Dezember 2012

Der Unternehmensbereich Hubschrauber des früheren Luft- und Raumfahrtkonzerns Messerschmitt-Bölkow-Blohm fertigte bereits in den 60er Jahren Rotorblätter aus glasfaserverstärktem Kunststoff. Mit dem modernen Verbundwerkstoff mit Epoxidharzmatrix konnten die Konstrukteure damals erstmals Schlag- und Schwenkgelenke unmittelbar in den biege- und torsionselastischen Hals des Rotorblatts integrieren. Bei späteren Hubschrauber-Typen kam noch ein Dreh-Strukturgelenk hinzu. Die neue Bauweise brachte zwei wichtige Vorteile mit sich: Gewichts- und Kostenreduzierung. Damit ließen sich die konstruktiv sehr aufwändigen, bis dahin ausschließlich verwendeten Titan-Rotorköpfe mit diskreten Gelenken ersetzen.

Neue Werkstoffe – neue Qualitätsmethoden

Faserverbünde haben besondere zu prüfende Merkmale. Die wichtigsten sind die Welligkeit der Faserstränge, die Faser-Volumen-Verteilungen und Harzkonzentrationen, Delaminationen sowie Lufteinschlüsse. Bei unzulässigen Faserwelligkeiten bleiben die Fasern bei der Kraftübertragung weitgehend außen vor, die Harzmatrix muss einen Großteil der Belastung aufnehmen. Ein Matrixbruch kann die Folge sein. „Bei den ersten Rotorblättern aus Faserverbundwerkstoff war die zerstörende Prüfung der Baumuster die einzige Möglichkeit um festzustellen, ob konstruktive Auslegung und Fertigungsprozess optimal aufeinander abgestimmt waren“, blickt Reinhold Oster, Komponentenprüfung bei Eurocopter, zurück. Heute ist die Computertomographie (CT) die wichtigste Prüfmethode. Die Entwicklungszeiten und -kosten reduzieren sich dadurch, denn das Zerstören zahlreicher teurer Baumuster wird überflüssig.

Von der qualitativen zur quantitativen Bewertung

Ganz ohne zerstörende Prüfungen kommen die Hubschrauberspezialisten allerdings nicht aus. Belastungsversuche sind schon aufgrund der strengen Zulassungsvorschriften zwingend. Neuteile werden gescannt, bevor sie Lebensdauerversuchen ausgesetzt werden. Das Überprüfen der Teile findet sowohl währenddessen als auch danach statt. „Die enge Verknüpfung von zerstörender und nichtzerstörender Prüfung hilft uns, die Ergebnisse der CT-Prüfung genauer zu beurteilen“, erklärt Oster und sagt weiter: „Wir wollten von der qualitativen Bewertung der Bauteile zu einer quantitativen kommen.“

Dazu war es neben einer Optimierung der Anlagenperformance hinsichtlich Scangeschwindigkeit und Kontrastfähigkeit notwendig, die Analysesoftware VGStudio Max des Heidelberger Softwareherstellers Volume Graphics weiter zu entwickeln. Die Faserverteilung und -ausrichtung ist entscheidend, ob ein Rotorblatt aus Verbundmaterial den mechanischen Anforderungen genügt. Weicht die Faserrichtung lokal von der Sollrichtung ab, kann es zu einer merklichen Veränderung des Elastizitäts- oder Schubmoduls kommen. Aber die Bestimmung der lokalen Faserrichtung ist nur eine Untersuchungsvariante. Während eines gemeinsamen Entwicklungsprojekts entstand ein Modul für Soll-Ist-Vergleiche von Fasercharakteristiken. Dieses funktioniert ähnlich wie die bekannten Soll-Ist-Vergleiche mit CAD-Modellen. Bei CAD-Soll-Ist-Vergleichen geht es um Distanzen, hier geht es um beliebige strukturelle Merkmale. Neben Faserorientierungen können auch Volumenanteile von Fasern und Harz oder Porositäten verschiedener Bauteile verglichen werden.

Um solche Vergleiche durchzuführen, selektieren die Entwicklungsingenieure bei Eurocopter eine bestimmte Anzahl CT-Scans von Gutbauteilen. Die Software erzeugt davon ein statistisches Mittel, also ein virtuelles Masterteil. Dieses Masterteil repräsentiert den Sollzustand für weitere Untersuchungen. Die Software berücksichtigt aber nicht nur Mittelwerte, das wäre, obwohl komplex genug, zu einfach. Es gibt fast immer unkritische Bauteilbereiche. Dort finden sich besonders große Streuungen. In wichtigen Bauteilbereichen hingegen sind diese Streuungen gering. Indem die Software auch das Spektrum dieser Abweichungen erfasst, kann sie wichtige Bereiche von weniger wichtigen unterscheiden.

Nach Aussage der Heidelberger Entwickler ist diese Art Intelligenz der Software ein wichtiger Aspekt für künftige Inline-Szenarien, um Bauteile innerhalb einer Produktionskette vollautomatisch zu prüfen.
Im Labor des Hubschrauberherstellers gehören diese Funktionalitäten bereits zum Analysealltag: „Wir haben die CT-basierte Faserorientierungs-analyse inzwischen validiert“, erklärt Oster. Alle möglichen Fehler lassen sich mit ausreichender statistischer
Sicherheit erkennen und manuelle Analysen können jetzt automatisiert werden.

 

 

„Wir haben die CT-basierte Faserorientierungsanalyse inzwischen validiert.“

Reinhold Oster, Komponentenerprobung bei Eurocopter Deutschland

 

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