
Michael Baumeister, Geschäftsführer Technik & Logistik bei Brückner Maschinenbau, im VDMA-Interview. (Bild: Ourteam - stock.adobe.com)

Herr Baumeister, Bevölkerungswachstum, Urbanisierung, die mobile Transformation und vor allem Klimaschutz sind die Megatrends unserer Zeit. Passt Kunststoff zu diesen Themen?
Michael Baumeister: Wir bei Brückner sind davon überzeugt, dass wir Kunststoffprodukte für die Bewältigung dieser Megatrends zwingend brauchen. Wenn wir eine wachsende Bevölkerung mit Lebensmitteln versorgen wollen, geht das nicht ohne Kunststofffolien in den Verpackungen. Sie sorgen dafür, dass Lebensmittel hygienisch sind und länger haltbar. Wenn wir die Energieversorgung auf erneuerbare Energien umstellen, brauchen wir Kunststoff zum Beispiel für Solarpanele ebenso wie für Windräder. Wenn wir Elektromobilität überall einführen, brauchen wir etwa Membranfolien für Lithium-Ionen-Akkus oder Kondensatorfolien, die es ermöglichen, dass Batterien schneller geladen werden können. Der Einsatz von Kunststoff kann unter Berücksichtigung des gesamtökologischen Fußabdrucks dazu beitragen, den Klimawandel, das größte Problem unserer Zeit, aufzuhalten.
Welchen Beitrag kann Brückner leisten?
Baumeister: Unsere Kunden liefern derartige Folien von unseren Anlagen in alle diese Anwendungsbereiche und leisten daher schon heute einen großen Beitrag. Gleichzeitig machen wir nicht so weiter wie gehabt. In der Vergangenheit haben wir uns auf Effizienz konzentriert, um mit minimalem Einsatz an Rohstoffen den bestmöglichen Schutz etwa bei Verpackungen zu erreichen. Kunststoff hat auch immer etwas mit Hightech Leichtbauprodukten zu tun. Das Ergebnis war die Multi-Layer-Folie aus verschiedenen Kunststoffen mit optimierten Funktionen. Aber jetzt geht es darum, die Folie wieder in den Kreislauf zurückzubringen und deshalb entwickeln wir Verfahren, wie man diese verschiedenen Lagen aus einem Kunststofftyp herstellen kann, sogenannte Mono-Material-Strukturen, damit sie später recycelt werden können. Wir haben uns zum Green Deal der EU bekannt und sehen das Ziel einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft als eine große Triebfeder für Innovation.

Aber Brückner ist doch ein Maschinenhersteller für diese Folien, kein Hersteller.
Baumeister: Stimmt, aber wir sehen uns die Endverpackungen genau an und überlegen, wie man Verbunde so aufbauen kann, dass sie in einen Kreislauf zurückgeführt werden können. Und natürlich, wie die dafür benötigten Folien auf unseren Anlagen optimal hergestellt werden können. Immer noch verschiedene Lagen, aber mit unterschiedlichen Eigenschaften – aus einem Rohstoff. Wir arbeiten dabei eng mit den Rohstoffherstellern zusammen. Die kommen mit ihrem Material in unser Technologiezentrum und wir sehen gemeinsam, wie es sich verarbeiten lässt, wie wir unsere Maschinen anpassen müssen. Das ist gemeinsame Grundlagenforschung, damit am Ende diese neuen Folien und Verpackungen weltweit zur Verfügung stehen.
Wie sieht es mit Bio-Kunststoffen aus?
Baumeister: Das machen wir auch und da sind wir auch mit Herstellern in Kontakt. Aber in diesem Bereich gibt es heute noch keine hinreichenden Mengen und deshalb sind diese biobasierten Rohstoffe auch noch zu teuer. Es ist auch so, dass diese Rohstoffe andere Eigenschaften als ölbasierte Kunststoffe haben und es für sie noch gar keine eigenen Recyclingströme gibt. Sie sind aus all diesen Gründen nicht ohne weiteres einsetzbar. Daher muss man sehr genau prüfen, für welche Verpackungen eine Folie aus Biomaterial wirklich geeignet ist.
Es gibt auch die Diskussion, Kunststoffe aus CO2 zu gewinnen. Was halten Sie davon?
Baumeister: Diese Diskussionen gibt es. Aber nach unserer Einschätzung ist der Engpass hier nicht die mangelnde Verfügbarkeit, sondern der hohe Energiebedarf. Wenn es möglich wäre, diese Energie komplett aus Erneuerbaren zu gewinnen, dann wäre die Kunststoffgewinnung aus CO2 ein großer Sprung nach vorne. Das ist ähnlich wie beim chemischen Recycling, wo auch viel Energie benötigt wird. Trotzdem muss man schon jetzt an diesen Technologien arbeiten, damit man darauf umschwenken kann, wenn genug grüne Energie zur Verfügung steht.
Die Way2K-Interviewreihe:

Bis zur K-Messe 2022 sind es zwar noch einige Monate, nichtsdestotrotz können Sie die verbleibende Zeit investieren und einen Blick in die bisherigen Interviews aus der Way2K-Reihe des VDMA werfen. Hier gelangen Sie zur Übersicht.
Wie sieht die Zukunft der Verpackungsfolie aus?
Baumeister: Nicht überall auf der Welt haben die Menschen den Luxus, Lebensmittel in geordneten Kühlketten transportieren und dann in Bio-Läden unverpackt einkaufen zu können. In Mega-Cities geht das nicht, auch in warmen Regionen mit einer hohen Luftfeuchtigkeit verderben ohne gute Verpackung zu viele Lebensmittel auf dem Weg vom Produzenten zum Verbraucher. Kunststoffverpackungen werden also weiterhin gebraucht. Man kann auch nicht alle Verpackungen aus alternativen Materialien herstellen. Dann wäre der ökologische Fußabdruck in vielen Fällen schlechter als der von Kunststoff, der später wieder recycelt wird. Das Problem ist vielmehr, dass noch viel zu viel Kunststoffverpackung auf Mülldeponien landet oder bestenfalls verbrannt wird und noch viel zu wenig recycelt wird.
Brückner hat die Initiative „Yes We Care“ ins Leben gerufen. Was macht die?
Baumeister: Wir wollen damit für mehr Transparenz in der Diskussion um Kunststoffe und dessen Vor- und Nachteile sorgen. Zum einen für unsere Mitarbeiter. Wir wollen ihnen Argumente für unseren Werkstoff an die Hand geben, damit sie in Diskussionen, in der Familie, in ihrer Nachbarschaft etwas gegen das Kunststoff-Bashing vorbringen können. Aber wir gehen auch als Firma auf unsere Nachbarn zu, auf Bürgermeister, Parteien und andere Interessierte. Und vor Corona waren regelmäßig Studenten, Schulklassen und sogar Kindergartengruppen bei uns zu Gast, um sich zu informieren und zu diskutieren. Viele gehen danach mit einem anderen Blick auf Kunststoff nach Hause.

Bildergalerie: Das zweite Leben einer PET-Flasche

Als erster Reifenhersteller führt Continental recyceltes Polyestergarn in die Serienproduktion von Pkw-Reifen ein. Das Garn wird mit einem neuen Verfahren aus PET-Kunststoffflaschen gewonnen. Der Werkstoff wird im ersten Schritt in ausgewählten Dimensionen von Sommerreifen sowie in Ganzjahresreifen eingesetzt. So wird das herkömmlich verwendete Polyester in der Karkasse der Reifen vollständig ersetzt. Bei einem Satz Standard-Pkw Reifen kommen rund 40 recycelte PET-Flaschen zum Einsatz. Der Reifenhersteller hatte die eigens entwickelte Contire.Tex-Technologie im September 2021 erstmals vorgestellt. Mit ihr kommt Polyestergarn zum Einsatz, das ohne jegliche chemische Zwischenschritte aus gebrauchten PET-Flaschen gewonnen wird, die nicht anderweitig wiederverwertet werden. (Bild: Continental)

In der vierten Generation des Audi A3 setzt der Automobilhersteller Audi erstmals auf Sitzbezüge aus Sekundärrohstoffen. Bis zu 89 % des verwendeten Textils bestehen dem Hersteller zufolge aus recycelten PET-Flaschen, die zu Garn verarbeitet werden. Die Stoffe sollen dabei sowohl optisch als auch haptisch die gleichen Qualitätsstandards wie klassische Textilbezüge gewährleisten. Insgesamt werden pro Sitzanlage bis zu 45 PET-Flaschen à 1,5 Liter verwertet. Hinzu kommen weitere 62 PET-Flaschen, die für den Teppich im Fahrzeug recycelt wurden. Auch weitere Komponenten des Interieurs bestehen vermehrt aus Sekundärrohstoffen, so zum Beispiel Dämmstoffe und Dämpfungsbauteile, die Seitenverkleidung des Kofferraums, der Ladeboden und die Einlegematten. Die Sitzbezüge sind jedoch noch nicht voll und ganz aus recyclingfähigem Material gefertigt (Bild: Audi)

Die Fristads Green High Visibility-Kollektion wird aus Bio-Baumwolle und Polyester aus recycelten PET-Flaschen hergestellt. Sie besteht aus einer breiten Palette von Kleidungsstücken, die es Berufstätigen in den Bereichen Straßenbau, Bauwesen, Transport und Logistik ermöglichen, sich von Kopf bis Fuß in hoch sichtbarer Kleidung mit geringerer Umweltbelastung zu kleiden - ohne dabei Kompromisse bei Sicherheit und Qualität einzugehen. Mit nachhaltigem 4-Wege-Stretch und Rippstrick-Einsätzen an der Taille bieten diese Kleidungsstücke viel Komfort bei geringerer Umweltbelastung als normale Warnschutzkleidung. (Bild: Fristads)

Bei der Aquis Date Upcycle handelt es sich um eine Version einer bereits erhältlichen Taucheruhr von Oris mit einem farbenfrohen Zifferblatt aus rezyklierten PET-Kunststoff, der aus aus dem Meer gesammelten PET-Flaschen stammt. Jede Uhr der Sonderedition ist ein Unikat, da das Recylingverfahren zufällige Muster erzeugt und darum keine zwei Zifferblätter gleich sind. (Bild: Oris)

Gemeinsam mit Amut hat Erema die erste Extrusionsanlage für lebensmitteltaugliche PET-Folien in Albany, Neuseeland, für Alto Plastic Packaging in Betrieb genommen. Zum Einsatz kommt hier Eremas Vacurema PET-Recyclingtechnologie, kombiniert mit der Amut Inline Sheet Produktionstechnologie. Die Schmelze kommt direkt von der Vacurema 1716 T Basic ohne den Umweg über die Granulierung in die Amut-Anlage. Das Post-Consumer-PET-Material wird or der Extrusion im Vakuumreaktor der Erema-Anlage dekontaminiert und vorgetrocknet, bei einem Durchsatz von bis zu 1.500 kg pro Stunde. Nach der Hochleistungsfiltration durch einen Erema SW-RTF Rückspülfilter und eine Online-IV-Messung gelangt die Schmelze direkt in die Inline Sheet Anlage von Amut. Dort wird sie zu einschichtigen rPET-Tiefziehfolien von 0,15 bis 1,2 mm Dicke verarbeitet. Die Folien sind nicht nur 100 % lebensmittelkonform, sie erfüllen auch die Vorschriften der FDA für Lebensmitteltauglichkeit. Die rPET-Tiefziehfolien werden dann zu Schalen und Lebensmittelbehältern weiterverarbeitet. (Bild: Erema)

Der Türkische Garnproduzent Korteks mit Sitz in Bursa stellt seit Mai 2021 auf einer Starlinger Recyclinganlage Polyesterfilamentgarne aus Recyclingmaterial her. Die Anlage hat eine Produktionskapazität von 7.200 t/a und verarbeitet sauberen Produktionsabfall des Garnherstellers und gewaschene Post-Consumer PET-Flaschenflakes im Verhältnis 1:1. Die hergestellten Garne werden in vielen Bereichen eingesetzt, zum Beispiel für Heimtextilien, Bekleidung, Textilien für den Kraftfahrzeugbereich oder für Gartenmöbel. (Bild: Korteks)

Der Taschen- und Zubehörhersteller Dicota, Schweiz, treibt die Umstellung seiner Produkte auf ein nachhaltiges, umweltfreundliches Herstellen voran. Auch die Notebooktaschen, Sleeves und Rucksäcke der Base-Kollektion werden jetzt als Eco Base aus recycelten Kunststoffflaschen gefertigt. Dabei finden je nach Produkt bis zu 19 PET-Flaschen ein zweites Leben. (Bild: Dicota)

Bereits zum zweiten Mal brachte Kaufland im März 2021 eine exklusive nachhaltige Sportkollektion aus recyceltem Polyester auf den Markt. Die Produkte entstehen aus gebrauchten PET-Flaschen, Fischernetzen und Kunststoffabfällen und sind komplett nach dem Global Recycling Standard (GRS) zertifiziert. (Bild: Kaufland)

Ein Team von mehr als 150 Mitarbeitern arbeitet daran, nachhaltige Lösungen für Lego Produkte zu finden. In den letzten drei Jahren haben Materialwissenschaftler und Ingenieure über 250 Variationen von PET-Materialien und hunderte anderer Kunststoffformulierungen getestet. Das Ergebnis ist ein Prototyp, der mehrere ihrer Qualitäts-, Sicherheits- und Spielanforderungen erfüllt – einschließlich der Kupplungsleistung. (Bild: Lego)
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