Herr Straßburger, die Bundesregierung hat der Kreislaufwirtschaft in ihrem Koalitionsvertrag ein eigenes Kapitel gewidmet. Welche Aussagen finden Sie besonders hilfreich?
Roland Straßburger: Der Koalitionsvertrag ist ein starkes Bekenntnis für eine Gesellschaft, in der wir CO2-neutral produzieren und auf klimafreundliche Produkte setzen. Für beide Ziele sind Kunststoffe beziehungsweise Kunststoffprodukte enorm wichtig, da diese oftmals leichter sind und mit weniger Energie verarbeitet werden können als andere Materialien. Jetzt gilt es, die Art unserer Produktion nachhaltig zu verändern. Kreislaufwirtschaft ist zum Leitprinzip unserer Industrie geworden. Wir wollen dazu beitragen, den primären Rohstoffverbrauch zu senken und geschlossene Stoffkreisläufe zu fördern. Um diese Ziele zu erreichen, ist im Koalitionsvertrag die Erarbeitung einer Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie vorgesehen – ein ebenso anspruchsvolles wie wegweisendes Vorhaben für den Industriestandort Deutschland. Denn während in der Vergangenheit oftmals kleinteilige Entscheidungen getroffen wurden, erwarten wir von dieser Strategie einen ganzheitlichen Blick auf den Ressourcenverbrauch oder die Klimaauswirkungen von Produktion und Konsum.
Gibt es auch Ankündigungen darin, die Sie eher bedenklich oder unpräzise finden?
Straßburger: Tatsächlich haben wir einen Widerspruch ausgemacht, den es dringend aufzulösen gilt. Eigentlich will die Bundesregierung ressourcenschonende und recyclingfreundliche Verpackungsdesigns sowie den Rezyklateinsatz finanziell belohnen und damit fördern. Dazu steht die Ankündigung im Kapitel Subventionen im Widerspruch, die sogenannte EU-Plastikabgabe auf Hersteller und Inverkehrbringer umzulegen. Sie befeuert den Trend zu nicht recyclingfähigen Papier-Kunststoff-Verpackungen zu Ungunsten hochgradig recyclingfähiger Kunststoffverpackungen. Das kann unmöglich im Sinn der Bundesregierung sein.
Wie wichtig ist die Zusammenarbeit der Unternehmen der Wertschöpfungskette Kunststoff?
Straßburger: Kreislaufwirtschaft kann nicht in Einzelteilen geschaffen werden. Die Prozesse vor und nach den eigenen Werkstoren besser zu verstehen und Produkte bis zum Lebensende zu denken, ist beim Schaffen von Stoffströmen von essentieller Bedeutung. Das gilt für die produzierenden Unternehmen und natürlich auch für die Verbände, die sie vertreten. Die Verbände der Kunststoffindustrie wollen die Transformation mitgestalten, ihre Mitglieder unterstützen, ermutigen und eine konstruktive Plattform schaffen. Mit unserer Initiative „Wir sind Kunststoff“ bekennen sich Erzeuger, Maschinenbauer und Verarbeiter zu diesem Anspruch und untermauern ihn mit finanziellen und personellen Investitionen.
Beim Kunststoffmüll stehen vor allem Verpackungen in der Kritik. Wie kann man ihr begegnen?
Straßburger: Manche Kritik ist berechtigt. Kunststoffe in der Umwelt sind ein Problem, das es weltweit dringend zu lösen gilt. Ein verantwortungsvoller Umgang mit Ressourcen ist deshalb wichtiger denn je. Das betrifft auch die Frage, ob es die besonderen Eigenschaften von Kunststoffen für eine bestimmte Anwendung braucht oder ob man auf den Einsatz verzichten kann. Auch der Frage nach Alternativen zum Erdöl bei der Kunststoffproduktion muss nachgegangen werden. Viele Vorwürfe basieren aber auf Unwissen oder auch schlichter Meinungsmache. Plastik wird schnell als Umweltsünder abgestempelt. Dabei wird sein Beitrag zu einer nachhaltigen, klimaschonenden Lebensweise komplett übersehen. Kunststoffe einfach wegzulassen oder durch andere Materialien zu ersetzen, klingt verlockend einfach, hätte aber massive negative Auswirkungen auf das Klima. Es ist eine unserer Kernaufgaben, der Öffentlichkeit den Beitrag von Kunststoff zum Klimaschutz zu erklären. Wir tun dies zum Beispiel in unserem Newsroom Kunststoffverpackungen. Bei einem so kritisch bewerteten Produkt sind Glaubwürdigkeit, Transparenz und Fortschritte beim Recycling wichtige Elemente für eine langfristig wertschätzende Wahrnehmung von Kunststoffverpackungen.
Wie groß ist das Potenzial für Recyclingmaterial in Kunststoffverpackungen?
Straßburger: Die IK hat das Potenzial für den Einsatz von Rezyklaten in Kunststoffverpackungen vor kurzem ermitteln lassen. Das Ergebnis stimmt zuversichtlich. Der Einsatz von recyceltem Kunststoff in Verpackungen könnte von aktuell 475 auf circa 960 Tausend Tonnen pro Jahr gesteigert werden, was circa 22 Prozent der Produktionsmenge entspricht. Der Einsatz von einer Million Tonnen Kunststoffrezyklat bis 2025 ist bereits erklärtes Ziel der Industrie. Die Hersteller von Kunststoffverpackungen in Deutschland setzen auf Innovationen und Investitionen in der gesamten Wertschöpfungskette, um mehr Rezyklat in ihren Produkten einzusetzen. Und die Aufholjagd hat bereits begonnen: Zwischen 2017 und 2019 ist die Nachfrage nach Rezyklaten um über 18 Prozent gestiegen, während zugleich der Verbrauch an Kunststoffneuware rückgängig war. Diese Entkopplung zeigt das enorme Interesse der Verpackungsbranche am Einsatz von Rezyklaten.
Die Way2K-Interviewreihe:
Bis zur K-Messe 2022 sind es zwar noch einige Monate, nichtsdestotrotz können Sie die verbleibende Zeit investieren und einen Blick in die bisherigen Interviews aus der Way2K-Reihe des VDMA werfen. Hier gelangen Sie zur Übersicht.
Wie gehen Sie in dem von Ihnen geführten Unternehmen, der Schütz-Gruppe, die Kreislaufwirtschaft an?
Straßburger: Bei unseren Produkten im Bereich Industrie-Verpackungen war die Rücknahme und umweltfreundliche Verwertung von Anfang an Teil des Geschäftsmodells. Insbesondere bei Containern, den IBCs, mit ihrer modularen Konstruktion ist der Kreislauf vollkommen geschlossen. Die im Prozess gewonnenen Rezyklate setzt Schütz seit Jahrzehnten in technischen Kunststoffteilen ein, unter anderem in Paletten. In jüngerer Zeit ist das Angebot von mehrschichtigen Kunststoffbehältern mit einem Rezyklatanteil von 30 Prozent hinzugekommen. Wir nennen das Green Layer. Dieser Trend wird sich weiter fortsetzen.