Portraitfoto Jochen Ochs

Jochen Ochs, Abteilungsleiter Anwendungstechnik Plastics bei Herrmann Ultraschlltechnik, im VDMA-Interview. (Bild: Herrmann Ultraschalltechnik)

Herr Ochs, können Rezyklate per Ultraschall verschweißt werden?
Jochen Ochs: Ob und wie gut sich 100-prozentige Rezyklate verschweißen lassen, hängt vom jeweiligen Material ab. Eine allgemeine Aussage ist schwierig, weil jedes Rezyklat anders ist und mehrfaches Aufschmelzen die Materialeigenschaften negativ beeinflussen kann. Wir haben für unser Labor aus einem Regranulat Probekörper fertigen lassen und festgestellt, dass wir damit eine sehr gute Schweißverbindung herstellen können. Grundsätzlich können wir also auch 100-prozentiges Rezyklat mit Ultraschall verschweißen.

Warum haben Sie diese Tests mit Kunststoffrezyklat gemacht?
Ochs: Wir wollten ein Gefühl dafür bekommen, was mit Ultraschall möglich ist. Wird das Ergebnis mit Rezyklat tatsächlich schlechter als mit Standardware? Müssen wir unsere Technik anpassen? Diese Fragen haben wir uns vorher gestellt. Wir gehen damit für unsere Kunden in Vorleistung. Bevor wir eine Kundenanfrage mit der Verwendung von Rezyklat erhalten, wollten wir wissen, womit wir es zu tun bekommen. Jetzt muss man sehen, wie sich der Markt entwickelt und welche Anfragen tatsächlich in Zukunft an uns gestellt werden. Vor zwei Jahren haben wir die Versuche, die wir jetzt mit Rezyklaten gemacht haben, schon mit Biokunststoffen gemacht. Aus demselben Grund: Wir wollen vorbereitet sein.

Kunststoffrecycling: Der große Überblick

Mann mit Kreislaufsymbol auf dem T-Shirt
(Bild: Bits and Splits - stock.adobe.com)

Sie wollen alles zum Thema Kunststoffrecycling wissen? Klar ist, Nachhaltigkeit hört nicht beim eigentlichen Produkt auf: Es gilt Produkte entsprechend ihrer Materialausprägung wiederzuverwerten und Kreisläufe zu schließen. Doch welche Verfahren beim Recycling von Kunststoffen sind überhaupt im Einsatz? Gibt es Grenzen bei der Wiederverwertung? Und was ist eigentlich Down- und Upcycling? Alles was man dazu wissen sollte, erfahren Sie hier.

Wie haben Sie das Rezyklat-Projekt aufgesetzt?
Ochs: Ziel war es, ein Standard-Polyamid einem Rezyklat-PA gegenüberzustellen. Zunächst einmal mussten wir dafür einen Anbieter finden, der uns das Regranulat besorgt. Das war schwierig, denn normalerweise haben wir es im Plastics Labor mit Standardware ja mit Standardkunststoffen zu tun. Wir haben schließlich einen Hersteller hochwertiger Kunststoffmahlgüter aus Baden-Württemberg ausfindig gemacht. Mit dessen Regranulat konnte unser Partner Barlog Probekörper fertigen, die wir unseren Standard-PA-Probekörper
gegenüberstellten. Anschließend haben wir eine statistische Versuchsplanung aufgesetzt, eine sogenannte DoE, mit 18 unterschiedlichen Parametergruppen. Diese haben wir dann in Zugproben getestet und gegenübergestellt.

Zu welchen Ergebnissen sind Sie gekommen?
Ochs: Wir haben nach jedem Schweißvorgang Schnittbilder erstellt. Anfangs hat sich gezeigt, dass das Rezyklat im Schnittbild eher schlechter aussieht. Man konnte eine Trennebene zwischen Ober- und Unterteil erkennen. Das Standardmaterial zeigte anfangs eine wesentlich homogenere Verschweißung, im Schnittbild sind dabei keine Trennebenen ersichtlich – das Bauteil sieht aus wie aus einem Guss. Durch Vorversuche haben wir einen Parametersatz gefunden, der für beide Materialien als Initialparameter passte. Für diesen Parametersatz haben wir dann eine DoE erstellt und mit verschiedenen Parameterkonfigurationen jeweils fünf Teile geschweißt. Zuletzt haben wir in der Zugprüfung für beide Materialarten vergleichbare Ergebnisse erhalten. Tatsächlich hatten wir damit gerechnet, dass das Rezyklat schlechtere Werte erzielt, sowohl im Schnittbild als auch in der Zugprüfung. Aber es gab einen Parametersatz, mit dem gleichwertig gute Ergebnisse erzielt werden konnten.

Wie wichtig ist es, dass man genau weiß, welches Kunststoffrezyklat man hat?
Ochs: Für uns ist es zunächst einmal wichtig, dass es sich um einen thermoplastischen Kunststoff handelt. Aus dem Datenblatt des Regranulats kann man einige Dinge herauslesen, etwa über mechanische und thermische Eigenschaften. Einen echten Indikator für die Qualität der Schweißbarkeit kann man im Datenblatt aber nicht finden. Das zeigt erst der Versuch. Das ist auch der Grund, warum es die Ultraschall-Labore gibt. Die Kunden kommen zu uns, um in Schweißversuchen die Prozesseigenschaften und das Erreichen ihrer Anforderungen zu prüfen. Es gibt natürlich viel Erfahrung durch die vielen Jahre Ultraschall im Haus, sodass wir vieles vorher gut einschätzen können. Aber bei der Verschweißbarkeit von Rezyklaten haben wir in unserem Plastics Labor Neuland betreten.

Die Way2K-Interviewreihe:

Hand mit Recyclingzeichen in der Hand
(Bild: Ourteam - stock.adobe.com)

Bis zur K-Messe 2022 sind es zwar noch einige Monate, nichtsdestotrotz können Sie die verbleibende Zeit investieren und einen Blick in die bisherigen Interviews aus der Way2K-Reihe des VDMA werfen. Hier gelangen Sie zur Übersicht.

Sie hatten Versuche mit Biokunststoffen angesprochen. Wie waren die Ergebnisse da?
Ochs: Wie beim Rezyklat auch wollten wir damals nicht abwarten, bis ein Kunde ein solches Projekt an uns heranträgt. Wir haben damals aus drei unterschiedlichen Biokunststoffen Probekörper herstellen lassen. Zwei waren Blends, also keine reinen Biokunststoffe, und ein Material bestand zu einhundert Prozent aus Biopolymeren. Bei den Versuchen kam heraus, dass die Blends den Standardkunststoffen recht nahe kamen. Der reine Biokunststoff hat hinsichtlich der Zugkräfte nur die Hälfte erreicht. Dennoch befanden sich diese in einem
Bereich, die für viele Anwendungsarten ausreichend sind.

Welchen Impact hätte es denn auf die Kreislaufwirtschaft, wenn man in Zukunft Rezyklate und Biokunststoffe in großem Stil bearbeiten könnte?
Ochs: Die bloße Tatsache, dass wiederverwertet wird, hat ja einen enormen Impact. Es muss ein Umdenken geben von der Wegwerfmentalität und Neufertigung, hin zur Wiederverwertung. Die Welt hat ihre jährlichen Ressourcen nach aktuell knapp sieben Monaten verbraucht. Mit einer deutlich höheren Recyclingquote ließe sich das ändern. Wenn wir vermehrt wiederverwerten oder gebraucht kaufen, kann man sich vorstellen, dass dies auch eine immense Auswirkung auf die Wirtschaft hat. Wir leben auf zu großem Fuß, das aktuelle Wirtschaftssystem basiert auf dem Prinzip take-make-waste und bringt unseren Planeten an die Belastungsgrenze. Die aktuelle Rohstoffknappheit zeigt ebenso eine gefährliche Abhängigkeit dieses Prinzips. Das Konzept der Kreislaufwirtschaft minimiert die Abhängigkeit von Rohstoffimporten, schont Ressourcen und ist eine deutliche Entlastung für die Umwelt. Die Industrie muss sich an diese Gegebenheiten anpassen, damit die Wirtschaftsleistung nicht nur erhalten bleibt, sondern sich das Einsparpotenzial der Kreislaufwirtschaft auch in einer höheren Rentabilität niederschlägt.

Quelle: VDMA

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