Firm Caldwell Manufacturing Window Balance_Markforged Printer_Copyright 2019

3D-Drucker im Einsatz: Für den Metalldruck wird die 3D-Druckplattform mit dem MIM Verfahren kombiniert. Hierfür stellt das Unternehmen unter anderem auch die Sinteröfen zur Verfügung. (Bild: Markforged)

Die additive Fertigung komplexer, für den industriellen Einsatz geeigneter Teile mit Eigenschaften, die denen herkömmlich gefertigter Produkte entsprechen, war von Beginn an ein zentrales Ziel der 2013 gegründeten Markforged. Mit den filamentbasierten 3D-Druckern des Unternehmens lassen sich unter anderem (kurz)faserverstärkte Kunststoffe verarbeiten  ̶  zur damaligen Zeit noch eine Seltenheit. Firmengründer Greg Mark ging jedoch noch einen wesentlichen Schritt weiter: Mit dem von ihm entwickelten Zwei-Düsen-System können endlosfaserverstärkte Polyamid-Bauteile in hoher Qualität gedruckt werden. „Diese getrennte und koordinierte Austragung der beiden Materialkomponenten war die eigentliche Revolution“, berichtet Lutz Feldmann, der 2019 zu dem Unternehmen stieß und heute als Regional Manager die europäischen Märkte für Markforged betreut. Das Funktionsprinzip ist einfach: Nach dem Austragen der jeweiligen Kunststoffschicht auf die Druckplattform führt die zweite Düse den Faserstrang aus. Die Software erlaubt es, die Fasern je nach Stabilitätsanforderungen an das Bauteil in alle gewünschten Richtungen zu verlegen und mit dem Kunststoff zu verweben. „So lassen sich Bauteile mit einer Zugfestigkeit von bis 800 MPa fertigen, was dem Aluminium-Standard entspricht“, betont Feldmann.

Markforged mit Hauptsitz in Watertown, USA, hat in den vergangenen Jahren seine  ̶  mit zahlreichen Patenten unterlegten  ̶ Technologien weiter entwickelt und ihr Angebot ausgebaut. Das Sortiment an 3D-Druckern umfasst heute Maschinen verschiedener Größen und Typen für die industrielle Verarbeitung von Nylon, faserverstärktem PA6 (Onyx), endlosfaserverstärktem PA6 und von Metallen. Das Leistungsspektrum des Unternehmens ist aber deutlich größer. Markforged liefert seinen Kunden Maschinen, Materialien und Software im „Paket“ „Wir sind ein Komplettanbieter im Bereich des industriellen 3D-Drucks “, fasst Lutz Feldmann zusammen. Nur mit diesem alle Komponenten umfassenden Systemangebot, erklärt er, erhalte der Anwender die nötige Sicherheit in Hinblick auf Reproduzierbarkeit, Prozessgenauigkeit und Bauteilqualität. Entsprechend hoch ist die Fertigungstiefe des Unternehmens, das mittlerweile mehr als 300 Mitarbeiter weltweit beschäftigt. Die Kunststofffilamente und die Metall-Druckmaterialien (Metallpulver in Polymermatrix) werden ebenso wie die Endlosfasern in Eigenregie produziert und auf standardisierten Rollen ausgeliefert.

Der „lernende“ 3D-Drucker

Product Lineup 2019 (1)

Das 3D-Drucker-Sortiment des Unternehmens. (Bild: Markforged)

Besonderes Gewicht legt das Unternehmen auf die digitale Prozesskontrolle. Alle seine 3D-Drucker sind mit einem laser- und kameragestützten Überwachungssystem ausgestattet, welches das Bauteil während des Druckvorgangs permanent vermisst. Über die Software werden die gemessenen Werte mit der vorgegebenen 3D-Sollgeometrie verglichen. Der „Clou“ dabei: Ein integrierter Algorithmus befähigt die Software, für zukünftige Druckvorgänge zu „lernen“ und sich entsprechend zu verbessern. Mit solcher Art künstlicher Intelligenz sollen beispielsweise Schwindungseffekte, die insbesondere beim Druck komplexer Geometrien mit teilkristallinen Werkstoffen, wie etwa Polyamid, signifikant auftreten, in optimierte Weise vorherberechnet und in dem Prozess berücksichtigt werden. Denkbar sind laut Feldmann weitere Entwicklungsschritte, wie etwa die Software so zu qualifizieren, dass der Drucker bereits während eines Druckvorgangs seine Einstellungen autonom korrigieren kann.

Das Zeitalter der digitalen Fertigung

Ganz im Sinne einer Zukunftsvision der additiven Fertigung – dezentrale, individuelle Produktion mit identischen Qualitätsstandards an jedem Ort der Welt dank digitaler Vernetzung – hat das Unternehmen nun eine neue Plattform eingerichtet: Die cloudbasierte Plattform „Digital Forge“ soll die bisher mehr als 12.000 installierten Markforged-3D-Drucker zusammenführen. Verbindendes Element ist die gemeinsame, dank des integrierten Algorithmus lernfähige Software.  Durch die Anbindung an die Cloud erhält die Plattform , so die Idee,  kontinuierlich Updates und ist  damit laut dem Hersteller die „einzige industrielle Fertigungsmaschine, deren Leistung im Laufe der Zeit tatsächlich zunimmt“. Digital Forge wird den Angaben zufolge von Unternehmen auf der ganzen Welt genutzt. Neben Siemens und Microsoft gehören dazu etwa die zehn größten Luft- und Raumfahrtunternehmen, zwölf der 14 größten Automobilkonzerne sowie mehrere Niederlassungen der US-Streitkräfte. „Wir sind stolz darauf, nicht nur die weltweit fortschrittlichste Technologie auf dem Energiemarkt zu liefern, sondern auch die besten Technologien dafür einzusetzen“, betont Pontus Johansson von Siemens Energy. „Die Digital Forge ermöglicht es, außergewöhnliche Teile herzustellen und sie direkt im Betrieb einzusetzen.“ Durch die Zusammenarbeit könne Siemens Energy seine Wertschöpfungskette kontinuierlich verbessern. „Ich glaube“, fügt Markforged CEO Greg Mark hinzu, „dass die Pandemie von 2020 und die dadurch verursachte Unterbrechung der Lieferketten die nächste große industrielle Revolution einläuten wird – das Zeitalter der digitalen Fertigung, – und wir sind auf der Mission, die Digital Forge als Teil dieser Revolution in jede Fabrik der Welt zu bringen.“

Die Nutzung der cloudbasierten Plattform sei für die Anwender sicher, hebt Regional Manager Lutz Feldmann einen wichtigen Punkt hervor. Der Datentransfer erfolgt über verschlüsselte 3D-Druck-Dateien. Ungewöhnlich für einen 3D-Drucker-Anbieter, besitzt das Unternehmen die IT-Sicherheitszertifizierung gemäß ISO 27001.

Betriebsmittel in Aluminium-Qualität preiswert gedruckt

LutzFeldmann_Markforged (2)

Lutz Feldmann ist Regional Manager von Markforged in Europa. (Bild: Markforged)

Der bestehende und potenzielle Kundenkreis für die Lösungen von Markforged  ist laut Feldmann  an keine Branchengrenzen gebunden. Ein starker Fokus liegt auf der Fertigung von Ersatzteilen und Betriebsmitteln, wie etwa Montage- und Fertigungshilfsmitteln. Derartige Teile werden ständig benötigt, aufgrund ihrer Vielfältigkeit aber nur in kleinen Stückzahlen produziert  ̶  in der Regel von externen Partnern und meistens kostenintensiv. Mit dem 3D-Drucker im eigenen Betrieb eröffnen sich hier wesentlich kostengünstiger Optionen, um beispielsweise Fertigungshilfsmittel in Aluminiumqualität aus endlosfaserverstärktem Polyamid zu drucken. Darüberhinaus hinaus sind die so gefertigten Teile häufig leichter und weniger abrasiv als die konventionell hergestellten Produkte. Als Anwendungsbeispiel berichtet Feldmann von einem mittelständigen Spritzgießfertiger, der nun Greifer für Pick & Place Roboter quasi neben der Maschine druckt. Außer der Kostenersparnis spielt die additive Fertigung hier ihre Vorteile Schnelligkeit und Unabhängigkeit aus. „Ich starte abends den Druckvorgang und installiere das fertige Teil am nächsten Morgen in meinem Prozess“, verbildlicht der Regional Manager den nicht zu unterschätzenden emotionalen Aspekt der innovativen Technologie.

Dezentrale Produktion von Ersatzteilen

Ein weites Feld für die additive Fertigung ist zudem das Ersatzteil-Management, das unter anderem im global ausgerichteten Maschinenbau eine strategische Relevanz besitzt. „Man stelle sich zum Beispiel vor, ein Hersteller von Verpackungsmaschinen übermittelt 3D-Daten an seine weltweiten Kunden, die damit vor Ort Ersatzteile in Originalqualität produzieren können“, beschreibt Feldmann ein mögliches Szenario. Mit der cloudbasierten Digital Forge Plattform sei dies leicht und sicher umzusetzen. So könnten nicht nur sämtliche Transportkosten gespart, sondern auch der lokale Service verbessert werden. Unter anderem für die Ersatzteilfertigung greifen Anwender auch auf das Sortiment an Metall-Druckmaterialien von Makforged zurück, das Werkzeugstähle, Edelstähle, Inconel und sogar Kupfer umfasst. Für den Metalldruck wird die 3D-Druckplattform mit dem klassischen MIM-Verfahren (Metal Injection Molding) kombiniert, welches das Herauswaschen der polymeren Matrixelemente aus dem gedruckten Teil sowie das Sintern des Metallrohlings beinhaltet. Die passenden Waschanlagen und Sinteröfen liefert Markforged gleich mit. Aufgrund dieser Metallkompetenz des Unternehmens sieht Feldmann große Marktpotenziale nicht zuletzt im Werkzeug- und Formenbau sowie im Werkzeugmaschinenbau.

ist Chefredakteur Plastverarbeiter. ralf.mayer@huethig.de

Sie möchten gerne weiterlesen?