Plastik-Männchen sitzt auf Geldstücken

Welche Auswirkungen haben die hohen Energiepreise auf die Wirtschaftsleistung? Wie Entwickelt sich die Inflationsrate? Zahlen und Fakten. (Bild: Mathieu Stern - Unsplash.com)

Welche Auswirkungen hat der Krieg in der Ukraine auf die Wirtschaft? Treiben hohe Energiekosten diese in die Rezession? Neue Zahlen zeigen jedenfalls einen beunruhigenden Trend. Eine Prognose des Ifo Instituts für das deutsche Wirtschaftswachstum zeig: Im kommenden Jahr wird ein Schrumpfen der Wirtschaftsleistung um 0,3 % erwartet, für dieses Jahr sind es 1,6 % Wachstum. Die Geldentwertung dürfte demnach in diesem Jahr bei durchschnittlich 8,1 und im kommenden Jahr sogar bei 9,3 % liegen.

Mit den drastischen Worten: „Wir gehen in eine Winter-Rezession“, kommentiert beispielsweise Timo Wollmershäuser, der Leiter der Ifo-Konjunktur-Prognosen die Zahlen.

Laut Herbstprognose des IFW Kiel dürfte das BIP im laufenden Jahr noch um 1,4 % zulegen. Das sind 0,7 Punkte weniger als in der Sommerprognose erwartet. Für das nächste Jahr wird die Prognose gar um 4 Prozentpunkte nach unten korrigiert. Statt einem kräftigen Plus hat die deutsche Wirtschaft dem IFW Kiel zufolge ein Minus von 0,7 % zu erwarten. Die Teuerung dürfte im nächsten Jahr bei 8,7 % noch stärker ausfallen als dieses Jahr mit 8 %.

Wie Gas- und Strompreise Haushalte belasten

Und auch das Ifo Institut senkt im Vergleich zum Juni seine Wachstumsprognose für 2023 deutlich um 4 Prozentpunkte und erhöht die Inflationsprognose gleichzeitig um 6 Prozentpunkte

„Das sind ungewöhnlich hohe Änderungen in einem so kurzen Zeitraum“, so Wollmershäuser. Die Energieversorger passten dem Institut zufolge vor allem zu Jahresbeginn 2023 ihre Strom- und Gaspreise spürbar an die hohen Beschaffungskosten an. Das werde die Inflationsrate im ersten Vierteljahr sogar auf etwa 11 % hochtreiben. Damit gingen die realen Haushaltseinkommen kräftig zurück und die Kaufkraft sinke spürbar. Das dritte Entlastungspaket der Regierung dürfte diesem Rückgang zwar etwas entgegenwirken, ihn aber bei weitem nicht ausgleichen.

„Mit den hohen Importpreisen für Energie rollt eine konjunkturelle Lawine auf Deutschland zu. Vor allem energieintensive Produktionen und konsumnahe Wirtschaftsbereiche werden mit Wucht getroffen“, prognostiziert Stefan Kooths, Vizepräsident und Konjunkturchef des IFW Kiel, die neuen Prognosen.

Wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland 2022
(Bild: IFW Kiel)

Wie stark belasten die Energieimporte die Wirtschaftskraft?

Die deutsche Energieimportrechnung steigt voraussichtlich um 123 Mrd. Euro in diesem Jahr und um weitere 136 Mrd. Euro im nächsten Jahr. Das Geld fehlt im Inland für Konsum und schmälert die Rentabilität energieintensiver Unternehmen. In der Folge sinkt Deutschlands Wirtschaftskraft erheblich und liegt im nächsten Jahr 130 Mrd. Euro niedriger als bislang vom IFW Kiel erwartet.

„Die Energiekrise macht einer sonst zu erwartenden kräftigen postpandemischen Erholung einen Strich durch die Rechnung. Die teuren Energieimporte bedeuten, dass Deutschland nun einen weitaus größeren Teil seines erwirtschafteten Einkommens ins Ausland überweisen muss als bislang. Deutschland wird dadurch insgesamt ärmer. Mit seinen Entlastungspaketen kann der Staat die Lasten daher nur umverteilen, aus der Welt schaffen kann er sie nicht“, kommentiert Kooths.

Wie entwickeln sich Inflationsrate und reale Einkommen?

Wirtschaftsprognosedaten vom Ifo Institut
(Bild: Ifo Institut)

Die Wertschöpfung in Deutschland dürfte nun bis in das kommende Jahr hinein rückläufig sein und erst im dritten Quartal 2023 wieder leicht ins Plus drehen. Für 2024 erwartet das IfW Kiel dann einen Zuwachs des BIP um 1,7 %.

Die Teuerung in Deutschland dürfte noch weiter zunehmen, weil sich die hohen Energiepreise erst sukzessive in den Endverbrauchertarifen beziehungsweise auch bei Waren und Dienstleistungen niederschlagen. Die Inflationsrate dürfte lauf IFW im laufenden Jahr bei 8 % und im nächsten Jahr bei 8,7 % liegen. Erst 2024 wird mit einer Entspannung gerechnet.

Die real verfügbaren Einkommen sinken so stark wie noch nie im wiedervereinigten Deutschland und dürften 2023 um 4,1 % zurückgehen, nach einem Minus von 0,4 % im laufenden Jahr. Bereits im Jahr 2021 waren sie um 0,9 % gesunken. Erst im Jahr 2024 steigen sie wohl wieder.

Der private Konsum dürfte nach einem Anstieg von rund 4 % im laufenden um 2,1 % im Jahr 2023 sinken.

Welche Folgen hat das alles auf den Arbeitsmarkt?

Die Rezession, aber auch die Mindestlohnerhöhung auf 12 Euro, führen dazu, dass der Beschäftigungsaufbau in den kommenden Monaten weiter an Fahrt verlieren dürfte. Im nächsten Jahr erreicht die Erwerbstätigkeit mit 45,6 Mio Beschäftigen demografiebedingt ihren Zenit, wie das IFW bekanntgab. Fortan verlassen mehr Menschen den Arbeitsmarkt, als neue hinzukommen. Die Arbeitslosenquote dürfte von 5,3 % (2022) auf 5,6 % (2023) steigen und dann leicht auf 5,5 % (2024) zurückgehen.

Das Ifo Institut belegt den Arbeitsmarkt mit folgenden Daten: So würden schwere Auswirkungen darauf nicht erwartet. Der Beschäftigungsaufbau werde sich demzufolge nur vorübergehend verlangsamen. Der Anstieg der Arbeitslosen um gut 50.000 Personen im kommenden Jahr gehe vor allem auf den sprunghaften Anstieg der arbeitslosen ukrainischen Staatsbürger im Sommer 2022 zurück, die nur allmählich in den Arbeitsmarkt integriert würden.

Kann die Schuldenbremse eingehalten werden?

Trotz erheblicher Mehrausgaben zum Abfedern der hohen Energiepreise wird sich der Finanzierungssaldo des Staates voraussichtlich kaum verschlechtern, da der hohe Preisauftrieb auch für hohe Steuereinnahmen sorgt. Er steigt von 1,7 % im laufenden Jahr auf etwas mehr als 2 % in den beiden kommenden Jahren. Der Bund kann dabei auf hohe Rücklagen zurückgreifen und wird etwa durch das jüngste Entlastungspaket nur im unteren zweistelligen Milliardenbereich zusätzlich belastet.

Damit ist der Haushalt im kommenden Jahr wohl konform mit der Schuldenbremse. 2024 allerdings, wenn nach ihren Regeln durch den Aufschwung die Möglichkeit der Nettokreditaufnahme stark eingeschränkt wird, dürfte die Einhaltung schwieriger werden.

„Auch wenn das jüngste Maßnahmenpaket Zielgenauigkeit vermissen lässt, ist es grundsätzlich richtig, einkommensschwachen Haushalten unter die Arme zu greifen. Das Schnüren immer neuer Hilfspakete ist aber kein Ersatz für eine strategische Neuausrichtung der Energiepolitik. Die Bundesregierung muss jetzt schnell Klarheit über die langfristige Energieversorgung schaffen. Davon hängt ab, welcher Energiepreisanstieg dauerhaft ins Haus steht und was temporär bleibt. Und nur letzteres sollte finanzpolitisch geglättet werden“, sagt Kooths.

Wie entwickelt sich der Euroraum und darüber hinaus?

Wirtschafsleistung BIP in Deutschland
(Bild: IFW Kiel)

Auch der Euroraum driftet in eine Rezession mit rückläufigen Raten für die Wirtschaftsleistung im laufenden und in den kommenden Quartalen, so das IFW. Das BIP dürfte 2022 um 2,8 % zulegen und 2023 nahezu stagnieren, 2024 dann moderat um 1,6 % zulegen.

Die Euroraum-Inflation steigt im laufenden Jahr voraussichtlich auf 8,1 % und ist damit so hoch wie nie zuvor seit Bestehen der Währungsunion. 2023 wird die Teuerungsrate mit 7,2 % wohl nur wenig sinken und erst 2024 wieder moderater ausfallen.

Die Aussichten für die Weltkonjunktur haben sich den Marktexperten zufolge ebenfalls deutlich eingetrübt. Die Weltwirtschaft dürfte dieses Jahr nur noch um 2,9 % und nächstes Jahr um 2,2 % zulegen. Ein Grund ist auch, dass Chinas Wirtschaft aufgrund der strikten Null-Covid-Politik und Problemen im Immobiliensektor schwächelt.

Quelle: Ifo Institut, IFW Kiel

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