Arburg

PP-Rezyklat wurde am K-2029-Stand von Arburg in hoher Dosierung zugemischt. (Bild: alle Ralf Mayer/Redaktion Plastverarbeiter)

Ein erfolgreicher Einsatz von Rezyklaten in der Kunststoffverarbeitung beginnt bei der kompetenten Sammlung und Trennung von Kunststoffabfällen. Beim anschließenden Recycling werden die sortenreinen Kunststoffe geschreddert und regranuliert. Herauskommen sollte ein Rezyklat, dessen Eigenschaften sich möglichst wenig von denjenigen des Originalmaterials unterscheiden. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass das Recyclingmaterial eine Vielzahl von thermischen und mechanischen Prozessen durchlaufen hat – den letzten bei der Compoundierung mit dem Originalmaterial – und dass eine hundertprozentige Reinheit nicht garantiert werden kann. Aus der Praxis ist daher bekannt, dass Kunststoffe mit Rezyklatanteil andere Prozessfenster benötigen und tendenziell höhere Chargenschwankungen aufweisen als die entsprechenden Virgin-Materialien.

Anspruchsvolle Prozesskontrolle

Dies erhöht die Ansprüche an die Prozesssteuerung und die eingesetzten Assistenzsysteme. Engel hat nach eigener Auskunft nachgewiesen, dass seine Software IQ weight control, die relevante Prozessparameter von Schuss zu Schuss an aktuelle Bedingungen anpasst, diesen Herausforderungen standhält. Versuchsreihen, die gemeinsam mit dem Reyclingspezialisten Erema durchgeführt wurden, „haben bestätigt, dass IQ weight control auch in der Verarbeitung von Rezyklaten das Schmelzevolumen über die gesamte Fertigungsdauer konstant hält“, sagt Paul Kapeller, Produktmanager Digital Solutions bei Engel Austria, Schwertberg, Österreich. In einer Life-Demonstration auf der K 2019 hat das Unternehmen vollrezykliertes ABS auf einer Spritzgießmaschine verarbeitet. Um realistische Bedingungen zu simulieren, wurden Rezyklate zweier unterschiedlicher Fabrikate eingesetzt. „Viele Verarbeiter haben mehrere Rezyklatlieferanten“, erklärt Kapeller, „dadurch können die Fließeigenschaften der Rohmaterialien so stark variieren, dass das Bauteil nach einem Materialwechsel nicht mehr vollständig gefüllt wird.“ Das Assistenzsystem passe die Parameter aber bereits beim ersten Schuss nach dem Materialwechsel an die neuen Gegebenheiten an.

Ein anderer Weg, die Verarbeitung von Recyclingkunststoffen zu fördern, ist ihr Einsatz an Stellen, wo sie die Oberflächenqualität der Bauteile nicht direkt beeinflussen  – etwa als Kern in Sandwichbauteilen. Der erzielbare Rezyklatanteil im Kern wird laut Engel stark von der Formteilgeometrie und dem Füllbild der Kavität beeinflusst. Auf der K-Messe fertigte das Unternehmen mit dem Skinmelt-Verfahren Transportboxen, deren Kern Reyclingmaterial aus Post-Consumer-Sammlungen des Dualen Systems Deutschlands enthält. Auch bei der relativ komplexen Geometrie seien Rezyklatanteile von über 50 Prozent möglich, wurde betont. Die Transportboxen bestehen ausschließlich aus PP und können aufgrund der hohen Reinheit des Rezyklats später problemlos wieder recycelt werden.

Kreislaufwirtschaft setzt Kooperation voraus

Auf der K 2019 demonstrierten quasi alle Spritzgießmaschinen-Hersteller in Live-Anwendungen die Verarbeitung von Rezyklaten und/oder Biokunststoffen. Dabei handelt es sich ausschließlich um Kooeperationsprojekte mit Partnern außerhalb des Maschinenbereichs. Um eine Kreislaufwirtschaft zu realisieren, müssen „die Hersteller von Spritzgießmaschinen, Werkzeugen und Materialien sowie Recyclingexperten entlang der gesamten Werkzeugkette zusammenarbeiten“, betont Bertram Stern, Packaging und Circular Economy Manager bei Arburg, Loßburg. Passend zu diesem Credo wurden auf der Messe dünnwandige PP-Becher auf einem hybriden Allrounder 1020 H in Packaging-Ausführung und neuer Spritzeinheit der Größe 7.000 gefertigt. Dabei wurde dem Original-PP von Borealis ein sortenreines PP-Rezyklat von Erema zu 30 Prozent zugemischt. In der  Fullspeed-Anwendung entstanden in einem 8+8-fach-Eteganenwerk der Firma Stackteck, acht Rundbecher in einer Zykluszeit von 4,3 s. Die Automation wurde von Campetella, Montecassiano, Italien, zur Verfügung gestellt. Im Arburg-Kundencenter habe man auch schon höhere Rezyklatanteile als die auf der Messe gezeigten 30 Prozent erfolgreich verarbeitet, ergänzte Gerhard Böhm, Geschäftsführer Betrieb des Loßburger Unternehmens. Dass sich auch langlebige technische Produkte – in diesem Fall Maschinen-Schutztür-Griffe – aus Post-Consumer-Abfällen fertigen lassen, demonstrierte Arburg auf einer Spritzgießmaschine in 2K-Ausführung. Dabei wurde PP-Recylingmaterial der Firma MTM Plastics, Niedergebra, im physikalischen Schäumverfahren verarbeitet, die beiden geschäumten Griffhälften im Werkzeug montiert und mit TPE umspritzt.

 

Extrusion und Spritzgießen in Kreisläufen denken

IMG_20191022_160121

Die auf dem Messestand von Krauss Maffei gefertigten PP-Eimer waren Ausgangspunkt eines kompletten Kunststoffkreislaufs.

Krauss Maffei bündelte seine Kompetenzen in den Bereichen Spritzgießen, Extrudieren und Digitalisierung, um dem K-Publikum einen kompletten Kunststoff-Werkstoff-Kreislauf vorzuführen. Dabei „verwandelten“ sich simple PP-Eimer in ein automobiles Bauteil, genauer gesagt in die Verkleidung einer A-Säule. Die Eimer wurden auf einer neuen GC 1100 mit 11.000 kN Schließkraft gespritzt. Die (extern) geschredderten Eimer gelangten als Mahlgut zurück in den Stoffkreislauf. Ein Zweischneckenextruder ZE 28 Blupower produzierte wiederum „live“ auf der Messe aus dem Mahlgut ein Regranulat. Bei diesem Edelweiß-Compounding-Prozess wurden den PP-Flakes 20 Prozent Talkum sowie Farbstoffe zugesetzt. Die Regranulate wurden über eine Materialversorgung zu einer vollelektrischen PX 320 transportiert, die schließlich die A-Säulenverkleidungen mit einer Oberfläche aus einer hinterspritzten Stoffschicht fertigte. Sowohl beim Extrudier- als auch Spritzgießvorgang kam das Prozesskontrollsystem APC plus von Krauss Maffei zum Einsatz. Beim Spritzgießprozess gleicht das System Chargen- und Klimaschwankungen oder auch wechselnde Recompoundanteile durch Anpassung des Umschaltpunktes aus, und zwar auf Basis von gespeicherten Materialparametern und Viskositätsanalysen. Beim Extrudieren werden Schmelzetemperatur, Druck und Schneckendrehzahl erfasst.

Die beschriebenen und viele weitere Messe- und Praxisbeispiele zeigen, dass sich auch Materialien mit hohen Rezyklatanteilen unter Einsatz vorhandener Technologien prozessstabil zu hochwertigen Bauteilen verarbeiten lassen. Um dies sicherzustellen und Kreislauffähigkeit herzustellen, sollten aber möglichst sortenreine und kontaminationsfreie Ausgangsmaterialien verwendet werden.

Natur pur – Spritzgießen ohne Kunststoff

Breidenbach

Zeroplast-CTO Andreas Huber mit einem frisch gefertigten Kosmetiktiegel aus Naturmaterial.

Kreisläufe lassen sich aber auch ganz anders denken – ohne Kunststoffe und ohne Recycling, aber mit Spritzgießen: „Zeroplast free“ heißt das Werkstoffkonzept, das Wittmann Battenfeld, Kottingbrunn, Österreich, und die neu gegründete Entwicklungsfirma Zeroplast, Wien, Österreich, gemeinsam mit Forschungspartnern kreiert haben und das laut Angaben der Partner kurz vor der Marktreife steht. Der neue Werkstoff enthält ausschließlich Stoffe aus der Natur. Wie Andreas Huber, CTO und Mitbegründer von Zeroplast, gegenüber „Plastverarbeiter“ erklärt, besteht das Material aus Naturfasern, die in eine Matrix aus Wachsen und Ölen eingebettet sind. Je nach Festigkeitsanforderungen können Mineralien wie zum Beispiel Calciumcarbonat zugefügt werden. Huber verfolgt dabei die von Prof. Michael Braungart initiierte Cradle-to-Cradle-Philosophie, nach der – vereinfacht ausgedrückt – Naturstoffe in möglichst unveränderter Form in Produkten verarbeitet werden sollen, die nach Ablauf ihres Lebenszyklus wieder von der Natur aufgenommen werden. Auf die Verwendung von Makromolekülen habe man daher konsequent verzichtet, erläutert der Zeroplast-CTO. Auf dem K-2019-Stand von Wittmann Battenfeld fertigte eine Ecopower Mehrkomponenten-Maschine Kosmetiktiegel samt Deckel aus dem gleichen Zeroplast free Material. Besonders stolz ist Huber auf das im In-Mold-Verfahren aufgebrachte, Cradle-to-Cradle-zertifizierte Papierlabel. Das Papier besteht aus Fasern, die eine Affinität genau zu der im Bauteil verwendeten Öl/Wachs-Matrix haben. So kommt eine Haftung ganz ohne Klebstoff zustande. Auf der Innenseite wird der Tiegel mit einer am Fraunhofer-Institut ISC entwickelten biobasierten Barriereschicht (Bio-Ormocere) beschichtet. Hohe Ansprüche werden selbstredend an die Prozessführung gestellt. „Rund 90 Prozent des Werkstoffs sind nicht aufschmelzbar“, verdeutlicht Huber. Entsprechend niedrig ist der spezifische Druck des Materials. Aktuell funktioniert die Produktion in einem Temperatur-Prozessfenster von 4 Grad an der Schnecke. Batches von bis zu 20 Tonnen könne man aber bereits „sehr stabil“ verarbeiten, sagt der Zeroplast-Mitbegründer. In dem Kooperationsprojekt übernimmt Buzek Plastics Polen die Spritzgießfertigung. Der Werkstoff wird bei Zeroplast compoundiert, und Wittmann Battenfeld ist für die Weiterentwicklung der Maschinenintelligenz zuständig. Die Partner wollen das Konzept jetzt zügig zur endgültigen Marktreife für Kunden aus der Kosmetik-, Lebensmittel- und Spielwarenindustrie bringen.  Dabei gelte es unter anderem, weitere Naturkunststoffe zu klassifizieren, und die Maschinen auf die von der Natur vorgegebenen Varianzen einzustellen, erläutert Huber.

ist Chefredakteur Plastverarbeiter. ralf.mayer@huethig.de

Sie möchten gerne weiterlesen?

Unternehmen

ARBURG GmbH + Co KG

Arthur-Hehl-Str.
72290 Loßburg
Germany

Engel Austria GmbH

Ludwig-Engel-Straße 1
4311 Schwertberg
Austria

Krauss Maffei Process Technology AG

Krauss-Maffei-Str. 2
80997 München
Germany

Wittmann Battenfeld GmbH

Wiener Neustädter Str. 81
2542 Kottingbrunn
Austria