Mit 17 das Abi in der Tasche und nun? Ich wollte einen Beruf, der theoretisches Wissen mit praktischer Anwendung verbindet. Und langweilig sollte es mir auch nicht werden. Dann stieß ich auf den Studiengang „Materialwissenschaft und Werkstofftechnik“. Die Kombination aus klassischen Ingenieurwissenschaften und Naturwissenschaften, wie Chemie und Physik, fand ich spannend. Und vermittelt wurden auch Kunststoffe, für die mein Interesse seit einer schulischen Seminararbeit geweckt war.
Ich erinnere mich an die Worte des Professors in der ersten Vorlesung: „Schauen Sie links, schauen Sie rechts – Ihre beiden Sitznachbarn werden am Ende des Studiums nicht mehr da sein.“ Was im ersten Moment etwas furchteinflößend klang, spornte mich aber umso mehr an. Denn es stimmte: Von den 33 Erstsemester-Studenten schlossen nur etwa 15 ihr Studium ab. Aber auch die ermunternde Aussage „Ingenieur wird keiner allein“ blieb in meinem Kopf hängen. Und sie bewahrheitete sich tatsächlich, denn viele Herausforderungen im Studium wurden durch Teamarbeit leichter.
Meinem Interesse folgend vertiefte ich mein Studium an der Universität Bayreuth in Richtung Kunststoffe und merkte dabei schnell, wie vielseitig diese Materialklasse ist. Folgerichtig verfasste ich meine Bachelor- und Masterarbeit (über Partikelschäume) am Lehrstuhl Polymere Werkstoffe, wo ich auch einige Jahre als studentische Hilfskraft arbeitete. Ich hatte so die Möglichkeit, Einblick in die Forschung auf dem Gebiet der Kunststoffe zu gewinnen. Von dort war der Weg in eine Forschungseinrichtung nicht weit: Bei der Neue Materialien Bayreuth GmbH (NMB) beschäftigte ich mich zunächst mit dem Spritzgießen, bevor ich in die polymerbasierte Additive Fertigung wechselte, wo ich aktuell als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig bin. Darüber hinaus führe ich projektbegleitende Lebenszyklusanalysen (LCA) durch mit dem Ziel unter anderem den CO2-Footprint für Produkte und Prozesse abzuschätzen. Des Weiteren betreue ich die Werkstoffanalytik für Polymere. Langweilig wird mir also tatsächlich nicht und ich schätze meinen abwechslungsreichen Arbeitsalltag sehr.
Was mir dabei klar wurde: Das, was uns im Studium oft gesagt wurde – nämlich, dass wir im Berufsleben nur 5 bis 10 % des Gelernten anwenden würden – trifft in der Forschung nicht zu, denn hier liegt der Anteil des Gelernten deutlich höher. Ich stoße ständig auf Themen, die mir bereits aus verschiedenen Vorlesungen bekannt vorkommen. Und auch bei der NMB stelle ich immer wieder fest, wie wichtig eine Zusammenarbeit zwischen Experten mit unterschiedlichem Wissen für ein erfolgreiches Projekt ist.
Ein spannendes Forschungsfeld, in dem ich mich derzeit befinde, ist das additive Fertigungsverfahren Selektives Lasersintern (SLS). Hier setze ich ein Machine Learning ein, um neue Ansätze zur Prozessoptimierung und Materialentwicklung zu erforschen. Es müssen ständig neue Wege gesucht und gefunden werden, die uns zwingen, über den Tellerrand hinauszublicken, um neue Lösungen zu generieren.
Warum lohnt sich ein Studium in der Kunststofftechnik oder der Materialwissenschaft? Kunststoffe sind ein unverzichtbarer Bestandteil unseres Alltags und bieten zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten. Die aktuellen Herausforderungen an Kunststoffe hinsichtlich Recyclingfähigkeit und Nachhaltigkeit bieten einem Kunststoffexperten die Chance, aktiv an der Gestaltung der Zukunft der Polymere mitzuwirken. Die Entscheidung, diesen Weg einzuschlagen, war für mich absolut die Richtige.