Mit diesem Verfahren können die Kunststoffmoleküle aufgebrochen und in ein Gas umgewandelt werden, das Bausteine für neuen Kunststoff enthält. Medizinische Einwegartikel, die in der Regel aus verschiedenen Kunststoffen bestehen, können somit recycelt werden.
„Man kann es mit einem thermischen Vorschlaghammer vergleichen, der die Moleküle zerschlägt und gleichzeitig Bakterien und andere Mikroorganismen zerstört“, so Martin Seemann, außerordentlicher Professor an der Chalmers Division of Energy Technology.
Ihm zufolge bleiben dabei verschiedene Arten von Kohlenstoff- und Kohlenwasserstoffverbindungen übrig. Diese können abgetrennt und in der petrochemischen Industrie verwendet werden, um fossile Materialien zu ersetzen, die derzeit in der Produktion verwendet werden.
Parallele Testläufe mit positivem Ergebnis
Um die Technologie in der Praxis zu testen, haben die Forscher zwei verschiedene Projekte parallel in einer universitätseigenen Testanlage durchgeführt. Im ersten Projekt wurden verschiedene Produkttypen, darunter Gesichtsmasken und Plastikhandschuhe, dem Verfahren unterzogen.
Im zweiten Projekt wurde ein Gemisch erstellt, das die durchschnittliche Zusammensetzung von Krankenhausabfällen aus den Hospitälern der Region repräsentiert. Die Mischung enthielt etwa zehn verschiedene Kunststoffmaterialien sowie Zellulose. Die Ergebnisse waren der Chalmers University zufolge bei beiden Projekten durchweg positiv.
„Was diese Technologie so spannend macht, ist ihre Fähigkeit, die Umweltprobleme zu bewältigen, die wir mit medizinischen Einwegprodukten in Verbindung bringen. Das thermochemische Recycling löst nicht nur das Problem, dass medizinische Abfälle heute nicht recycelt werden, sondern ermöglicht auch die Rückgewinnung wertvoller Kohlenstoffatome“, befindet Judith González-Arias, die eines der Projekte leitete.
Ihr zufolge haben diese gezeigt, wie gemischte Kunststoffabfälle in Rohmaterial für neue Kunststoffprodukte von höchstmöglicher Qualität umgewandelt werden können. Beide Projekte bauen auf früheren Forschungsarbeiten der Universität auf.
Strenge Anforderungen im Gesundheitswesen
Laut Chalmers University sind viele Hersteller von Materialien für das Gesundheitswesen mittlerweile an einem Modell interessiert, bei dem die Produkte in einem geschlossenen Kreislauf recycelt und wiederverwendet werden können.
Materialien, die in sterilen Anwendungen im Gesundheitswesen eingesetzt werden, müssen jedoch strenge Anforderungen hinsichtlich Reinheit und Qualität erfüllen. Diese können durch Sortierung und mechanisches Recycling von Kunststoffen jedoch nicht gewährleistet werden.
„Die gleichen strengen Anforderungen an Reinheit und Qualität gelten im Grunde auch für Lebensmittelverpackungen. Aus diesem Grund wird der Großteil des aus Verpackungen gesammelten Kunststoffs heute verbrannt oder zu etwas recycelt, für das eine geringere Qualität zulässig ist“, erklärt Seemann.
Regulierung als Anreiz?
Um die Methode im großen Stil zu verwirklichen, müssen laut Chalmers University neue Materialströme und funktionierende Geschäftsmodelle in Zusammenarbeit zwischen dem Gesundheitswesen und dem Recyclingsektor entwickelt werden.
Zudem regt das Forschungs-Team der Universität legislative Maßnahmen an. „Regularien zur CO₂-Abscheidung beim Verbrennen von Plastik würden Anreize schaffen, in energieeffizientere alternative Technologien wie die unsere zu investieren“, so Seemann.
In vielen Ländern sind die technischen Voraussetzungen für das Recycling von medizinischen Abfällen und anderen gemischten Kunststoffabfällen durch Steamcracking gegeben, allerdings variieren die Vorschriften, strukturellen Bedingungen und Mengen.
Dies erschwert eine global funktionierende Wertschöpfungskette, für die Akteure der Abfallwirtschaft, der chemischen Industrie und der Produktherstellung koordiniert zusammenarbeiten müssen.
In Schweden beispielsweise besteht seitens der Industrie ein großes Interesse an Recycling, jedoch erzeugen Einwegartikel aus dem Gesundheitswesen nicht genügend Abfallvolumen für ein funktionierendes Kreislaufwirtschaftsmodell. Rund 4.000 t solcher Kunststoffe wurden 2019 in dem skandinavischen Land auf den Markt gebracht.
„Um eine Anlage in der für ein rentables thermochemisches Recycling erforderlichen Größe zu bauen, müsste man vor der Inbetriebnahme einen Materialfluss von rund 100.000 t jährlich sicherstellen“, so González-Arias.