Ein Jahr lang ist sie noch in der ARD-Mediathek verfügbar: Die in der Kunststoffindustrie kontrovers diskutierte WDR-Dokumentation „Die Recycling-lüge“. Sie erreichte das ältere Fernsehpublikum ebenso, wie sie die Podcast-Generationen noch erreichen kann. Spannend wie ein Krimi und herzzerreißend nahe werden eine gut meinende Hausfrau, eine renitente Ingenieurin, ein desillusionierter Recycling-Unternehmer, eine als „so süß!“ bezeichnete junge Aktivistin, Milliardenmanager, Pressesprecher und Kleinkriminelle in einer wogenden Flut aus Plastikverpackungen, rauchenden Asche- bergen und vor gestapelten Folienballen in Szene gesetzt. Das wirkt. Und es macht betroffen. Es verärgert, verschreckt und polarisiert das Publikum.
Mehrschichtverpackungen oder kompatible Polymere sind Kunststoffthemen, Schmuggel und Bestechung sind es nicht.
Teil der Lösung oder Teil des Problems?
Der Fokus der fachlichen Kritik, nicht nur in dieser Fernsehdokumentation, liegt auf verschmutzten und nicht trennbaren Mehrschichtverpackungen mit geringem Inhalt. Da sagen wir: „Challenge Accepted“! Von mono- bis werkstoffkompatiblen Mehrschichtaufbauten, von lösbar bis löslich und von permeationsdicht bis wiederverschließbar sind im Bereich Gestaltung und Werkstoffe der Verpackungen noch unendlich viele Chancen offen. Hier möchten wir alle Teil der Lösung sein. Der dramatischer in Szene gesetzte Fokus in der Fernsehdokumentation lag auf illegalem Handel, Schmuggel, Bestechung, Scheinfirmen, systematischem Missmanagement, Greenwashing und organisierter Kriminalität – das alles sind keine Kunststoffthemen. Dennoch beeinflussen die Themen die Wahrnehmung unseres Werkstoffs. Die Auswirkungen merken wir deutlich, zum Beispiel sehen Studenten immer weniger ihre berufliche Zukunft in der Kunststofftechnik. Hier müssen wir die Bemühungen intensivieren, in Schülerlaboren, Schulbesuchen und Angeboten zum Dialog Aufklärungsarbeit zu betreiben. Es mag sein, dass die Forderung nach „Circular Economy“ nicht die ganze Antwort auf die Herausforderungen ist – die „Green Deal Transformation“ kann sie aber sehr wohl sein. Startpunkte für die Umsetzung sind darüber hinaus in Regelwerken und Normen zu finden: Die Lean-Production vermeidet Verschwendung, die Good Manufacturing Practice schaut auf die Prozesse und in der Produktentwicklung ist die VDI-Richtlinie 2243 da. Sie beschreibt Recycling bei der Produktion, während und nach dem Gebrauch. Rezyklateigenschaften in Verwendung und Produktion werden nach DIN EN 15342, 15344 bis 15346 und 15348 für PS, PE, PP, PVC und PET erstellt. Definitionen für „Post industrial“ und „Post Consumer“ sind der Handreichung „Rezyklate in Kunststoffprodukten“ der Industrievereinigung Kunststoffverpackungen e.V. zu entnehmen. Es wird zudem viel Kommunikation nötig sein, wie Ende Juni auf der Tagung „Umweltgerechte Kunststoffverpackungen“ vom SKZ und Innoform Coaching: Bewerten und bilanzieren können wir Produkte und Prozesse nur anhand der gleichen, international geltenden Methoden. Nicht die Marken dürfen Rezyklat interpretieren, sondern Gesetze und Richtlinien. Dass Kunststoffe im Verpackungsbereich jedoch künftig deutlich reduziert werden, dachten nur 4 % der Tagungsteilnehmer. Wenn es aber doch passieren wird, dann ausschließlich in Europa. Daher benötigen wir auch im Sinne des UN-Plastikabkommens Materialreduktion, Abfallvermeidung, globale Aufklärung, Sammelsysteme und technische Recyclinglösungen ebenso wie Abfallmanagement und Produzentenverantwortung.
Quelle: SKZ