In einer meiner ersten Vorlesungen, zeigte uns ein Professor eine Karikatur von einem Pausenhof in dem Menschen der unterschiedlichen Berufszweige illustriert waren. Ich kann mich nicht mehr an alle Berufszweige erinnern, aber neben den Ingenieuren, die als Gruppe beim Rauchen mit karierten Hemden dargestellt waren, gab es noch die Sozialpädagogen liegend auf der Wiese und die Kaufleute mümmelten an ihren Pausenbroten. Da ich selbst keine karierten Hemden trage und Nichtraucher bin, dachte ich im ersten Moment, hm vielleicht doch das falsche Studium gewählt? Heute sind diese Klischees zum Glück nur noch in der Erinnerung vorhanden. Die Welt der Kunststoffingenieure ist bunt und vielfältig, eben genau wie die unzähligen Kunststoffprodukte.
Warum ich Kunststoffingenieur geworden bin, hat seine Wurzeln sicherlich in meiner Kindheit. Bei uns zu Hause war der Satz „Dem Ingeniör ist nichts zu schwör“ vor allem an den Wochenenden allgegenwärtig. Mein Vater war in der Nachbarschaft als gelernter Maschinenbauingenieur die Anlaufstelle für die unüberwindbaren Heimwerkerprojekte der Nachbarn. Hier eine Schubkarre geschweißt, dort ein Fundament für eine Gartenlaube betoniert oder die Heizung repariert. Als kleiner Steppkes war ich bei diesen Projekten natürlich immer mit dabei. Das Tüfteln, Werkeln und Planen war somit frühzeitig verinnerlicht. Selten kam es vor, dass mein Vater und ich vor einem Projekt kapitulierten. Erst viel später fand ich durch Zufall heraus, dass der geflügelte Satz meiner Kindheit „Dem Ingeniör ist nichts zu schwör“ aus einem Comic von Carl Barks stammt, den er seiner Hauptfigur Daniel Düsentrieb in den Mund legte. Das Ingenieurstudium befähigt uns ein Daniel Düsentrieb zu sein oder auf meine Generation zutreffender formuliert die Mac Gyvers in der Nachbarschaft.
Nach meiner Zivildienstzeit als OP-Helfer wollte ich ursprünglich Maschinenbau studieren, wie mein Vater. Allerdings schreckte mich die, damals in den Medien thematisierte Abwanderung der Stahlindustrie nach Asien und somit die ungewissen Jobaussichten ab. Als gebürtiger Würzburger war das SKZ als Kunststoffinstitut in meinem Dunstkreis bereits bekannt, sodass ich mich letztendlich zum Studiengang Kunststofftechnik und Elastomertechnik an der Fachhochschule in Würzburg eingeschrieben. Um mich finanziell von zu Hause lösen und in meine erste WG einziehen zu können, absolvierte ich das Studium mit vertiefter Praxis beim SKZ. Somit hatte ich bereits während der vierjährigen Studienzeit neben der Vorlesungszeit auch in den Semesterferien eine „Rundumbeschallung“ mit Kunststoff. Da also während des Studiums keine Langweile aufkam, verflog die Zeit wie im Nu und ich wurde pünktlich zur Automobilkreise 2008 mit meiner Diplomarbeit fertig. Die SKZ – KFE gGmbH ermöglichte mir damals den Einstieg als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich der Forschung und Entwicklung im Spritzguss.
Im Studium wurde uns gesagt, dass wir später im Berufsleben circa 5 bis 10 % des Gelernten brauchen werden. Wenn man allerdings in der Forschung landet, trifft diese Aussage absolut nicht zu. Schon in meinen ersten Monaten am Institut wälzte ich meine Studienunterlagen. Wie war das nochmal mit einem PID-Regler in der Elektrotechnikvorlesung oder welchen „Frickelfaktor“ aus dem Roloff-Matek muss ich hier bei der Schraubenverbindung heranziehen. Die Breite und Tiefe des Ingenieurstudiums ermöglicht ein schnelles Einarbeiten auch in fachfremde Themenfelder.
Zwischenzeitlich lernte ich einen weiteren bekannten Satz über Ingenieure kennen, der da lautet: “Wenn der Ingenieur nicht weiterweiß, bildet er einen Arbeitskreis.” Die Zusammenarbeit zur Findung von Lösungen und neuen Ansätzen im Spritzguss mit Kollegen oder Projektpartnern aus der Industrie bereiten mir jedes Mal aufs Neue große Freude. In den nun doch schon 16 Jahren meiner Berufstätigkeit waren nur selten Tage dabei, die keine neuen Herausforderungen mit sich brachten. Aktuell erweitern mein Team und ich die Spritzgussexpertise im Bereich der LSR- und Duroplastverarbeitung. Beide Werkstoffklassen erleben vor allem im Automotivbereich ein gesteigertes Interesse. So kommt beispielsweise LSR als Dichtungsmaterial in Form von Zweikomponentenbauteilen in Verbindung mit Thermoplasten zum Einsatz. Duroplaste finden bei Gehäusen für Akkupacks und elektronischen Bauteilen ihre Anwendung.
Als Kunststoffingenieur wird es also auch nach vielen Jahren nicht langweilig. Vor der Branche liegen in den kommenden Jahren zahlreiche Herausforderungen. Die aktuellen Themen in puncto Kreislaufwirtschaft, nachhaltigem Einsatz von Kunststoffen und effizienteren Prozessen können nur von neugierigen und kreativen Ingenieuren gelöst werden.
Daher mein Aufruf an die Schulabgänger – schreiben Sie sich für Kunststofftechnik ein und werden zum Daniel Düsentrieb beziehungsweise Mac Gyver der Kunststoffbranche.