Zum 27. Mal fanden am 20. und 21. Juni 2024 die Engelskirchener Kunststoff-Technologie-Tage (EKTT) statt. Veranstalter Barlog Plastics wählte in diesem Jahr das Leitthema „Nachhaltige Entwicklung und Produktion im digitalen Zeitalter“. Rund 300 geladene Gäste aus der Kunststoffbranche versammelten sich in der Lang Academy im nordrhein-westfälischen Lindlar, um über die neuesten Entwicklungen und Trends zu diskutieren. Eröffnet wurden die EKTT mit einem interaktiven Wissensquiz, bei dem die Gäste mit physikalischen Experimenten „konfrontiert“ wurden – geführt von Christian Schumacher, Leiter Produktentwicklung bei Barlog Plastics. Im Anschluss begrüßte Peter Barlog, geschäftsführender Gesellschafter von Barlog Plastics, und Klaus Grootens, Oberkreisdirektor des Oberbergischen Kreises, die Teilnehmer. Der Geschäftsführer setzte mit seinem Eröffnungsansprache dann den thematischen Rahmen für die Vorträge.
Prozesse energieeffizienter optimieren
Das Vortragsprogramm bot 27 Fachvorträge mit Schwerpunkten auf den Themen Nachhaltigkeit, Künstlicher Intelligenz (KI) und Digitalisierung sowie zwei praxisorientierte Workshops. Letztere behandelten zum einen die „Product-Carbon-Footprint (PCF)-Optimierung mit dem Barlog PCF-Calculator“ und zum anderen das Thema „Zirkuläre Wertschöpfung“ durch den Dr. Bettina Knothe von der Bergische Rohstoffschmiede führte. Zahlreiche Gastredner waren wieder vor Ort. Darunter Ingomar Welke von Greenance. Er sprach darüber, wie der PCF Unternehmen auf ihrem Weg hin zur Klimaneutralität unterstützen kann. Thomas Braun von Cavity Eye referierte in seinem Vortrag über Möglichkeiten der Energie- und Prozessoptimierung. Rüdiger Dzuban von Oni Wäremetrafo blieb der Thematik treu. Er referierte über „Das neue Energieeffizienzgesetz oder... Wie sich Umweltschutz bezahlt macht!“ Gleichzeitig hob er dann den Wert des Werkstoffs Kunststoff hervor. Für eine erfolgreiche Kreislaufwirtschaft müsse jeder Einzelne seinen Teil dazu beitragen, dass der „Wertstoff“ Kunststoff dort hinkommt, wo er hingehört: in den Kreislauf. Zwischen den Vorträgen boten Pausen ausreichend Zeit, die rund 40 Ausstellerstände zu besuchen und Kontakte auszutauschen.
In den weiteren Vorträgen wurden auch die Themen Automatisierung oder die Möglichkeiten der Simulation für eine effiziente Bauteilentwicklung in der kunststoffverarbeitenden Industrie thematisiert. Marius Svagnea vom Roboterhersteller Kuka etwa stellte in seinem Vortrag die flexible Automatisierung im Spritzgießen in den Fokus und wie beispielsweise smarte Roboterlösungen wie kollaborierende Roboter, Kunststoffverarbeiter und deren Mitarbeiter entlasten und auf vielfältige Art und Weise unterstützen.
Künstliche Intelligenz? Ja bitte, nur zielgerecht
Ein großes Feld nahm auch die Künstliche Intelligenz ein. Für Peter Barlog Spannungs-, aber auch Innovationsfeld zugleich. Er sprach hier die „Akzeptanz der KI in unserer Gesellschaft“ an. Letztendlich sei KI nichts anderes als „Statistik von vielen Daten“, deren Use-Case es einzuordnen gilt. Ein mögliches Beispiel skizzierte dann Artur Jurk vom KUZ Leipzig, der seine Erfahrungen hinsichtlich selbstlernender KI-Systeme für Qualitätsprognosen in der Spritzgießverarbeitung teilte. Einen Blick über den Tellerrand bot Dr. Ralf-Urs Giesen von der Universität Kassel, der den Einfluss von Nachbehandlungs- und Alterungsprozessen auf Silikon-Thermoplast-Verbunde erläuterte.
Wie Kunststoffe „digital“ werden, offerierte Taraneh Lewtschenko dem Publikum. Sie bezog sich hier auf die Materialdatensatzerstellung und betonte dabei den Nutzen hinsichtlich einer frühzeitigen Fehlererkennung im Bereich der Simulation. Welche Themen auf den nächsten EKTT im Vordergrund stehen, bleibt abzuwarten. Sie finden am 26. und 27. Juni 2025 statt.
INTERVIEW – Nachgefragt bei Peter Barlog, geschäftsführender Gesellschafter von Barlog Plastics
Welche Erwartungen hatten Sie vor der Veranstaltung? Welche Impulse wollen Sie mit den 27. EKTT der Branche auf den Weg geben?
Peter Barlog: Die Erwartungen waren dieses Jahr relativ gedämpft. Das Marktumfeld ist derzeit noch immer herausfordernd. Das spiegelt sich auch im Teilnehmerfeld wider. Für viele Unternehmen gelten derzeit noch immer Reisebeschränkungen oder sie setzen gar auf Kurzarbeit. Darüber hinaus fanden in diesem Jahr besonders viele Parallelveranstaltungen statt. Wir konnten jedoch die Teilnehmerzahlen im Vergleich zur letzten Veranstaltung trotz aller Widerstände übertreffen und konnten wieder sehr viele interessante Aussteller an Bord holen. Trotz allem stellen wir fest, dass es zu den Themen Kunststoff und Nachhaltigkeit weiterer Aufklärung bedarf. Bereits 2018 hatten wir das Thema Nachhaltigkeit im Fokus der EKTT. Gefühlt gab es seitdem kein anderes Thema mehr in der Branche. In den letzten Monaten ist es deutlich in den Hintergrund gerückt. Einerseits weil es viele Unternehmen gab, die nachhaltigere Produkte in ihr Portfolio aufgenommen haben, jedoch nicht so erfolgreich auf dem Markt agieren, wie sie sich das vorgestellt haben. Andererseits gibt es politisch und gesellschaftlich aktuell eine Kehrtwende, was das Thema Nachhaltigkeit angeht. Der Fokus liegt hier wieder vermehrt auf dem Wirtschaftsstandort Deutschland und darauf, die Rahmenbedingungen zu schaffen, um der Bevölkerung keine weiteren Mehrbelastungen aufzubürden. Hier wollten wir als Unternehmen, als Veranstalter der EKTT Impulse setzen und klarmachen, dass uns das Thema Nachhaltigkeit als Kunststoffbranche nach wie vor sehr wichtig ist und auch bleiben wird.
Die Digitalisierung war eines der Kernthemen der Veranstaltung. In der Vergangenheit hat die Dynamik rund um die Künstliche Intelligenz (KI) deutlich zugenommen. Welchen Einfluss hat diese auf die kunststoffverarbeitende Industrie? Wie verändert sich die Branche künftig?
Barlog: Die Unternehmen stehen an ganz unterschiedlichen Positionen, was das Thema KI anbelangt. Sie haben unterschiedliche Erfahrungen und Anforderungen. Ich persönlich bin der Meinung, dass wir uns aktuell in einer Phase befinden, in der der KI mehr Möglichkeiten zugesprochen werden, als sie tatsächlich imstande ist zu leisten. Die sich daraus ergebenden Möglichkeiten, insbesondere für die Fertigung beispielsweise, werden derzeit mannigfaltig ausgelotet. Bereiche wie die Qualitätsoptimierung oder Simulation profitieren schon jetzt davon. Mit KI erhalten wir ein neues Werkzeug, das uns dabei unterstützt, mehr Output in kürzerer Zeit und mit weniger Aufwand zu generieren.
Sie haben in jüngerer Vergangenheit den PCF-Calculator vorgestellt, wie ist die Resonanz darauf?
Barlog: Sehr positiv, obwohl sich der PCF-Calculator noch in der Entwicklung, also in der Prototypenphase befindet. Die Möglichkeit, in der frühen Entwicklungsphase den Product-Carbon-Footprint abzuschätzen, zu optimieren und verschiedene Varianten schnell und einfach durchkalkulieren zu können, das ist der größte Nutzen, den unsere Kunden darin sehen.
Wie wichtig sind digitale Werkzeuge, um Unternehmen auf ihrem Weg hin zu einer klimaneutralen Zukunft zu unterstützen?
Barlog: Die Digitalisierung ist ein treibender Faktor in Sachen Nachhaltigkeit. Nehmen wir nur mal die Produktentwicklung: Die Möglichkeiten, beispielsweise einen digitalen Zwilling zu erstellen und virtuell eine Vielzahl an Varianten in kurzer Zeitspanne durchexerzieren zu können, bringt Unternehmen nicht nur vom technischen Aspekt einen unglaublichen Mehrwert. Die Kombination aus digitalen Geschäftsmodellen und Nachhaltigkeit eröffnet ganz neue Möglichkeiten. In Anbetracht einer sich transformierenden, nachhaltigeren Wirtschaft sollten dementsprechend auch die Potenziale der Digitalisierung vollumfänglich ausgeschöpft werden. Beispielhaft hierfür steht die ‚Dematerialisierung‘, also die Neugestaltung von Produkten zur Minimierung des Material- und Energieaufwandes auf verschiedenen Prozessschritten. Hier wird in Zukunft vieles digitaler.
Wie digital ist zwischenzeitlich die Compound-Generierung? Wie digital kann diese aus Ihrer Sicht noch werden?
Barlog: Das ist aktuell ein spannendes Umfeld und knüpft an das vorherige Thema an, viele verschiedene Versuchsreihen innerhalb kürzester Zeit virtuell durchführen zu können. Das wiederum entlastet die Praxis, die auf diese Vorarbeit aufbauen kann. Auf diesem Weg lässt sich die Entwicklung im Bereich der Compoundierung wesentlich beschleunigen. Barlog Plastics ist hier offen gesagt noch nicht ganz so weit wie andere Unternehmen aus der Branche. Das liegt zum einen an der Datenmenge, limitiert durch die Unternehmensgröße. Zum anderen fokussieren wir uns auch auf sehr spezielle Auftragsthemen, die das komplette Materialspektrum abbilden, angefangen von PP über PEEK mit unterschiedlichsten Füllstoffen und Füllgraden. Große Compoundeure, die sich beispielsweise komplett auf Polyamid 6-Compounds spezialisieren, können hier auf ganz andere Datenmengen zugreifen, als das bei uns der Fall ist. Wir haben zum aktuellen Zeitpunkt nicht den Zugriff auf die notwendigen Daten. Das erfordert eine gewisse Größe oder auch Spezialisierung. Wir verfolgen dieses Thema ganz genau und stellen uns auch so auf, dass wir in der Lage sind, eine höhere Datenmenge generieren zu können. In den nächsten Jahren wollen wir dann so weit sein, um beispielsweise auch KI mit ins Spiel zu bringen. Wir haben den Vorteil, dass wir von der Compoundherstellung, dem Prüflabor, der Materialdatensatzerstellung, bis hin zum Spritzgießen von Prototypen die komplette Prozesskette im Haus haben. Das wiederum ergibt für uns noch mal Synergiemöglichkeiten, über die ein spezialisierter Compoundeur möglicherweise nicht verfügt.
Mit magnetisierbaren Compounds haben Sie eine interessante Option im Portfolio. Welche Trends sehen Sie derzeit am Markt?
Barlog: Es ist eine sehr starke Nachfrage nach Rezyklaten beziehungsweise nach Compounds mit Rezyklatanteil am Markt zu spüren. Mit Blick auf unseren Baukasten mit den vielen verschiedenen Polymeren, Füllstoffen, Additiven und Verstärkungsstoffen haben wir uns das Ziel gesetzt, nachhaltigere, rezyklatbasierte Optionen aufzunehmen, insbesondere bei den Füllstoffen, um diese künftig in unsere Produkte miteinfließen lassen zu können. Die anstehenden Veränderungen am Markt (Beispiel Elektromobilität) stellen andere Anforderungen an die Materialien. Insbesondere durch die steigende Elektrifizierung in der Mobilität sehen wir beispielsweise Potenzial für unsere magnetisierbaren Compounds. Neue Materialanforderungen, Recycling, Reduzierung des Carbon-Footprints: Das alles sind für uns Herausforderungen, die wir gerne annehmen, um an den Wachstumsmärkten partizipieren zu können.
Sie arbeiten häufig mit Start-ups zusammen. Wie wichtig sind solche Kooperationen, um Innovationen, etwa im Bereich der Kreislaufwirtschaft, voranzutreiben?
Barlog: Bei den Themen Kreislaufwirtschaft beziehungsweise Nachhaltigkeit sind Start-ups wirklich treibend. Etablierte Unternehmen sind naturgemäß relativ träge in Sachen Veränderungen. Funktionierende, lang etablierte Geschäftsmodelle auf neue, sich verändernde Marktbedingungen anzupassen, ist komplex. Insbesondere im Hinblick auf Themen wie Nachhaltigkeit oder Kreislaufwirtschaft. Start-ups mit Produkten aus Kunststoff setzen von vornherein auf diese Themen. Sie können es sich schlichtweg nicht leisten, nicht auf Nachhaltigkeit zu setzen, da sie ansonsten einen Imagenachteil haben würden. Solche Unternehmen können in Sachen Nachhaltigkeit deutlich dynamischer agieren. Für uns sind Kooperationen deshalb immer auch eine Möglichkeit, unsere Produkte, unsere Dienstleistungen wieder auf den Prüfstand zu stellen, weiterzuentwickeln und Erfahrungen zu sammeln.
Quelle: Barlog Plastics