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Mit jeweils 5000 kN Schließkraft sind die beiden neuen vollelektrischen E-motion 500 die größten Spritzgießmaschinen, die Röchling Medical komplett im Reinraum betreibt.

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In einem Reinraum der Klasse GMP C produziert Röchling Medical am Standort Brensbach unter anderem anspruchsvolle Arzneimittelverpackungen, Verbrauchsartikel für die medizinische Diagnostik sowie medizintechnische Komponenten. (Bilder: Engel)

Nest-und-Tub-Systeme sind Verpackungen für flüssige Pharmazeutika, dargereicht in Vials oder vorbefüllten Spritzen. Durch Covid-19 ist die weltweite Nachfrage massiv gestiegen, denn auch Impfstoff-Vials werden in dieser Verpackungsform angeboten. Für Röchling Medical am Standort Brensbach im Odenwald sind die Nest-und-Tub-Systeme eine neue Anwendung, die von der Spritzgießproduktion vor allem eines verlangt: Flexibilität. Fokussiert auf Vials, werden bei Röchling die Nesteinsätze in aktuell fünf Größen auf zwei neuen vollelektrischen Engel E-motion Spritzgießmaschinen produziert. Ebenso die für alle Nestgrößen einheitlichen Wannen (Tubs), die über das gesamte Teilespektrum die größte Schließkraft von 5000 kN erfordern. Um die Werkzeuge flexibel rüsten zu können, wurden die beiden für diese Anwendung vorgesehenen Maschinen in der Baugröße 500 bestellt und baugleich ausgeführt. „In Kürze werden die beiden 5000-kN-Maschinen 24/7 mit der Nest-und-Tub-Produktion ausgelastet sein“, sagt Marco Treuner, Technical Project Manager von Röchling Medical.

Extra-Features steigern Effizienz im Reinraum

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Mit jeweils 5000 kN Schließkraft sind die beiden neuen vollelektrischen E-motion 500 die größten Spritzgießmaschinen, die Röchling Medical komplett im Reinraum betreibt.

Die Abmessungen der Nest-und-Tub-Verpackungen sind standardisiert, um sie in Abfüll- und Sterilisationsanlagen unterschiedlicher Typen und Anbieter einsetzen zu können. Während des gesamten Abfüll- und Verarbeitungsprozesses bleiben die Fläschchen im Nest und können so weder umfallen noch aneinanderstoßen. In der Wabenstruktur sind die Vials, die meistens aus Glas bestehen, gut geschützt. Für 50-ml-Dosen sitzen 16 Vials im Nest. Je kleiner die Füllmenge, desto mehr Vials finden in einer Verpackung Platz, und desto mehr Waben weisen die Nesteinsätze auf. Für diese anspruchsvolle Bauteilgeometrie kommt POM zum Einsatz. Der Werkstoff hält der Reinigung vor dem Abfüllprozess sicher stand und ist zugleich wirtschaftlich. Aufgrund seiner starken Schwindung stellt POM jedoch hohe Anforderungen an die Stabilität und Reproduzierbarkeit des Spritzgießprozesses. Hinzu kommt das Werkzeugdesign mit vielen langen, dicht beieinanderliegenden Kernen. „Wir brauchen sehr steife Werkzeugaufspannplatten und besonders kleine Zentrierdurchmesser, um auch bei den sehr großen Platten der E-motion 500 Überspritzungen zu vermeiden“, sagt Treuner. Auf höchste Leistungen ausgelegt, besitzen diese Maschinen im Standard sehr steife Platten. Gezielt für die Nest-und-Tub-Anwendung bei Röchling führte Engel die Platten mit einem besonders kleinen Zentrierdurchmesser von 80 mm aus.

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Da die Nesteinsätze aus POM nicht unmittelbar nach dem Entformen gestapelt werden können, installierte der Maschinenbauer ein U-förmiges Förderband oberhalb der Produktionszelle als Nachkühlstrecke. Von dort aus nimmt der Roboter die Teile auf und taktet sie über das größere untere Förderband aus.

„Engel bot uns das beste Gesamtpaket“, begründet Joachim Lehmann, Director Business Unit Medical Europe von Röchling, die Investitionsentscheidung. Die zwei E-motion 500 Spritzgießmaschinen in Reinraumausführung sind mit einem Linearroboter aus der Viper Baureihe sowie GMP-gerechten Förderbändern – beide aus der eigenen Entwicklung und Produktion von Engel – ausgestattet. Hinzu kommen für Röchling maßgeschneiderte Sonderlösungen, die den Einsatz der sehr großen Spritzgießmaschinen im Reinraum noch effizienter machen. Die Kabelkanäle sind eingehaust, kleinere Kabelbündel verschlaucht und die Schaltschränke besitzen eigene Wärmetauscher, damit es auch an dieser Stelle nicht zu Luftverwirbelungen kommt. Da die Nestbauteile bei der Entnahme aus dem Werkzeug noch zu instabil zum Stapeln sind, wurden oberhalb der Schließeinheit zusätzliche U-förmige Förderbänder als Nachkühlstrecke installiert. Erst 15 Minuten nach dem Entformen nimmt der Viper Roboter die Bauteile vom Nachkühlband auf und taktet sie über die größeren Förderbänder aus, um sie in Boxen zu stapeln.

Temperierassistenz für stabile Prozesse und mehr Energieeffizienz

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Der Einsatz von E-temp-Temperiergeräten steigert deutlich die Energieeffizienz der Temperierprozesse, Über OPC UA mit der Maschinensteuerung verbunden, passen die Temperiergeräte ihre Pumpendrehzahl dem Bedarf an.

Entscheidend für die Maßhaltigkeit der anspruchsvollen POM-Teile ist neben der sehr hohen Präzision der vollelektrischen Hochleistungsmaschinen eine sehr konstante Temperierung, wie Marco Treuner erklärt. „Wir müssen die reproduzierbare Qualität bereits im Produktionsprozess sicherstellen.“ Qualitätskontrollen finden mehrfach statt. Sowohl im Werk Brensbach als auch beim Kunden. Sitzt dieser – wie es im aktuellen Auftrag der Fall ist – in den USA, vergeht zwischen Produktion und Qualitätskontrolle ausreichend Zeit, nach der der Rekristallisationsprozess, sprich die Schwindung, abgeschlossen ist. Bei Röchling wird parallel die Teilealterung über sechs Monate mit Hilfe eines Temperprozesses simuliert.

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Die Linearroboter nehmen zwei Aufgaben wahr: das Entformen der Spritzgießteile aus dem Werkzeug und das Umsetzen der abgekühlten Teile von der Nachkühlstrecke aufs Austaktban.

Für eine exakt reproduzierbare Temperaturführung machte Röchling Medical einen Schritt in Richtung Digitalisierung. Beide Maschinen arbeiten mit IQ flow control, dem intelligenten Temperierassistenten von Engel. Ausgerüstet mit sechs E-flomo Temperierwasserverteilern und ebenso vielen Temperiergeräten aus der Engel E-temp-Serie, kontrolliert und reguliert sich das System mit Hilfe der Software über das gesamte Produktionslos selbst und hält die Temperierbedingungen konstant. Die Temperaturdifferenz dient für die dynamische Einzelkreistemperierung als Regelgröße.

Bei dieser Lösung kommunizieren die Spritzgießmaschinen und die Temperiergeräte miteinander über OPC UA. So vermag es IQ fow control, die Pumpendrehzahl in den Temperiergeräten an den tatsächlichen Bedarf anzupassen. Dieses Zusammenspiel vereint Temperierkonstanz mit einer sehr hohen Produktivität und Energieeffizienz. „Wir sehen schon nach der kurzen Zeit seit Inbetriebnahme, dass die Pumpen deutlich herunterregeln. Zum Teil laufen sie mit knapp 30 % Leistung statt konstant mit 100%“, berichtet Treuner. Ausschlaggebend für die Investition in IQ flow control war der Werkstoff, der Benefit für das Unternehmen ist durch die Energieeinsparungen aber deutlich größer. „Wir achten darauf, den ökologischen Fußabdruck unserer Produktionsanlagen klein zu halten und berücksichtigen das auch bei der Auswahl unserer Zulieferer“, betont Lehmann. Röchling ist ISO 50001 zertifiziert. Die Energieverbrauchsanzeigen der E-motion-Maschinen unterstützen den Verarbeiter beim systematischen Energiemanagement.

Medical-Maschinen haben Vorrang

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Je kleiner die Füllmenge der Vials desto komplexer das Werkzeug für die Nesteinsätze. Die eng beieinanderliegenden Kerne erfordern sehr präzise Maschinenbewegungen.

Die zwei neuen großen Produktionszellen sind Teil eines umfangreichen Pakets, das der österreichische Maschinenbauer in den vergangenen Wochen nach Brensbach lieferte. Alle acht neuen E-motion-Maschinen mit Schließkräften von 1600, 2800 und 5000 kN sind für Anwendungen in den Bereichen Arzneimittelverpackung, Diagnostik und Medizintechnik im Reinraum im Einsatz. Neben den Nest-und-Tub-Systemen produziert Röchling Medical unter anderem Racks für Pipettenspitzen und Mikrotiterplatten auf Engel Maschinen. Als Kompetenzzentrum für die Spritzgießtechnik vereint das Werk Brensbach Spritzgießproduktion, Montage und Werkzeugbau. Die vollelektrische Antriebstechnik ist dort Werksstandard. Neben der hohen Präzision geht es darum, ÖL im Reinraum so weit als möglich zu vermeiden. Zudem sind die schnellen Maschinenbewegungen entscheidend. Während die Nestteile Zykluszeiten von bis zu 40 Sekunden haben, erfordern die Tubs mit einer Zykluszeit von 10 Sekunden eine sehr hohe Leistung.

Getriggert durch Covid-19 unterlagen vor allem die beiden großen 5000-kN-Maschinen einem enormen Zeitdruck. „Wir hatten gleich zu Beginn der Pandemie unsere Prozesse angepasst und Medical-Maschinen in allen Werken Vorrang eingeräumt“, sagt Holger Kast, Vertriebsingenieur bei Engel Deutschland am Standort Stuttgart. „Für das Röchling-Projekt haben wir zudem die Auftragsabwicklung beschleunigt und den bürokratischen Aufwand nach hinten geschoben.“

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Von links: Holger Kast von Engel Deutschland, Marco Treuner und Joachim Lehmann von Röchling Medical.

Zur schnellen Inbetriebnahme der Maschinen trug eine weitere Besonderheit von Engel bei: Die Maschinen wurden ohne Aufpreis zweiteilig geliefert. „Unsere Schleuse ist zu klein für eine komplett montierte 5000-kN-Maschine“, erklärt Treuner. „Hätten wir den Reinraum zum Einbringen der Maschinen öffnen müssen, wäre dies mit einem Produktionsausfall von einer ganzen Woche verbunden gewesen.“ Und das für mehrere Produkte auf einmal, denn im großen GMP-C-Reinraum stehen mehr als zehn Produktionszellen.

Nicht zuletzt sorgt das Systemgeschäft für eine kurze Time-to-Market. „Wir haben mit Engel einen zentralen Ansprechpartner und kommunizieren auf direktem Weg“, so Lehmann. „Von Beginn an wurde die gesamte Produktionszelle sauber projektiert und alle Komponenten exakt aufeinander abgestimmt. Engel hat es uns schon in der Anfangsphase einfach gemacht. Bei komplexen Produktionszellen schaffen das nicht viele in dieser Geschwindigkeit.“

 

 

ist Public Relations Manager bei Engel in Schwertberg, Österreich.

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Engel Austria GmbH

Ludwig-Engel-Straße 1
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