Von der Integration von Elektronik in Kunststoffbauteile bis hin zu prüftechnischen Anforderungen und Methoden lag das Hauptaugenmerk auf Applikationsmöglichkeiten. Vortragende aus Unternehmen der Kunststoff- und Elektronikbranche sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des KUZ sorgten für fachlichen Input und angeregte Diskussionen. Es nahmen rund 40 Personen teil.
Kunststoff als Basis für elektronische Anwendungen
Eröffnet wurde die Fachtagung von Dr. Thomas Wolff, Geschäftsführer des Kunststoff-Zentrums. In seinem Keynote-Vortrag wies er darauf hin, dass Kunststoff elektrische und elektronische Anwendungen grundlegend ermöglicht, was er am Beispiel der Entwicklung der Kabelummantelung vom ersten Leitungsdraht bis zum ersten 20-kV-PE-Kabel unterstrich.
Bezogen auf die Gegenwart, ihrer Vielfalt an Werkstoffen und deren spezifischen Eigenschaften gepaart mit den technologischen Möglichkeiten der 2020er-Jahre, sieht Wolff „ein unendliches Potenzial an Anwendungsfällen“.
Wo TPEs in elektronischen Anwendungen eingesetzt werden
Alexander Heinze von Allod Werkstoff zeigte in seinem Vortrag anhand von Verarbeitungsverfahren sowie ihrer Vor- und Nachteile die Einsatzmöglichkeiten thermoplastischer Elastomere auf. Diese lassen sich unter anderem durch Spritzgießen, Extrusion, Kalandrieren oder Schmelzspinnen verarbeiten. Laut Heinze überwiegen (im Vergleich zu Gummi) die Vorteile der TPEs.
So sind beispielsweise die Verarbeitungszeiten kurz, das Bauteilgewicht gering und die Funktionsintegration hoch. Zudem weisen TPEs Compoundiermöglichkeiten, vielfältige Farbtechnik und eine Eignung für Mehrkomponententechnik auf. Die Nachteile der TPEs liegen in den eingeschränkten Eigenschaften bei höherer Temperatur, der limitierten Medienbeständigkeit und ihrem Deformationsverhalten.
Die Einsatzmöglichkeiten von TPEs exemplifizierte Heinze anhand eines Elektrogehäuses, eines Klemmkastens und einer Lüfterdichtung. Zudem dienen diese als Umspritzungsmaterial für unter anderem Antennen, Sensoren und Stecker und kommen beispielsweise in induktiven Schaltern, Rolltorleisten, PTC-Heizsystemen oder Elektroherd-Bedienfeldern zum Einsatz.
Wo werden Kunststoffe in der E-Mobilität eingesetzt?
Dipl.-Ing. Jan Helmig, Manager Lightning bei Covestro Deutschland, veranschaulichte, wie sich das Fahrzeug-Frontend im Zuge der Transformation zur Elektromobilität verändert. Bei E-Autos werden konventionelle Kühlergrills durch ein geschlossenes, homogenes Frontend ersetzt. Hierdurch wachsen Einzelteile zu Modulen zusammen, Funktionen wie Licht und Sensorik werden integriert, wofür elektronische Bauteile notwendig sind.
Helmig erläuterte Design- und Fertigungskonzepte für Scheinwerfer-Abblendlichtmodule: LED-Module und die erforderlichen Kühlkörper können direkt im 2K-Spritzgießverfahren miteinander verbunden werden. Dadurch lassen sich zum einen die Anzahl an Einzelteilen und damit entsprechende Fertigungsschritte, Einzelwerkzeuge sowie Montageschritte und -vorrichtungen reduzieren. Zum anderen wird hierdurch das optische Ausrichten vereinfacht sowie die Effizienz erhöht.
Der Einsatz von nur einer Materialklasse und einer möglichen Gewichtsreduzierung leisten laut Helmig einen wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeit.
Kunststoff-Hybridlösungen für die Elektronik
Dipl.-Ing. Kathrin Klamt, am KUZ zuständig für Simulation, erläuterte, wie mehr Funktionalität und Komplexität durch Kunststoff-Hybridlösungen für die Elektronik unter Beibehaltung effizienter Spritzgießfertigung ermöglicht werden können. In ihrem Vortrag standen die folgenden drei Verfahren im Fokus:
1. Mehrkomponenten-Mikrospritzguss: Mit dem Ziel, elektrisch leitfähige Konturen und Kontakte über partielle Beschichtung durch Galvanisierung zu generieren, wird eine metallisierbare und somit elektrisch leitfähige Komponente mit einem isolierenden Hochleistungskunststoff verbunden. Diese Lösung im Zweikomponenten-Mikrospritzgießverfahren erfordert Detailpräzision, um als Schaltungsträger auch die Kontaktierung funktionssicher zu gewährleisten. Sie wurde für die Kombination von Liquid Crystal Polymer (LCP) mit LCP erarbeitet.
2. Verarbeiten von hochgefüllten leitfähigen Kunststoffen: Generell stellt das Verarbeiten solcher Kunststoffe bereits rheologisch eine große Herausforderung dar. In dieser Anwendung wird die Komplexität durch Kombination mit einem textilen Einleger gesteigert. Der funktionalisierte Kunststoff wird an leitfähige Fäden im Textil angespritzt und agiert somit als Verbindungselement zwischen textiler Elektronik und peripheren Komponenten.
3. Kunststoff-Hybridlösungen zur Implementierung der EMV-Funktionalität in Bauteile und Gehäuse: Um eine EMV-Abschirmung zu implementieren, wird meist auf kostspielige Additive oder aufwändige Beschichtungsverfahren zurückgegriffen. Der vorgestellte Lösungsansatz vereinfacht Klamt zufolge die Vorgehensweise durch Kombination zweier Materialien in einem One-Shot-Prozess. Lösungen zum Hinterspritzen flexibler Systeme sollen das nachträgliche Aufbringen einer abschirmenden Schicht ersetzen.
An der Schnittstelle zur Serienproduktion geht es bei den entwickelten Lösungen unabhängig vom konkreten Projekt immer um die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse, die Reduktion der Nachbearbeitungsschritte, die Kostenoptimierung und um Automatisierungsansätze.
Produktdesign im Wandel
Martin Hahn, Divisional Director of Application, Technology & Innovation BAP der Leonhard Kurz Stiftung, stellte in seinem Vortrag die branchenübergreifende Transformation im Produktdesign in den Mittelpunkt: Oberflächen werden nahtlos, Bauteilgeometrien zunehmend organisch geformt. Nutzeroberflächen elektronischer Geräte, Bedienblenden und Anzeigenmodule befinden sich laut Hahn im Wandel, kapazitive Tasten und voll-integrierte Touchscreens kommen bereits zum Einsatz.
In diesem Kontext ist ihm zufolge der Schulterschluss zur Funktionsintegration ein wesentlicher Bestandteil dieser Gesamtbauteilanforderungen. Durchleuchtbare Symboliken, Bedienanzeigen und das Lichtmanagement entwickeln sich zu einem integralen Teilaspekt im Gesamtdesign.
Phase-Change-Materials
Laut Dipl.-Ing. Martin Geißenhöner, Projektleiter am Thüringischen Institut für Textil- und Kunststoff-Forschung (TITK), können Phase-Change-Materials (PCM) im Vergleich zu sensiblen, klassischen thermischen Energiespeichern um den Faktor 2 bis 4 höhere Energiespeicherkapazitäten erreichen.
Für das am TITK entwickelte PCM-Compound gibt es aufgrund des thermoplastischen Charakters vielfältige Verarbeitungs- und Gestaltungsmöglichkeiten. In Elektronikanwendungen können so beispielsweise Temperaturspitzen abgepuffert und zeitversetzt abgegeben werden, wodurch eine Leistungsoptimierung realisiert werden kann.
Laser-Kunststoffschweißen für Elektronikanwendungen
Dipl.-Ing. Christian Ebenhöh, Key Account Manager bei Evosys Laser, sieht heutige Entwicklungen in der Elektronik und Elektromobilität geprägt von einer zunehmenden Systemintegration, einem steigenden Anteil mechatronischer Komponenten sowie dem Wunsch nach kontinuierlicher Bauraum- und Gewichtsreduktion.
Kunststoffe können als Werkstoff für diese Baugruppen diese Herausforderungen erfüllen. Sie bieten laut Ebenhöh hinsichtlich der Herstellungsprozesse eine gute Form- und Anpassbarkeit, so dass das Produktdesign auf den jeweiligen Einsatzzweck zugeschnitten werden kann.
Typische Anwendungsfelder sind elektromechanische und -hydraulische Aktuatoren, Leitungen und Komponenten für die Batteriekühlung und das Thermomanagement, Batterieträger sowie Gehäuse für Steuergeräte oder Leistungselektroniken.
Das Laser-Kunststoffschweißen bietet gemäß Ebenhöh gerade in diesen Anwendungen zahlreiche Vorteile und ist im Vergleich zu anderen Schweißverfahren häufig alternativlos. Gepaart mit seinen Möglichkeiten zur Prozesskontrolle, spielt es seine Stärken vor allem dort aus, wo es auf hohe Dichtheitsanforderungen, Partikelfreiheit und einen mechanisch schonenden Energieeintrag ankommt.
So ermöglicht Laser-Kunststoffschweißen das Fügen von Komponenten im Medienhandling oder das Dichtschweißen von Gehäusen empfindlicher elektronischer und mechatronischer Baugruppen. Zudem ist es flexibel hinsichtlich der Schweißnahtgeometrie und schränkt die Designfreiheit bei geschickter Auslegung der Fügeschnittstelle nur wenig ein.
Lasermarkieren von farbigen Bauteilen für Elektronikkomponenten
Dirk Zimmermann, Anwendungstechniker bei Treffert, zeigte im Anschluss Möglichkeiten zum Laserschweißen und -markieren farbiger Elektronikkomponenten unter Berücksichtigung und/oder Einhaltung der mechanischen Eigenschaften sowie den negativen Einfluss von abrasiven Füllstoffen auf.
Er erläuterte unter anderem das Markierverhalten unadditivierter und additivierter Kunststoffe und ihre normierte Beurteilung gemäß Symbolkontrast, Druckzuwachs, Kantenschärfe, Gitterlinearität und Fixed Pattern Damage.
Elektronikkomponenten werden meist mithilfe von glasfasergefüllten Polymeren hergestellt. Abrasive Inhaltsstoffe im Batch schädigen laut Zimmermann die Faser. Als meistgenutzten abrasiven Inhaltsstoff führte er Titandioxid an.
Elektrische Prüfmethoden für Kunststoffe
Die KUZ-Mitarbeiter Christian Rast und Dr. Peter Bloß stellten in ihrem Vortrag das akkreditierte Prüflabor des Kunststoff-Zentrums in Leipzig vor. Kunststoffe spielen aufgrund ihres dichtebedingten Leichtbaupotenzials und ihres hohen Isolationsvermögens für elektrische Baugruppen eine entscheidende Rolle.
Daraus ergibt sich laut Rast und Bloß die Notwendigkeit, die elektrischen Eigenschaften von Kunststoffen anwendungsnah zu bestimmen und zu verbessern. Im Prüflabor des KUZ werden seit etwa 20 Jahren elektrische Prüfungen durchgeführt und neue Messmethoden integriert. Das Spektrum umfasst Messungen hoher Isolationswiderstände, der Kriechstromfestigkeit und der elektrischen Durchschlagfestigkeit. Zudem werden Dielektrizitätskonstanten ermittelt und Glühdrahtprüfungen durchgeführt.
Kunststoffe müssen zunehmend höhere Anforderungen erfüllen. Durch die Zwei-Schnecken-Extrusion werden beispielsweise Compounds mit leistungsfähigen Additiven hergestellt, aus denen mittels 1K- und 2K-Spritzguss Funktionsteile hergestellt werden können.
3D-Prüfung von Bauelementen im Kunststoff-Metall-Verbund
Laut Dipl.-Ing. Thomas Rümmler von Micro-Epsilon Optronic stellen die unterschiedlichen Oberflächeneigenschaften im Werkstoffverbund von Kunststoff und Metall eine mitunter große Herausforderung für die Mess- und Prüftechnik dar.
In diesem Kontext präsentierte er Messverfahren zur 3D-Prüfung wie beispielsweise die Streifenlichtprojektion, bei der diffus reflektiertes Licht von zwei Kameras erfasst wird. Dadurch kann laut Rümmler eine 3D-Punktewolke berechnet werden.