Das SKZ arbeitete zwischen Januar 2021 und Dezember 2023 gemeinsam mit Plastship an dem von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderten Forschungsprojekt „Rezy-Spezi“ (Förderkennzeichen: 37823/01-31). Gegenstand des Projekts war die Untersuchung von Anforderungen an Kunststoffe, die den Rezyklateinsatz aktuell noch verhindern, bei denen jedoch Änderungspotenziale im Sinne eines erhöhten Einsatzes von Rezyklaten bestehen, ohne die grundlegenden Produktfunktionalitäten zu gefährden. Die Projektergebnisse basieren hauptsächlich auf Umfragen, Interviews und Befragungen mit Expertinnen und Experten aus der kunststoffverarbeitenden Industrie. Mehrere Befragte aus den Bereichen Kunststoffrecycling und Bauteilherstellung gaben an, dass etwa in der Automobilbranche oftmals sehr hohe Farbanforderungen bestehen, die für einzelne Anwendungen jedoch nicht zwingend erforderlich sind. Dies betrifft nicht nur die sichtbaren, sondern auch die nicht-sichtbaren Bauteile. Allein im Bereich der Schwarztöne gibt es mehr als 50 Schattierungen, die mit Rezyklaten aufgrund ihrer Heterogenität im Einzelnen nicht erfüllbar sind. Die im Projekt erarbeiteten Kunststoffanforderungen wurden nach ihrer Relevanz zur Erfüllung der Produktfunktionalität eingeordnet und bewertet. Im Anschluss wurden die Einsatzpotenziale von Rezyklaten durch eine Umfrage mit Recyclingunternehmen ermittelt und in einem Onlinetool (https://app.plastship.com/branchen-umfrage) unter Berücksichtigung folgender Anpassungen beschrieben:
- Wegfall/Lockerung der Farbanforderungen,
- Einschränkungen in der Kunststoffvielfalt,
- Akzeptanz eines höheren Preises von Rezyklaten und
- flexible Dimensionierung rezyklatbasierter Kunststoffbauteile.
Was die Unternehmen sagen
Die Recyclingunternehmen gaben an, dass sie ihr Angebot für die Branchen Elektronik, Automotive, Bau und Verpackung um 26 %, 17 %, 10 % respektive 74 % erhöhen könnten, sofern erweiterte Farbspektren zugelassen wären. Eine Hochrechnung dieser Ergebnisse auf Basis der Plastics Europe-Studie „Plastics – the facts 2022“ würde den europäischen Rezyklatmarkt für Verpackungen um 6,3 % erhöhen. In Automotive-Anwendungen ließe sich die Rezyklatmenge von um 0,7 % und im Bauwesen um 1,8 % erhöhen. Für die Elektronikbranche ergäbe sich eine Steigerung um 0,4 % (siehe Bild). Im Bereich der Farbgebung wird für die Verwendung von Rezyklaten daher empfohlen, die Nutzung von Farbbereichen zu ermöglichen und branchenbezogene Sammelsysteme zu etablieren.
Weiterhin stellen laut Umfrage-Ergebnissen heterogene Abfallströme aufgrund der Vielzahl an Kunststoffsorten und -verbunden und dessen Vermischung bei der Entsorgung ein häufig diskutiertes Hemmnis für den Recyclingprozess und den Einsatz von Rezyklaten dar. Besonders Kunststoffverbunde sind am Ende ihrer Nutzungsphase nicht trenn- und damit auch nicht recyclefähig. Die Vielzahl an Kunststoffsorten innerhalb einer Anwendungsbranche und deren Vermischung bei der Entsorgung erschwert die Umsetzung geforderter polymerspezifischer Eigenschaften der Industrie mit Rezyklaten. Durch eine angepasste Additivierung von sortenreinen Kunststoffen könnten laut Interviewergebnis in einigen Produktbereichen die gleichen Anforderungen wie mit Verbundkunststoffen erreicht werden. Im Rahmen der Untersuchung wurde eruiert, inwiefern eine Steigerung des Rezyklateinsatzes möglich wäre, wenn sich einzelne Branchen auf die Nutzung von jeweils drei Kunststoffsorten für ihre Produkte beschränken würden. Die Beschränkung auf drei Kunststoffsorten ist eine hypothetische Annahme, basierend auf dem Trend zur Verwendung von Monokunststoffen mit angepasster Additivierung. Hierbei sollte der Effekt der Reduzierung der Kunststoffvielfalt im Projekt verdeutlicht werden. Laut Umfrageteilnehmern bestünde dann die Möglichkeit, das Rezyklatangebot besonders in der Verpackungs- und Automobilindustrie nahezu zu verdoppeln. Dies würde eine Steigerung der Rezyklatquote bezogen auf den europäischen Markt für diese Branchen von 8,5 % (für den Verpackungssektor) auf 13,1 % und von 2,9 % (für den Automobilsektor) auf 5,5 % bedeuten.
Was, wenn der Rezyklatpreis fällt?
Des Weiteren wurden die Auswirkungen auf das Rezyklatangebot untersucht, wenn der Preis von Rezyklaten eine untergeordnete Rolle spielen würde. Im Verlauf diverser Umfragen konnte gezeigt werden, dass gewisse Produkteigenschaften mit Rezyklaten technisch zwar realisierbar wären, jedoch noch nicht wirtschaftlich umsetzbar sind. Da der Aufbereitungsaufwand für Rezyklate oftmals über dem Preis der Neuware liegt, greifen Unternehmen häufig zur günstigeren Neuware. Laut Umfrage mit Recyclingbetrieben könnte das Angebot an Rezyklaten in der Automobilindustrie um durchschnittlich 77 %, im Baugewerbe um 68 % und in der Verpackungsindustrie um 75 % erhöht werden, wenn der Preis eine untergeordnete, nicht dominante Rolle einnehmen würde. Hierbei wurde von unveränderten Produktanforderungen ausgegangen. Unter Berücksichtigung des europäischen Rezyklateinsatzes würde dies für die Automobilbranche eine Rezyklatquote von 6 %, für das Bauwesen eine Quote von 30 % und für die Verpackungsindustrie eine Erhöhung des Rezyklateinsatzes auf 14,8 % bedeuten. Die Preisforderungen für Rezy-klate seitens der Abnehmer liegen in der Regel deutlich unter denen für Neuware, was aufgrund mitunter aufwendiger Aufbereitungsprozesse jedoch nicht ohne Weiteres wirtschaftlich erfüllbar ist. Eine vermehrte Integration von Design-for-Recycling verringert die Aufbereitungsprozesse für Rezyklate sowie die einhergehenden Kosten.
Im Zuge verschiedener Interviews sprachen Personen aus dem Recyclingbereich von überdesignten Kunststoffbauteilen, deren Funktionalität ebenfalls durch geringere Designanforderungen gegeben wäre. Die Anpassung der Anforderungen an die Dimensionierung respektive die Sicherheitspuffer von Bauteilen unter gleichzeitiger Wahrung ihrer mechanischen Eigenschaften würde folglich den erhöhten Einsatz von Rezyklaten ermöglichen. Laut befragter Recyclingunternehmen würde sich das Rezyklatangebot für die Branche Verpackung um 41 %, für den Bereich Elektronik und Elektrogeräte (E&E) um 21 %, im Bauwesen um 65 % und im Automobilsektor um 51 % erhöhen. Im Vergleich zur europäischen Rezyklatquote würde dies für die Branche Verpackung eine Steigerung auf 12 %, für die Baubranche auf 29,8 % und für die Automobilbranche auf 5 % bedeuten. Im Bereich E&E würde die neue Rezyklatquote 4,4 % betragen. Es wird empfohlen, Kunststoffproduktnormen einzuführen, die im speziellen für den Rezyklateinsatz zugeschnitten sind. Hierbei könnten an Rezyklate angepasste Anforderungen beschrieben werden, die gleichzeitig die Produktfunktionalität und -sicherheit gewährleisten.
Normen und Standards weiterentwickeln
Die Steigerung des Rezyklateinsatzes wird durch verschiedene Faktoren behindert, die auf unterschiedlichen Ebenen auftreten. Im Rahmen des Projekts wurden Handlungsempfehlungen für die Industrie, die Forschung sowie die Politik erarbeitet, um die aufgetretenen Hindernisse zu überwinden. Einzelheiten zu den Empfehlungen sind im Projektbericht zu finden. Die Maßnahmen zielen einerseits auf eine verstärkte öffentliche Förderung von Kooperationsprojekten zwischen Forschung und Industrie, insbesondere bei der Substitution von Neuware für konkrete Produkte und Prozesse sowie der Wiederaufbereitung von Kunststoffabfällen. Der Schwerpunkt liegt auf der Erprobung neuer Rezepturen, der Grundlage einer reduzierten Materialvielfalt und dem Einsatz von Additiven zur Erzielung der Passfähigkeit in bestimmten Anwendungen. Andererseits können anwendungsspezifische Initiativen durch Industrie und Normungsinstitutionen dazu beitragen, bestehende Normen und Werksstandards weiterzuentwickeln. Damit sollen Rezyklate auch in bestimmten Produktgruppen eingesetzt werden können, in denen sie derzeit noch ausgeschlossen sind. Systemübergreifende Veränderungen könnten den Herstellern von Kunststoffprodukten längere Qualifikationstests für Rezyklatmaterialien ermöglichen. Produktentwicklungszyklen haben sich laut Expertenbefragung von ehemals 3 bis 5 Jahren auf heute circa die Hälfte der Zeit verkürzt, so besteht oftmals kaum noch zeitlicher Spielraum für aufwendige Materialqualifikationstests. Im Bereich der Gesetzgebung sind verbindliche und langfristig verlässliche Vorgaben für die Recyclingfähigkeit im Rahmen der weiteren Ausarbeitung der EU-Ökodesign-Verordnung von entscheidender Bedeutung, um in großen Mengen geeignete Abfallqualitäten für den erhöhten Rezyklateinsatz zu erhalten.
Quelle: SKZ
Weitere Autoren:
Dr. Thomas Hochrein, Geschäftsführer des Bereichs Forschung und Bildung, SKZ
Prof. Dr.-Ing. Martin Bastian, Institutsdirektor, SKZ
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SKZ KFE gGmbH Kunststoff Forschung und Entwicklung
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