
„Wenn der Kreislauf komplett geschlossen ist, könnte man theoretisch auf fossile Grundstoffe ganz verzichten“, sagt Peter von Hoffmann. (Bild: Ourteam - stock.adobe.com)

Herr von Hoffmann, die Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe ist ein erklärtes Ziel der EU. Ist sie aus wirtschaftlicher Sicht für einen Maschinenbauer wie Coperion eher eine Chance oder eine Herausforderung?
Peter von Hoffmann: Sie ist ganz klar eine Chance für uns. Mit der Kreislaufwirtschaft steigt die Bedeutung des Recyclings. Als Hersteller von Extrudern sehen wir hier viele neue Geschäftsmöglichkeiten. Wir haben in den letzten Jahren enorm in das Recycling-Geschäft investiert. Das hat sich bereits bezahlt gemacht. Wir verzeichnen einen stetig zunehmenden Auftragseingang in diesem Bereich. Seit fünf Jahren haben wir schon ein eigenes Team, ein eigenes Produktmanagement, das sich mit diesem Thema befasst. Wir lernen immer dazu, denn Recycling ist nicht gleich Recycling. Man muss differenzieren. Es gibt inzwischen eine ganze Reihe unterschiedlicher und auch neuer Verfahren.
Können Sie hierfür ein Beispiel geben?
von Hoffmann: Ich nenne mal das mechanische Recyceln von Folien. Das ist anspruchsvoll, denn Folien, vor allem die in der Verpackungsindustrie verwendeten, bestehen aus mehreren Schichten unterschiedlicher Kunststoffe. Mit Hilfe dieser verschiedenen Schichten lassen sich Barriereeigenschaften verbessern und die Haltbarkeit von Lebensmitteln verlängern. Aus Recyclingsicht sind Folien aber problematisch, unter anderem weil die Kunststoffe unterschiedliche Schmelzpunkte haben. Es gibt ein Verfahren, bei dem der Randverschnitt der Folien gesammelt und aufbereitet wird und dann bei der Herstellung neuer Folien wieder in eine der Schichten eingebracht wird. Das ist ein mechanischer Weg, mit dem man auch ein High-Tech-Produkt wie eine Folie zumindest teilweise recyceln kann. Und es ist im Bereich des Post-Industrial-Waste ein Konzept, bei dem kein Abfall anfällt und damit sozusagen eine Zero-Waste-Lösung. Für erste Referenzanlagen in Deutschland haben wir schon die Extruder geliefert. Das Verfahren ist im Kommen, auch weil es einen energetischen Vorteil hat.
Wird auch das chemische Recycling an Fahrt aufnehmen?
von Hoffmann: Unbedingt. Die Idee ist, dass man jeden Kunststoff wieder in seine Urbestandteile zurückbringen kann, indem man die Kohlenwasserstoffe pyrolytisch spaltet. Aus dieser Urform kann man dann wieder über den Raffinerieprozess zurück zum Kunststoff gehen. Das ist ein Trend, dem vor allem die großen Kunststoffhersteller folgen. Der Prozess ist auch dann interessant, wenn man kein sehr sortenreines Produkt recyceln will oder kann. Wenn man es schaffen würde, diesen Kreislauf zu 100 % zu schließen, dann könnte man theoretisch auf fossile Grundstoffe völlig verzichten.
Technisch ist das alles schon möglich?
von Hoffmann: Ja, es ist möglich. Es gibt auch schon Referenzanlagen. Es gibt auch verschiedene Institute, die diese Technik optimieren. Wir haben dafür auch schon Anlagen verkauft. Eine Großproduktionsanlage mit Doppelschneckenextrudern, die in diesem Anwendungsbereich bei größeren Durchsätzen effizienter sind als andere Maschinen auf dem Markt, ist bereits in der Abwicklung.
Welche Alternativen zum mechanischen Kunststoff-Recycling gibt es?

Neben dem mechanischen Recycling von Kunststoffen gibt es auch zahlreiche ergänzende Verfahren. (Bild: Visual Generation - stock.adobe.com)

Was steckt hinter enzymatischem Recycling?Beim enzymatische Recycling kombiniert das französischen Unternehmens Carbios, Clermont-Limagne, Enzymologie und Kunststoffverarbeitung. Das Verfahren zielt auf das Zersetzen von Kunststoffen durch Enzyme ab, sodass Kunststoffabfälle unendlich oft recycelt werden können. Forscher des Unternehmens haben auf einer Mülldeponie zahlreiche Mikroorganismen untersucht und Enzyme entdeckt, die Enzyme zum Abbau von PET entwickelt haben. Die Technologie arbeitet mit relativ milden Reaktionsbedingungen hinsichtlich Druck und Temperatur. Im September 2021 soll eine Demonstrationsanlage in Betrieb gehen. (Bild: alterfalter - fotolia)

Was bietet das neuartige Closed-Loop Recycling von polyethylenartigen Materialien für Vorteile?Chemiker der Universität Konstanz um Prof. Dr. Stefan Mecking haben ein energiesparendes Verfahren für das chemische Recycling von polyethylenartigen Kunststoffen entwickelt. Die Technologie verwendet die „Sollbruchstellen“ auf molekularer Ebene, um die Polymerketten des Polyethylens aufzutrennen und in ihre molekularen Grundbausteine zu zerlegen. Die kristalline Struktur sowie die Materialeigenschaften bleiben unbeeinflusst. Die Forscher sehen diese Klasse von Kunststoffen als gut geeignet für den 3D-Druck. Das neue Verfahren arbeitet bei lediglich rund 120 °C, ist deutlich energiesparender als etablierte Methoden und besitzt eine Rückgewinnungsquote von rund 96 % des Ausgangsstoffes. Die Versuche wurden an Polyethylen auf Pflanzenölbasis durchgeführt. Die Chemiker zeigten auch das chemische Recycling von Gemischen aus anderen typischen Kunststoffabfällen. Die Eigenschaften der hier gewonnenen Materialien sind denen der Ausgangsmaterialien ebenbürtig. Die Forschungsergebnisse wurden am 17. Februar 2021 im Wissenschaftsjournal Nature veröffentlicht. (Bild: AG Mecking, Universität Konstanz)

Was ist Chemcycling?BASF, Ludwigshafen, hat das Chemcycling-Projekt ins Leben gerufen, um mit Partnern entlang der Wertschöpfungskette im industriellen Maßstab hochwertige Produkte aus chemisch recycelten Kunststoffabfällen herzustellen. In dem thermomechanischen Prozess der Pyrolyse werden Kunststoffabfälle in Pyrolyseöl umgewandelt. Dieses wird bei der BASF ins Produktionsnetzwerk eingespeist und dadurch fossile Rohstoffe eingespart. Die hergestellten Produkte besitzen genau die gleichen Eigenschaften wie Erzeugnisse aus fossilen Rohstoffen. (Bild: BASF)

Was ist die iCycle-Plattform?Das Fraunhofer Umsicht, Sulzbach-Rosenberg, arbeitet ebenfalls mit der Pyrolyseverfahren. Die Forscher haben für den Betrieb der Anlage neuartige Wärmetauschertechnologien entwickelt, die eine hohe Energieeffizienz sowie eine sehr gute Wärmeübertragung auf das eingebrachte Material ermöglichen. Der Schwerpunkt der Forschungsaktivitäten liegt auf problematischen, stark verunreinigten oder schadstoffbelasteten Kunststoffen und schwer recyclierbaren Verbundmaterialien sowie dem Aufbereiten und Reinigen von Pyrolyseölen. Anlagen sind im Demonstrationsmaßstab verfügbar. (Bild: Fraunhofer Umsicht)

Was ist der Upcycling-Prozess?Die 3M Tochter Dyneon, Burgkirchen, bezeichnet den Pyrolyseprozess von Fluorpolymeren als Upcycling-Prozess und gewinnt jährlich aus bis zu 500 t Fluorpolymerabfällen neuen Kunststoff. (Bild: 3M)

Was ist das OMV Reoil Projekt?OMV, Schwechat, widmet sich im Projekt Reoil ebenfalls dem chemischen Recycling von Kunststoffen. In der Pilotanlage der Raffinerie in Österreich werden die Kunststoffabfälle zu synthetischem Rohöl recycelt, indem sie verdampft und durch chemische Prozesse wieder zu kleineren Ketten zusammengeführt werden. An diesem Industriestandort, der einer der größten Kunststoff-Produktionsstandorte Europas ist, sitzt Borealis, die mit petrochemischen Rohstoffen beliefert wird. Die beiden Unternehmen wollen gemeinsam das chemische Recycling von Post-Consumer-Kunststoffen voranbringen. Die Verarbeitungskapazität der Pilotanlage liegt bei 100 kg/h was 100 l synthetischem Rohöl entspricht. Dieses wird im Sinne der Kreislaufwirtschaft entweder zu Rohmaterial für die Kunststoffindustrie oder zu Kraftstoff weiterverarbeitet. (Bild: OMV)

Was ist der Creasolv-Prozess?Das Fraunhofer IVV, Freising, hat den dreistufigen Creasolv-Prozess entwickelt. Die Wahl des geeigneten Lösemittels bestimmt, welches Polymer aus dem geschredderten Kunststoffabfall gelöst und wiederverwertet werden soll. Um eine hohe Reinheit zu erzielen, wird die erhaltene Lösung weiter aufgereinigt. Im dritten Schritt wird der isolierte Kunststoff ausgefällt und beispielsweise zu Granulat verarbeitet. In Reinheit und Qualität entspricht der zurückgewonnene Kunststoff Neuware. Dies ist wichtig für eine reale Kreislaufwirtschaft. Eine industrielle Pilotanlage ist in Betrieb. (Bild: Fraunhofer IVV)

Was steckt hinter dem ResolVe-Verfahren?Das ResolVe-Verfahren (chemisches Recycling von Polystyrol) wird von Ineos Styrolution, Frankfurt, Neue Materialien Bayreuth, Bayreuth, dem Institut für Aufbereitung und Recycling (I.A.R.) und dem Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV) an der RWTH Aachen, Aachen, in einem vom BMBF geförderten Projekt entwickelt. In dem Projekt dienen Verpackungsabfälle aus dem Gelben Sack als Ausgangsware. Über Reinigungs-, Sortier- und Zerkleinerungsprozesse werden daraus sortenreine Polystyrol-Flakes gewonnen. In einem Doppelschneckenextruder erfolgt daraufhin die thermische Degradation des Polystyrols in ein Kondensat aus Monomeren und Oligomeren sowie flüchtige Spaltprodukte. Nach fraktionierender Destillation der Styrolmonomere aus dem Kondensat wurden diese zum Herstellen von neuem PS wiedereingesetzt. (Bild: IKV)

Was ist die Thermal Anaerobic Conversion-Technologie?Plastic Energy, London, Großbritannien, verwendet die patentierte Thermal Anaerobic Conversion (TAC)-Technologie zum Umwandeln von Altkunststoffen. Unter Ausschluss von Sauerstoff werden LDPE, HDPE, PS und PP erhitzt, geschmolzen bis die Polymermoleküle zu einem reichhaltigen gesättigten Kohlenwasserstoffdampf zerfallen. Die kondensierbaren Gase werden in Kohlenwasserstoffprodukte umgewandelt, während die nicht kondensierbaren Gase separat gesammelt und verbrannt werden. Der entstehende Kohlenwasserstoffdampf wird nach Molekulargewichten in Rohdiesel, Leichtöl und synthetische Gaskomponenten getrennt. Naphta und Diesel werden gelagert und an die petrochemische Industrie verkauft, die sie wieder in neuen Kunststoff umwandelt. Zum Beispiel führt Sabic das Pyrolyseöl seiner Produktionskette zu und stellt daraus unter anderem PP-Produkte für sein Trucircle-Sortiment her. Das hergestellte PP-Polymer ist unter dem International Sustainability and Carbon Certification (ISCC PLUS) Schema, welches einen Massenbilanzansatz verwendet, zertifiziert und bestätigt. (Bild: Greiner)

Was ist Newcycling? APK, Merseburg, hat die lösemittelbasierte Newcycling-Technologie entwickelt, mit der aus zerkleinerten, gemischten Kunststoffabfällen und Mehrschichtverpackungen sortenreine Kunststoffe herausgelöst werden. Auch hier werden die Polymerketten sortenrein gelöst und nach Wiedergewinnung des Lösemittels granuliert. Die Eigenschaften der gewonnenen Kunststoffe sind ähnlich Neuware. Die vorindustrielle Pilotanlage wurde in eine Industrieanlage hochskaliert, die pro Jahr circa 8.000 t Newcycling-Rezyklat herstellen kann. (Bild: APK)

Was steckt hinter der Catalytischen Tribochemischen Conversion?Carboliq, Remscheid, ein Tochterunternehmen von Recenso, Remscheid, hat die Catalytische Tribochemische Conversion (CTC), ein einstufiges Verfahren zum Verflüssigen fester Kohlenwasserstoffe, entwickelt. Bei dem Verfahren werden thermische, katalytische und mechanochemische (tribochemische) Mechanismen kombiniert. Ein Standardmodul kann bis zu 400 l gemischte Kunststoffabfälle pro Stunde umwandeln. Die benötigte Prozessenergie wird durch Reibung erzeugt. Der CTC-Prozess findet bei Atmosphärendruck und einer Temperatur unter 400 °C statt. Die Ölausbeute ist hoch, die Menge an entstehenden Gasen eher gering. Prozessrückstände werden extern thermisch verwertet. Das entstehende Öl ist gemäß REACH als Produkt registriert, sodass der End-of-Line-Waste-Status abgesichert ist und das Produktöl in Anlagen, die nicht dem Abfallregime unterliegen, verarbeitet werden kann. Eine Pilotanlage ist auf dem Gelände des Entsorgungszentrums in Ennigerloh in Betrieb. (Bild: Recenso)

Was ist Wastx Plastic?Biofabrik Technologies, Dresden, hat das modulare Wastx Plastic System entwickelt, durch das Kunststoffabfälle denzentral unter Ausschluss von Sauerstoff in synthetisches Rohöl umgesetzt werden. Dieses Öl dient als Basis für Rezyklate. Laut Hersteller wird aus 1 kg Plastikmüll 1 kg Recyclingöl. Eine Anlage, die in einem Container untergebracht ist, kann laut Hersteller dort, wo der Plastikmüll gesammelt wird betrieben werden und bis zu 1.000 kg Kunststoffabfälle pro Tag verarbeiten. (Bild: Biofabrik)

Plaxx - was verbirgt sich hinter diesem Namen?Am Ende des Depolymerisationsprozesses von Recycling Technologies, Swindon, Großbritannien, steht das schwefelarme Kohlenwasserstoffprodukt namens Plaxx. Plaxx kann als Ausgangsmaterial für das Herstellen neuer Polymere und Wachse verwendet werden, wodurch Rohstoffe aus fossilen Brennstoffen ersetzt und Kunststoffe in die Kreislaufwirtschaft überführt werden. Diese Technologie bietet eine Alternative zum Deponieren und Verbrennen von Restkunststoffen und steigert die Recyclingrate für gemischte Kunststoffe von 30 %, die mit der bestehenden mechanischen Aufbereitung erreicht wird, auf 90 % mit diesen Technologien in Kombination. (Bild: Recycling Technologies)

Was ist unter dem Covestro-Chemolyse-Verfahren zu verstehen?Das von Covestro, Leverkusen, entwickelte Verfahren Covestro-Chemolyse ermöglicht die Rückgewinnung der beiden Hauptkomponenten von Polyurethan. Neben dem Polyol kann auch das Vorprodukt des Isocyanats zurückgewonnen werden. Der Rohstoffhersteller betreibt eine Pilotanlage für das stoffliche Recycling von Weichschaum. Mit dieser sollen die positiven Laborergebnisse verifiziert und Produkte sowie Anwendungen im kleinen Industriemaßstab entwickelt werden. Ziel ist es, mit chemischen Recyclingprozessen den Wertstoffkreislauf von Post-Consumer-Weichschaumstoffen zu schließen, indem hochreines, hochwertiges Recycling-Polyol und Toluol-Diamin (TDA) zurückgewonnen werden. TDA soll zu Toluol-Diisocyanat (TDI) weiterverarbeitet werden. (Bild: Covestro)
Mechanisches Recycling ist aufwändig und teuer. Chemisches Recycling ist noch teurer. Das Ganze lohnt sich nur bei hohen Ölpreisen. Wer investiert in solche Anlagen, wenn nicht klar ist, ob man sie wirtschaftlich betreiben kann?
von Hoffmann: Die Kunststoffhersteller wollen zeigen, dass sie vorangehen und den Kreislaufanteil erhöhen. Deswegen investieren sie in chemisches Recycling, auch wenn es heute aus rein wirtschaftlicher Sicht unter Umständen noch keinen Sinn macht, schont es auf jeden Fall Ressourcen und reduziert den CO2-Fußabdruck. Aber sie wollen auch vorbereitet sein, falls es künftig politische Vorgaben für einen höheren Rezyklatanteil in Kunststoffprodukten geben sollte. Und dafür spricht momentan einiges.
Noch treibt vor allem Europa die Kreislaufwirtschaft voran. Wird der Funke auf den Rest der Welt überspringen?
von Hoffmann: Wenn die EU allein auf Kreislaufwirtschaft setzte, würde sie sich kaum durchsetzen. Mir macht Mut, dass die USA das Thema neuerdings aufgegriffen haben. Die Regierung Biden hat hier ganz klar einen Fokus gesetzt und wir stellen fest, dass Recycling in den USA immer wichtiger wird. Das war dort vor ein paar Jahren noch nicht so. Hinzu kommt, dass viele der Reaktorhersteller für das chemische Recycling in den USA angesiedelt sind. Auch viele der Pilotanlagen stehen dort. Die amerikanischen Unternehmen zusammen mit den europäischen Unternehmen, das gibt einen viel größeren Schwung. Auch in China nehmen die Maßnahmen zum Umweltschutz stark zu. Wir sind absolut zuversichtlich, dass die Themen, die derzeit in Europa en vogue sind, sehr bald in Nordamerika und dann mehr und mehr auch in Asien ankommen werden.
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