
Die Anfänge des IKT gehen 60 Jahre zurück. Das 29. Stuttgarter Kunststoffkolloquium bot den Rahmen dieses Jubiläum zu würdigen und unterfütterte dies wieder mit Themen aus der Forschung und Praxis. (Bild: Redaktion)
Das 29. Kunststoff-Kolloquium des Instituts für Kunststofftechnik (IKT) in Stuttgart bot in diesem Jahr nicht nur wie gewohnt Ergebnisse aus Forschung und Entwicklung im Bereich der Kunststofftechnik, es bot zugleich den Rahmen für die Feierlichkeiten zu „60 Jahre Kunststofftechnik in Stuttgart“. Denn das IKT wie wir es heute kennen, formierte sich erst im Jahre 2006, durch den Zusammenschluss des Instituts für Kunststofftechnologie und des Instituts für Kunststoffkunde und Kunststoffprüfung. Damals noch unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Hans-Gerhard Fritz. 2010 übernahm dann Professor Dr.-Ing. Christian Bonten die Leitung des vereinten Instituts. Die Ursprünge des IKT reichen bis ins Jahr 1964 zurück, als das bereits genannte Institut für Kunststofftechnologie gegründet wurde. Ein Jahr zuvor, also 1963, sollte eine Professur für Werkstoffkunde der Metalle und Kunststoffe in der Materialprüfanstalt (MPA) angesiedelt werden. Der Lehrstuhl wurde eigenständig und in „Institut für Kunststoffkunde und Kunststoffprüfung (IKP)“ umgetauft.
Netzwerken, Forschung und Innovation in der Kunststofftechnik
An zwei Tagen, dem 20. Februar und 21. Februar 2025, waren es rund 100 Teilnehmer aus Wissenschaft und Industrie, die wieder einem bunten Blumenstrauß an Themen lauschen durften und dabei auch ausgiebig Zeit zum Netzwerken sowie dem Besuch der neuen Rheologie-Labore und dem Compoundier-Technikum einplanen durften. Eröffnet wurde das Kolloquium von Herrn Prof. Marc Kreutzbruck, Institutsleitung Kunststofftechnik. Enleitend mit den historischen Anfängen hob dieser die Forschungsschwerpunkten am Institut hervor. Genannt wurden in diesem Zusammenhang die Bereiche der Prozesssimulation, Rheologie und auch Werkstofftechnik, die, so Kreuzbruck, große Schnittmengen bilden - auch zur Verarbeitungstechnik. All diese Themen sind auch Grundlage für die Produktentwicklung, einem Bereich, der am IKT intensiv vorangetrieben wird. Dazu gehören beispielsweise Arbeitsgruppen zur Charakterisierung und der zerstörungsfreien Bauteilprüfung. In den Vorträgen wurde deutlich, wie diese Kompetenzfelder ineinandergreifen, um, wie Kreuzbruck es formulierte, „der Kunststofftechnik das ein oder andere Geheimnis zu entlocken“.
Einweihung neuer Labore und Diskussion zur Kreislaufwirtschaft
Im Zuge des ersten Tages des Kolloquiums wurden dann auch die neuen Räumlichkeiten am Campus Vaihingen feierlich eröffnet. Die Rede ist vom neuen Compoundier-Technikum sowie dem Rheologie-Labor. Für die symbolische Einweihung führten Prof. Kreuzbruck und Prof. Bonten die Scherenklingen. Mitarbeiter des IKT führten die Besucher an verschiedenen Stationen durch aktuelle Forschungsvorhaben und ermöglichten umfassende Einblicke in die technische Ausstattung sowie Potenziale der neuen Einrichtungen.
Die Abendveranstaltung bot dann auch den Rahmen für die Verleihung des Wilfried Ensinger Preises, für Arbeiten auf dem Gebiet der Entwicklung und Beschreibung technischer Kunststoffe für innovative Anwendungen. Der Preis ist mit 2.000 Euro dotiert und wird im Namen der Inhaberfamilie Ensinger verliehen – in diesem Fall von Klaus Ensinger, der an diesem Abend jedoch nicht vor Ort sein konnte.
Der zweite Veranstaltungstag stand ganz im Zeichen der Transformation der Kunststoffindustrie hin zur Kreislaufwirtschaft. IKT-Institutsleiter Bonten und Prof. Dr. Bischoff, Prorektor für Forschung und nachhaltige Entwicklung an der Universität Stuttgart, führten in das Programm ein. Neben Impulsvorträgen von Dr. Andre Baumann (Staatssekretär im Umweltministerium Baden-Württemberg), Stephan Garvs (Geschäftsführer Prezero Dual) und Dr. Oliver Möllenstädt (Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes Kunststoffverarbeitende Industrie, GKV), wurde eine Podiumsdiskussion geführt, die zentrale Herausforderungen der Kreislaufwirtschaft beleuchtete.
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Herausforderungen und Chancen der Kreislaufwirtschaft
Baumann betonte in seinem Vortrag den dringenden Wandel von der linearen hin zur Kreislaufwirtschaft: „Wir sehen einen Paradigmenwechsel: vom Design über die Nutzung bis hin zur Wiederverwendung und dem Recycling – ein echter Kreislauf muss entstehen.“ Er verwies auf die zunehmende Rohstoffabhängigkeit Europas und die sicherheitspolitische Bedeutung einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft: „Wir wissen nicht, wie sich geopolitische Spannungen entwickeln – umso wichtiger ist es, dass wir in Europa unabhängiger werden.“
Garvs hob hervor, dass Recyclingfähigkeit und Rezyklateinsatz in der Praxis nur durch klare gesetzliche Rahmenbedingungen erfolgreich umgesetzt werden können: „Wir brauchen mutige gesetzliche Schritte, um das lineare Wirtschaftsmodell so lange zu verteuern, bis sich das kreislauforientierte Modell durchsetzt.“ Besonders wichtig sei es, Investitionen in Recyclingkapazitäten zu erleichtern, da aktuell eher ein Abbau dieser Kapazitäten in Europa zu beobachten sei.
Möllenstädt warnte vor der drohenden Unterdeckung von Rezyklaten: „Bis 2030 werden uns jährlich eine Million Tonnen Rezyklate fehlen, wenn wir nicht jetzt die notwendigen Investitionen tätigen.“ Die Kunststoffverarbeitende Industrie stehe in globaler Konkurrenz mit Ländern wie den USA und China, die durch günstigere Produktionskosten erhebliche Wettbewerbsvorteile hätten.

Umsetzung der Verpackungsverordnung (PPWR) und regulatorische Hürden
Ein zentrales Diskussionsthema war die neue EU-Verpackungsverordnung (PPWR). Dr. Baumann betonte: „Es ist gut, dass die Verordnung einheitlich für alle EU-Mitgliedsstaaten gilt, aber wir müssen jetzt auf eine schnelle Umsetzung drängen.“ Gleichzeitig wurde kritisiert, dass noch viele Details in sogenannten „Delegated Acts“ ausstehen, wodurch Investitionen verzögert würden.
Dr. Möllenstädt machte auf regulatorische Unklarheiten aufmerksam: „Einheitliche Spielregeln sind entscheidend, aber wir sehen leider weiterhin einen Wildwuchs an nationalen Sonderregelungen.“ Garvs ergänzte, dass vor allem die lange Dauer der EFSA-Zulassungen für lebensmittelgeeignete Recyclingkunststoffe ein großes Hindernis darstelle: „Investitionen in Lebensmittelverpackungen aus Rezyklaten dauern Jahre, ohne Gewissheit über eine Zulassung – das bremst die Industrie aus.“
Gemeinsame Anstrengungen notwendig
Zum Abschluss der Diskussion wurden Wege skizziert, wie die Kunststoffbranche die Transformation erfolgreich gestalten kann. Dr. Baumann rief dazu auf, Bürokratie abzubauen und Anreize für die Kreislaufwirtschaft zu schaffen: „Wir brauchen weniger Bürokratie und bessere Geschäftsmodelle, damit sich die Kreislaufwirtschaft lohnt.“ Garvs appellierte an jeden Einzelnen: „Recycling beginnt bei der richtigen Mülltrennung – jeder kann einen Beitrag leisten, indem er Verpackungen korrekt entsorgt.“ Möllenstädt fasste zusammen: „Wir dürfen uns nicht abhängen lassen – Europa muss entschlossener handeln, um seine Kreislaufwirtschaftsziele zu erreichen.“
Kunststoffrecycling: Der große Überblick

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