Nur weil eine Maschine laut Datenblatt weniger Energie verbraucht, heißt das noch lange nicht, dass sich das auch in einem sinkenden Energiebedarf der Produktion niederschlägt. Das machte Michael Tolz klar, Niederlassungsleiter Nürnberg von Wittmann Robot Systeme und Hausherr des Energieforums. Denn Energie kann nur bei Bewegungen gespart werden, nicht im Stillstand. Umso größer der Plattenbewegungsanteil einer Spritzgießmaschine am Gesamtzyklus also ist, umso sinnvoller ist der Einsatz einer elektrischen Spritzgießmaschine. „Darum muss man sich jede Anwendung genau ansehen und abwägen. Was nützt zum Beispiel ein sparsamer elektrischer Antrieb, wenn er fast nie aktiv ist, weil die Zykluszeiten so lang sind?“ fragt Tolz. Auch die Amortisationszeit ist ein wichtiger Aspekt. „Es kann bei unseren im Vortrag gezeigten Anwendungen bis zu zehn Jahre dauern, um den Mehrpreis der elektrischen gegenüber der servohydraulischen Spritzgießmaschine auszugleichen. Ob sich dieser Invest dann rechnet oder der Griff zur Servohydraulik sinnvoller ist, hängt vom Anwendungsfall ab“, fügt Tolz hinzu. Ist das Projekt bis dahin abgeschlossen, läuft ein neues auf der Maschine – dessen Parameter beim Maschinenkauf natürlich noch nicht bekannt waren. Für dieses eignet sich die vermeintlich sparsame Maschine vielleicht gar nicht, wodurch die Bauteilkosten explodieren. Energieeinsparungen führen eben nicht unbedingt zu einer effizienteren Produktion – sie können auch das Gegenteil bewirken.
Diese Einsicht schlägt sich sich auch in der Einkaufspolitik der Verarbeiter nieder. „Immer mehr Firmen fragen inzwischen nicht mehr nach reinen Investkosten, sondern nach den Kosten über die gesamten Betriebsdauer der Anlage. Damit spielen Energieverbräuche einer immer größere Rolle bei unseren Maschinen“, erläutert Tolz. Allerdings muss man dabei einerseits, wie oben erwähnt, darauf achten, Energie einzusparen, ohne auf der anderen Seite den Prozess zu stören. Andererseits geht es auch um die Verhältnismäßigkeit. Während auf eine hydraulische Maschine allein bis zu 60 Prozent der maschinenseitg verbrauchten Energie entfällt, verbrauchen „zehn Roboter der W818-Klasse zusammen soviel Energie wie ein Bügeleisen“, wie Tolz anschaulich erläutert. Aus dem Roboter noch das letzte Quentchen an Energieeffizienz rauszuquteschen, trägt daher kaum zu einer insgesamt energieeffizienteren Produktion bei. Stattdessen förderten die Referenten zahlreiche Ansatzpunkte zutage, wo sich ohne Investitionen und mit relativ wenig Aufwand Energie einsparen lässt.
Energiesparen ohne Investition
So sprach Dieter Kremer, zuständig für Anwendungs- und Verfahrenstechnik bei Wittmann Battenfeld, Meinerzhagen, viele Energiesparkonzepte an, von den Werkzeugen, die sich isolieren lassen, über effizientere Peripheriegeräte und optimal konfiguierte und damit hocheffiziente servohydraulische Spritzgießmaschinen. Aber auch scheinbar nebensächliche Aspekte kamen zur Sprache: Druckluft beispielsweise. Statt nach jedem Kilowatt bei Spritzgießmaschine, Robotern oder Peripherie zu suchen, plädiert Kremer dafür, auf Lecks im Druckluftsystem zu achten. „Holen Sie sich einen, der an einem Sonntag durch den Betrieb geht (, wenn die Maschinen stehen und keinen Lärm verursachen) und mit einem Kabelbinder oder roten Fähnchen die Lecks markiert. Unter der Woche können Sie die dann sukzessive abstellen“, rät Kremer seinen Zuhörern. 30 bis 40 Prozent der Energie für die Drucklufterzeugung lassen sich so sparen, davon ist Kremer überzeugt. Solche Beispiele nannte er viele, mit denen sich viel Energie einsparen lässt, ohne ein neues Gerät zu kaufen. Einfach durch Änderungen in der Anlageneinstellung (Stichwort Winterschaltung), Änderungen der Abläufe und durch Anreize für die Mitarbeiter, den Energieverbrauch zu senken.
Zdravko Gavran, Wittmann Kunststoffgeräte, Wien, Österreich, knüpfte daran an und zeigte Möglichkeiten, wie sich bei der Werkzeugtemperierung neben dem Energieverbrauch auch die Aufheizdauer senken lässt. Unter anderem eignen sich Werkzeugeinsätze dafür, die Kavitäten thermisch von den Aufspannplatten der Spritzgießmaschine zu trennen. Bei einem Versuch in Zusammenarbeit mit dem Konstruktionsbüro Hein, Neustadt am Rübenberge, halbierte sich auf diese Weise die zu erwärmende Stahlmasse. Dadurch halbiert sich bei gleicher Aufheizdauer die erforderliche Heizleistung. Vorausgesetzt, es gelingt, die zu erwärmende Stahlmasse auch innerhalb des Werkzeugs zu isolieren, lässt sich die Aufheizdauer darüber hinaus um 30 Prozent verringern.
Nach den Vorträgen hatten die Anwesenden noch Gelegenheit, drei Maschinen in Aktion zu sehen. Darunter die vollelektrische Spritzgießmaschine Ecopower 35/130, die in einer Zykluszeit von 18.9 Sekunden und einem Schussgewicht von 4 Gramm vier Einkaufswagen-Chips pro Schuss herstellte. Eine weitere Ecopower, diesmal das Modell 110/350 mit Unilog B6S-Steuerung, produzierte weiße, rechteckige Behälter. Ein W-818-Roboter stapelte sie auf das Förderband. Daneben stand eine servohydraulische Smartpower 120/350 mit Unilog B6P-Steuerung, die ein Rialto-Glas aus Polycarbonat (PC) innerhalb von 66 Sekunden herstellte. Sie war damit ein Beispiel, bei dem sich die Mehrinvestition für eine vollelektrische Maschine erst nach über zehn Jahren rechnen würde.
Mit der Vorveranstaltung am 24. Juni 2015 in Meinerzhagen kamen 140 Kunden zum Energieforum von Wittmann Battenfeld. Zu jedem Forum kam dabei je die Hälfte. Während der Voträge wurde so manchem Besucher ersteinmal bewusst, wie viel Energie ein Trockner oder die Werkzeugtemperierung tatsächlich verbrauchen. Entsprechend waren der Anklang und die späteren Gespräche laut Veranstalter durchweg positiv.
(dl)