Ergangen ist es mir wie vielen nach der Pflichtschule. Eine der größten Entscheidungen des Lebens steht an, die Welt steht einem offen und bietet so viele Möglichkeiten. So viele spannende Themen, die man am liebsten alle machen möchte. Eins war für mich sofort klar, ich wollte direkt ins Berufsleben einsteigen und deswegen habe ich mich für eine Lehre im IT-Bereich entschieden. Wie es der Zufall wollte, bin ich bei einem Werkzeugmacher gelandet. Schon nach kurzer Zeit wusste ich, dass ich mehr wollte. Nach einem Jahr hatte ich die großartige Gelegenheit auf die KTLA (Kremtaler Technische Lehrakademie) umzusteigen. Die KTLA wurde damals erst gegründet und basierte auf dem Lehrplan der Abend-HTL. Somit absolvierte ich gleichzeitig eine Lehre als Produktionstechniker und eine HTL-Ausbildung mit dem Schwerpunkt Fertigungstechnik. Am Ende der Ausbildung sammelte ich bereits viel praktische Erfahrungen im Technikum und war für die Bemusterungen der Spritzgusswerkzeuge zuständig. Ich hatte dabei das Glück, alle auf dem Markt verfügbaren Sonderverfahren kennenzulernen, mit einer Vielzahl an unterschiedlichen Materialien zu arbeiten und auch bei dem einen oder anderen Test mitzuwirken. Ich lernte, wie vielseitig und komplex Kunststoffe sind. Gerade wenn etwas nicht so läuft, wie ursprünglich vorgestellt, galt es herauszufinden, warum das so ist. Dafür reichte mein theoretisches Wissen über Kunststoffe jedoch oft nicht aus. Zusätzlich habe ich die Erfahrung gemacht, dass viele Problemstellungen mit meinem praktischen Wissen bereits im Vorfeld lösbar gewesen wären.
Im Technikum waren wir jedoch immer am Ende der Produktionskette. Hier ist das Kind bereits in den Brunnen gefallen und die besten Lösungsansätze sind dann oft nicht mehr umsetzbar. So entschloss ich mich, Metall- und Kunststofftechnik an der FH Wels zu studieren, damit mein theoretisches Wissen aufzustocken, um bereits zu Beginn der Produktionskette etwas bewirken zu können. Auch die Zeit im Studium habe ich genutzt, um nicht nur mein theoretisches Wissen zu erweitern, sondern auch in der Praxis weitere Erfahrungen zu sammeln und mich mit Experten der unterschiedlichsten Bereiche der Kunststoffindustrie zu vernetzen. Von der Forschung, zum Spritzgussmaschinenhersteller bis zur Produktion und Recycling war alles dabei. Dieser Überblick über alle Prozesse hilft mir auch heute noch hinsichtlich eines besseren Verständnisses aller Abläufe, Vorgänge und Zusammenhänge verschiedenster Herstellungsverfahren der Kunststoffbranche. Was ist möglich? Wo sind die Herausforderungen? Wer könnte bei der Lösungsfindung helfen? Die einst so große Entscheidung, die getroffen werden musste, wirkt aus heutiger Sicht gar nicht mehr so relevant. Der Weg hat sich von allein ergeben. Mit Mut zur Veränderung und kindlicher Neugier stehen immer alle Türen offen.
Meine Idee war es ganz am Anfang des Entwicklungs- und Produktionsprozesses anzusetzen, um die Endprodukte positiv zu beeinflussen. Wie ist das nun am besten möglich? Für mich war die Antwort klar. Mittels Simulation. Simulationsprozesse bieten die einzigartige Möglichkeit, die gesamte Spielwiese der Kunststofftechnik auszunutzen, ohne dafür etwas Real herstellen zu müssen. Ich kann ‚einfach mal‘ probieren, egal wie absurd die Idee auch erscheinen mag. Doch genau das ist das Wichtige, wenn wir uns verbessern wollen. Die größten Erfindungen der heutigen Geschichte waren absurde Ideen, an die kein anderer geglaubt hat, außer dem Erfinder selbst. Zusätzlich habe ich mit der Simulation die Möglichkeit ein tieferes Verständnis für das Produkt und den Prozess aufzubauen. Für mich ist die Simulation auch eine Art Kommunikationsschnittstelle. Hier laufen aus Bereichen wie Vertrieb, Projektmanagement, Konstruktion bis hin zur Produktion alle Informationen und Entscheidungen zusammen. Ich sehe, wie auch heute noch nicht das gesamte Potenzial der Kunststoffe ausgenutzt wird. Die Welt der Kunststoffe ist nichtlinear im Gegensatz zu vielen anderen Materialien, mit denen wir arbeiten. Ich kann mich noch sehr gut an ein Projekt erinnern, bei dem wir die Freiheit hatten, das komplette Bauteil sowohl mechanisch als auch prozesstechnisch zu optimieren. Das Bauteil war als klassischer Metallersatz konstruiert worden. Mit vielen Angstzuschlägen in der Wandstärke, damit das Bauteil auch garantiert den Belastungen standhält. Das Resultat war ein schweres Bauteil mit langen Produktionszeiten. Wir haben die Wandstärken lastpfadgerecht ausgelegt, mit sinnvollen Verstärkungsrippen gearbeitet und den gesamten Produktionsprozess optimiert. Zum Schluss konnte bei gleicher Belastbarkeit ein Produkt hergestellt werden, bei dem 29 % weniger Material eingesetzt wird und das 30 % schneller produziert werden kann. Gleichzeitig wurden auch der Verzug und die Bauteilqualität deutlich verbessert. Dieses Beispiel zeigt sehr schön, wo es in Zukunft hingehen muss. Wir brauchen Techniker und Ingenieure, die den Werkstoff Kunststoff verstehen. Es geht nicht darum, alles mit Kunststoffen zu machen, sondern Kunststoffe dort einzusetzen, wo sie auch wirklich Sinn machen. Und wenn Kunststoffe eingesetzt werden, muss auch der gesamte Lebenszyklus betrachtet werden. Das ist natürlich herausfordernd, doch genau das macht auch den Reiz aus.
Kunststoffe sind Polymere und damit ein Teil der organischen Chemie. Die organische Chemie konzentriert sich auf kohlenstoffbasierte Verbindungen. Viele dieser Verbindungen sind ein wichtiger Teil unseres Lebens wie Zucker, Fette, Haare, Bäume und vieles mehr. Unser Körper und große Teile unserer Umwelt sind damit näher mit den Kunststoffen verwandt als mit allen anderen Materialien. Das bringt gleichzeitig Vorteile und Nachteile mit sich. Kunststoffe sind auch sehr leicht, werden vom Winde verweht oder vom Wasser mitgeschwemmt. Sie sind damit auch ein idealer Indikator, wie wir mit unserem Müll umgehen. Ich sehe, wie sich die Welt verändert und wie die Spielwiese der Kunststofftechnik zu einer besseren Welt beitragen kann. Ich sehe auch die Herausforderungen, die noch auf uns warten. Kunststoffe sind schon heute nicht mehr aus unserer Welt wegzudenken. Vielleicht werden Kunststoffe in der Zukunft anders sein als heute noch. Sie werden auf jeden Fall ein Teil der Lösung sein. Aus diesem Grund würde ich mich auch heute wieder für ein Kunststoffstudium entscheiden.