Die temporären Werksschließungen begannen Ende Januar 2020 wegen staatlicher Anordnungen in China. Dort konnte die Produktion ab Anfang März jedoch wieder sukzessive aufgenommen werden. Mitte März folgten dann Werksschließungen in den europäischen und amerikanischen Standorten aufgrund von Produktionsstopps der Kunden in diesen Regionen. Bedingt durch die eigenen Werksschließungen und Sonderbelastungen aus Währungskursen sank das EBIT (Ergebnis vor Zinsen und Steuern) im ersten Quartal auf -2,1 Millionen Euro (Vorjahresquartal: + 24,0 Millionen Euro). Die bereits eingeleiteten Gegenmaßnahmen zur Kostensenkung konnten die fehlenden Erlöse nicht kompensieren. Das um Währungseinflüsse in Höhe von 2,5 Millionen Euro bereinigte operative EBIT reduzierte sich auf 0,4 (Vorjahresquartal: 23,0) Millionen Euro.
„Die Covid-19-Pandemie hat die weltweite Fahrzeugindustrie und damit auch deren Zulieferer massiv getroffen. Als internationaler Partner der großen Premiumhersteller ist das Unternehmen Grammer eng in die globalen Lieferketten eingebunden und spürt den Nachfragerückgang unmittelbar“, erläutert der Vorstandsvorsitzende von Grammer, Thorsten Seehars, die Situation. „Trotz unserer sofortigen Maßnahmen und der konsequenten weiteren Umsetzung des Performance-Programms sowie der Einführung von Kurzarbeit an allen Standorten, war es nicht möglich, die Auswirkungen dieses starken Umsatzrückganges auf das Ergebnis der Gruppe zu kompensieren. Jedoch fühlen wir uns als neues Vorstandsteam bei der aktuellen Krise in unserer Entscheidung bestätigt, Grammer stärker regional aufzustellen und weitere organisatorische Entscheidungen umzusetzen, die unser Unternehmen schlanker und flexibler machen. Wir können dadurch derartige Marktsituationen zwar nicht verhindern, uns jedoch besser und schneller darauf einstellen. Erste positive Ergebnisse unserer neuen Langfriststrategie sehen wir auch im weltgrößten Automobil- und Nutzfahrzeugmarkt in China, wo unsere regionale Vertriebsorganisation aktuell in Verhandlungen mit verschiedenen Kunden zur Gewinnung von Marktanteilen ist.“
Beide Segmente mit Umsatzrückgängen
Vom Nachfrageeinbruch im ersten Quartal waren beide Geschäftssegmente von Grammer betroffen. Im Segment Automotive ging der Umsatz aufgrund der fast zweimonatigen Standortschließungen in China und den bereits seit dem 2. Halbjahr 2019 rückläufigen Fahrzeugmärkten um 14,3 Prozent auf 324,2 Millionen Euro zurück. Trotz der eingeleiteten Kostensenkungsmaßnahmen verringerte sich das operative EBIT im Segment auf -7,8 (Vorjahresquartal: +10,6) Millionen Euro.
Im Segment Commercial Vehicles sank der Umsatz um 15,5 Prozent auf 142,4 Millionen Euro. Neben den Werkschließungen in China und den Einschränkungen in Europa und der Region Americas wirkt sich in der Vergleichsrechnung der außergewöhnlich hohe Umsatz des Vorjahresquartals aus, da das erste Halbjahr 2019 insgesamt durch eine sehr hohe Nachfrage im Segment Commercial Vehicles gekennzeichnet war. Das operative EBIT lag bei 10,4 (Vorjahresquartal: 16,8) Millionen Euro.
Maßnahmen als Reaktion auf Covid-19-Pandemie
Als Reaktion auf die durch Covid-19 ausgelöste weltweite Krise hat Grammer frühzeitig mit umfangreichen Maßnahmen reagiert. Dabei konnte der Automobilzulieferer auch von den Erfahrungen seiner chinesischen Standorte profitieren, die bereits früher von den Einschränkungen betroffen waren. Zu den Maßnahmen gehören Vorsorge- und Sicherheitsmaßnahmen für die Mitarbeiter an allen Grammer-Standorten, der erhöhte Einsatz von mobilem Arbeiten, die Ausnutzung von
Arbeitszeitkontenmodellen, verstärkter Urlaubsabbau und die rasche Einführung von Kurzarbeit, die gemeinsam mit den Sozialpartnern zeitnah verabschiedet wurde. Zur Sicherung der finanziellen Situation setzt Grammer auf eine detaillierte Steuerung der weltweiten Cashflows sowie auch auf Eigenkapitalinstrumente wie beispielsweise einem Hybriddarlehen. Auto Parts Co., Ltd., einer Gesellschaft des Ningbo Jifeng Konzerns (dem Mehrheitsaktionär der Grammer AG), gewährt. Das Hybriddarlehen wurde auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und hat Eigenkapitalcharakter.
Neue Organisationsstruktur in der Grammer Gruppe
Um künftig noch schneller und flexibler auf sich wandelnde Kundenbedürfnisse zu reagieren sowie operative Entscheidungen direkt vor Ort treffen zu können, hat Grammer seine Organisationsstruktur in den letzten Monaten weiterentwickelt. Die Verantwortung für das operative Geschäft wird dezentral in den drei großen Regionen Americas, EMEA und China übernommen. Die verschiedenen Produktsegmente im PKW-Geschäft werden in einer Division Automotive zusammengeführt, die zusammen mit der Division Commercial Vehicles die Klammerfunktion zur Steuerung der weltweiten Kunden- und Produktstrategie übernimmt und die Koordination bei den weltweiten Projekten sicherstellt. Die Gruppenfunktionen unterstützen die Regionen und Divisionen in der Umsetzung der jeweiligen Strategien und stellen die Grundsätze der guten Unternehmensführung sowie effektive weltweite Geschäftsprozesse sicher. Die neue Organisationsstruktur wird seit dem 1. April 2020 schrittweise im ganzen Unternehmen umgesetzt.
Keine Prognose zum Gesamtjahr 2020 möglich
Nach China hat die Covid-19-Pandemie aktuell besonders Europa und den nordamerikanischen Kontinent erfasst. Während in China die Industrieproduktion inzwischen weitgehend zur Normalität zurückgekehrt ist, sind die beiden anderen Regionen derzeit von erheblichen Einschränkungen betroffen. Daher ist von einer weiteren massiven Belastung der Weltwirtschaft im zweiten Quartal 2020 auszugehen. Im Segment Automotive ist die Produktion in allen chinesischen Grammer-Werken wieder angelaufen und liegt etwa auf Vorkrisenniveau. Der Anlauf der LKW-Sitz-Produktion verlief nach den Shutdowns in den chinesischen Werken schneller als im Segment Automotive und gibt damit Hoffnung für umsatzstärkere Folgemonate. In Europa haben führende Automobilkonzerne angekündigt, dass sie ab Mai ihre Produktionen schrittweise wieder in Betrieb nehmen wollen. Die Wiederaufnahme hängt dabei von der Sicherstellung der Gesundheit von Arbeitnehmern und dem Zustand der Lieferketten sowie natürlich auch der erwarteten Nachfrage ab. Bereits mit der Presse-Information vom 30. März 2020 wurde die im Geschäftsbericht 2019 getroffene Prognose für das Geschäftsjahr 2020 ausgesetzt. Für den weiteren Verlauf des Geschäftsjahres 2020 ist angesichts der äußerst dynamischen Entwicklungen und den damit verbundenen Unsicherheiten im Rahmen der weltweiten Covid-19-Pandemie und deren wirtschaftlichen Auswirkungen eine Vorhersage aktuell nicht möglich.