eine relativ genaue Vorstellung davon, wie das Werkzeug aufgebaut sein würde.” Dabei ging es um Eigenschaften wie Zweistufenauswerfer, Schieber, Anspritzung, Klinkenzüge, Einfallkerne oder das sogenannte Gegentauchen, um unnötige Schieber zu vermeiden.
Die eigentliche Konstruktion der Werkzeuge verlief dann relativ zügig, „innerhalb von nur zweieinhalb Monaten“, berichtet Brock. „Häufig nach Feierabend, denn das normale Tagesgeschäft lief ganz normal weiter.” In diesem Zusammenhang lobt Alexander Brock die vielen Details, über die die CAD/CAM-Software im Bereich Formenbau verfügt. Als Beispiel nennt er den Werkzeugaufbau: „Visi stellt mir hier Standardkonfigurationen oder von mir im Vorfeld individuell konfigurierte Plattenaufbauten zur Verfügung, wobei Dinge wie Säulen oder Verschraubungen vom CAD automatisch eingebaut werden.” Auch die Funktionen für Konstruktionsdetails wie Anguss, Schieber oder Kühlsystem möchte er nicht missen. Ebenso die recht umfangreiche Bauteil-Bibliothek, mit der sich Normteile fast aller bekannten Anbieter wie Meusburger, Strack oder Hasco flott in das Werkzeug einbauen lassen; Brock nutzte sie auch bei der Konstruktion der Flaschenträger-Werkzeuge intensiv. „Bei den Konstruktionsarbeiten hatte ich häufig etliche Visi-Fenster geöffnet, um parallel an mehreren Werkzeugen und der Artikelbaugruppe zu arbeiten”, erläutert Brock. So optimierte er Schritt für Schritt die einzelnen Bauteile und die dazugehörigen Werkzeuge – und zwar unter gleichzeitiger Berücksichtigung der Auswirkung einer möglichen Änderung auf benachbarte Bauteile.
Insgesamt hat Brock fünf 1-fach-Werkzeuge, also mit einer Kavität, sowie ein 1+1-fach- und ein 4-fach-Werkzeug konstruiert. Davon läuft eines der 1-fach-Werkzeuge im Montagespritzgussverfahren, das hat den Vorteil, dass die beweglichen Teile des Rastkäfigs für die Flaschen direkt im Spritzgießprozess entstehen. Dessen Konturbaugruppen legte Brock bereits so an, dass die Kavität in ein zukünftiges 6-fach-Werkzeug direkt übernommen werden kann. Speziell für den Werbeaufdruck konstruierte Brock außerdem ein zusätzliches 1-fach-Werkzeug für das In Mold Labeling.
Alles Made in Germany
Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt: Mit zwei Partnern hat Alexander Brock die Firma Click-it Systems gegründet. Dieses Unternehmen soll den Flaschenträger produzieren und vermarkten. „Die ersten Vertriebspartner haben schon Zustimmung signalisiert“, gibt sich Brock optimistisch. Ein weiterer Aspekt, der ihm besonders wichtig ist: „Der Bottle-Buddy kommt einschließlich der Werkzeuge komplett aus Ostwestfalen-Lippe und wird auch hier in der Region profitabel hergestellt. Es muss nicht immer China sein.”
Technik im Detail
Visi für den Werkzeug- und Formenbau
Visi ist eine speziell auf den Werkzeug- und Formenbau abgestimmte Produktfamilie des britischen Herstellers Vero Software. Die Software-Lösung deckt mit mehreren Modulen für CAD, CAM, PDM und Simulation die gesamte Prozesskette vom Auftragseingang bis zur Fertigung durchgängig ab. Im Fertigungsbereich werden die Bearbeitungstechniken Fräsen bis zu fünf Achsen, Senkerodieren (EDM) sowie Drahterodieren mit bis zu vier Achsen unterstützt. In der Software bildet grundsätzlich – egal ob bei Konstruktion oder NC-Programmierung – das CAD-Modul Visi Modelling die Basis, die durch aufgabenspezifische Module ergänzt wird. Visi ist ein sogenannter Hybridmodellierer. Hinter diesem Begriff verbirgt sich die Fähigkeit, den – in der 3D-CAD- und CAM-Welt weitverbreiteten – Parasolid-Kern kombiniert für die Volumen- und Flächenmodellierung einzusetzen. Das ermöglicht in der Werkzeugkonstruktion ein wesentlich schnelleres und flexibleres Arbeiten (Dynamic Modeling).