BMW startet Serienproduktion des i3 mit CFK-Karosserie

Die Karosseriestruktur des BMW i3 besteht vollständig aus diesem leichten und belastbaren Material, womit das Mehrgewicht der Batterie für den elektrischen Antrieb kompensiert werden kann. Allein im Werk Leipzig wurden für die Produktion von BMW i-Autos rund 400 Mio. Euro in neue Strukturen und Anlagen investiert und 800 neue Arbeitsplätze geschaffen. Das Produktionsnetzwerk für den BMW i umfasst außerdem Standorte in Moses Lake, USA, sowie Wackersdorf, Landshut und Dingolfing, wo in BMW-Werken und an Joint Venture-Standorten wesentliche Komponenten für den i3 gefertigt werden. Insgesamt hat das Unternehmen rund 600 Mio. Euro in das BMW i-Produktionsnetzwerk investiert, über 1.500 Arbeitsplätze sind dadurch entstanden. Im November startet die Auslieferung der BMW i3 an Kunden in Deutschland und in weiteren europäischen Ländern.

Die gesamte Wertschöpfungskette ist konsequent auf Nachhaltigkeit und Energieeffizienz ausgerichtet. Produktionsvorstand Harald Krüger betont. „Wir benötigen 50 Prozent weniger Energie, 70 Prozent weniger Wasser und beziehen die elektrische Energie zur Produktion der BMW i-Modelle CO2-frei von den Windrädern auf unserem Werksgelände“, ergänzte Krüger.

Das BMW i-Produktionsnetzwerk umfasst die Carbonfaser-Herstellung in Moses Lake im US-Bundesstaat Washington und die Weiterverarbeitung zu textilen Gelegen in Wackersdorf. Beide Standorte betreibt SGL Automotive Carbon Fibers (ACF), ein Joint Venture von BMW und der SGL Group. Hinzu kommen die eigenen BMW-Standorte – die Werke Dingolfing, Landshut und Leipzig. Die innovative Architektur des i3 besteht aus zwei Elementen: dem fahraktiven, aus Aluminium gefertigten Drive-Modul, in das der Antrieb, das Fahrwerk, der Energiespeicher sowie die Struktur- und Crashfunktionen integriert sind, und dem Life-Modul aus carbonfaserverstärktem Kunststoff, das die Fahrgastzelle bildet. Die Fertigungszeit halbiert sich durch das Lifedrive-Konzept und den Einsatz von CFK auf die Hälfte im Vergleich zum konventionellen Automobilbau. Das Verfahren ist weniger investitionsintensiv, da die hohen Kosten für ein konventionelles Presswerk und eine klassische Lackiererei entfallen und die Fertigung von Life- und Drive-Modul parallel stattfinden kann. Der Einsatz von CFK in der bei BMW i realisierten Größenordnung ist weltweit einzigartig in der Automobilbranche.

Carbonfaser-Herstellung
Das Life-Modul (Fahrgastzelle) des BMW i3 besteht hauptsächlich aus kohlenstoffaserverstärktem Kunststoff (CFK). Die Herstellung der Carbonfasern aus Polyacrylnitrilfasern erfolgt in dem Joint Venture SGL Automotive Carbon Fibers (SGL ACF) in Moses Lake, USA. Dazu werden sämtliche Elemente der Faser in einem komplexen, mehrstufigen Prozess gasförmig abgespalten, bis nur noch eine aus nahezu reinem Kohlenstoff bestehende Faser mit stabiler Graphitstruktur vorliegt. Diese ist lediglich 7 Mikrometer (0,007 mm) dünn, ein menschliches Haar misst im Vergleich dazu rund 50 Mikrometer (0,05 mm). Für die Verwendung im Automobilbereich werden anschließend etwa 50.000 dieser Einzelfilamente zu sogenannten „rovings“ oder „heavy tows“ zusammengefasst und für die Weiterverarbeitung aufgewickelt. Schon bei der Herstellung der Carbonfasern in Moses Lake wird die Produktionsenergie ausschließlich regenerativ aus lokal verfügbarer Wasserkraft gewonnen und ist damit zu 100 Prozent CO2-frei. Auch in Sachen Energieeffizienz setzt das Werk im US-Bundesstaat Washington Maßstäbe. Die Produktion der ultraleichten Hightech-Fasern läuft bereits seit Ende 2011 in Moses Lake. Zwei Produktionslinien mit einer Kapazität von insgesamt 3.000 t/a sorgen für das erforderliche Material. Bislang haben die beiden Muttergesellschaften BMW Group und SGL Group rund 72 Mio. Euro (100 Mio. US-Dollar) in die Fertigungsanlage in Moses Lake investiert und 80 neue Arbeitsplätze geschaffen.

Verarbeitung zu textilen Gelegen
Am zweiten Standort des Joint Ventures, im Innovationspark Wackersdorf, werden die in Moses Lake produzierten Faserbündel im industriellen Maßstab zu leichten textilen Gelegen weiterverarbeitet. Nach einer Investition von 20 Mio. Euro und der Schaffung von rund 150 neuen Arbeitsplätzen können am Standort Wackersdorf schon heute mehrere tausend Tonnen Carbonfaser-Gelege pro Jahr hergestellt werden. Gelege mit verschiedenen Faserausrichtungen werden dann in mehreren Lagen und unterschiedlichen Orientierungen übereinander zu Gelegestapeln, sogenannten Stacks, angeordnet und anschließend zugeschnitten. Diese bilden das Ausgangsmaterial für die Herstellung von CFK-Bauteilen und CFK-Komponenten in den BMW-Werken in Landshut und Leipzig. CFK-Verschnitt wird in Wackersdorf wiederaufbereitet und kommt unter anderem in den BMW i-Modellen wieder zum Einsatz. Rund 10 % der beim BMW i3 eingesetzten Carbonfasermenge sind bereits heute recyceltes Material.

Weiterverarbeitung zu CFK-Komponenten
Die aus Wackersdorf angelieferten Stacks werden in den Innovations- und Produktionszentren in den BMW-Werken Landshut und Leipzig zu Karosserieteilen für den BMW i3 und den BMW i8 weiterverarbeitet, wo jeweils drei Fertigungslinien für CFK-Karosseriekomponenten betrieben werden. Den BMW-Spezialisten ist es gelungen, den Fertigungsprozess für CFK-Bauteile in mehr als 10 Jahren so weiterzuentwickeln und zu automatisieren, dass heute eine wirtschaftliche und qualitativ hochwertige Großserienfertigung mit hoher Prozesssicherheit möglich ist. So konnten die Herstellkosten für CFK-Karosseriekomponenten in diesem Zeitraum bereits um rund 50 % gesenkt werden.

Ein Heizwerkzeug verleiht dem zugeschnittenen Kohlefasergelege zunächst eine stabile, dreidimensionale Form. Mehrere dieser vorgeformten Preform-Rohlinge können dann zu einem größeren Bauteil zusammengefügt werden. So lassen sich auch großflächige Karosseriebauteile herstellen, die sich aus Aluminium oder Stahlblech nur schwer oder mit deutlich höherem Aufwand realisieren ließen. Nach dem Konfektionieren und Vorformen folgt der nächste Prozessschritt: das Harzen unter Hochdruck nach dem RTM-Verfahren (Resin Transfer Moulding). Dabei wird in die Preform-Rohlinge unter hohem Druck flüssiges Harz injiziert. Erst durch die Verbindung der Fasern mit dem Harz und das anschließende Aushärten erhält das Material seine Steifigkeit und damit seine hervorragenden Eigenschaften. Die Pressen arbeiten nach genau definierten, eigenentwickelten Zeit-, Druck- und Temperaturparametern, bis sich das Harz mit dem Härter vollständig verbunden hat und ausgehärtet ist. Dank dieses automatisierten Herstellungsverfahrens kann auf den – bei manuellen CFK-Fertigungsverfahren üblichen – zeitraubenden Aushärteprozess in einem Ofen verzichtet werden.

Das CFK-Verfahren ist nicht mehr vergleichbar mit einer konventionellen Stahlblechherstellung. Das industrialisierte Produktionsverfahren ist hoch wirtschaftlich und macht die Fertigung großflächiger CFK-Verbundbauteile für die Automobilindustrie erst möglich. Selbst komplexe Baugruppen mit vielen integrierten Strukturelementen, wie zum Beispiel ein kompletter Seitenrahmen des BMW i3 Life-Moduls, werden in der Anlage mit hoher Automatisierung hergestellt. Als weitere Prozessschritte erfolgen die Feinarbeiten wie das saubere Zuschneiden der Bauteilkontur sowie das Einbringen fehlender Öffnungen. Dazu werden die Teile mit einer speziellen Wasserstrahlschneideanlage bearbeitet und die Klebeflächen für die Weiterverarbeitung gestrahlt. Für einen herkömmlichen Seitenrahmen aus Stahlblech müssten, im Gegensatz zum CFK-Bauteil, nacheinander mehrere Innen- und Außenbauteile zusammengesetzt werden.

Neue Präzisionsprozesse im CFK-Karosseriebau
Die CFK-Verbundbauteile werden in Leipzig in der neuen Karosseriebauhalle zusammengefügt. Hier entsteht die Grundstruktur des Life-Moduls. Aufgrund der hohen geometrischen Integration benötigt die CFK-Struktur des BMW i3-Life-Moduls in Summe im Vergleich mit einer konventionellen Stahlkarosserie nur ein Drittel der Karosseriebauteile – aus rund 150 CFK-Komponenten setzt sich die vollständige CFK-Grundstruktur des Moduls zusammen. In dem CFK-Karosseriebau gibt es keine Lärmbelästigung durch Schrauben oder Nieten, keinen Funkenflug beim Schweißen – es kommt ausschließlich modernste Klebetechnik zum Einsatz und die ist zu 100 Prozent automatisiert. In dem einzigartigen, von BMW entwickelten Fügeprozess werden dazu die einzelnen Bauteile berührungslos bis auf einen präzise definierten Klebespalt zusammengefügt, um nach dem Klebevorgang eine optimale Festigkeit zu gewährleisten. In der Summe ergibt sich beim BMW i3 je Fahrzeug eine Klebestrecke von 160 m Länge.

Um die Aushärtezeit für die Großserienproduktion des BMW i3 zu minimieren, hat BMW den Prozess extrem beschleunigt. So kann ein deutlich weiterentwickelter Klebstoff jetzt nur noch 90 s nach dem Auftragen auf ein Bauteil bearbeitet werden, bevor er Haftung aufbaut. Nach anderthalb Stunden ist er ausgehärtet und hat seine volle Festigkeit erreicht. Diese Eigenschaft entspricht schon einer zehnfachen Beschleunigung eines herkömmlichen Klebeprozesses. Um nun die Aushärtezeit weiter bis in den einstelligen Minutenbereich zu reduzieren, hat BMW einen zusätzlichen thermischen Prozess entwickelt. Dafür werden bestimmte Heftstellen an den zu klebenden CFK-Teilen zusätzlich aufgeheizt, um den Aushärteprozess noch weiter zu beschleunigen.

Außenhaut aus thermoplastischen Kunststoffen
Der BMW i3 ist der erste BMW überhaupt, bei dem die komplette Außenhaut aus Kunststoff besteht. Eine Ausnahme bildet nur das Dach aus recyceltem CFK. Die Kunststoffteile sind um die Hälfte leichter als Stahlblech und zugleich ein korrosionsfreier Oberflächenschutz, der sich energiesparend herstellen lässt. Zudem ist das Material unempfindlich gegenüber Bagatellschäden. 25 % der für die thermoplastischen Außenteile verwendeten Materialien wurden entweder recycelt oder aus erneuerbaren Ressourcen hergestellt. Die komplette Außenhaut des BMW i3 wird im BMW-Werk Leipzig hergestellt. Wie bei der Herstellung der heutigen Front- und Heckschürzen für die klassischen BMW-Modelle werden die Kunststoffteile je nach Bauteil in drei verschiedenen Thermoplast-Spritzgussverfahren produziert: Entweder im Standardprozess, in einem TWIN-Spritzgussverfahren, bei dem Außenhaut und Unterkonstruktion gefertigt und später verklebt werden, oder im so genannten „Fügen im Spritzguss“. Hier erfolgt die parallele Fertigung von Außenhaut und Unterkonstruktion, die noch innerhalb dieses Prozesses am Ende automatisch miteinander verbunden werden. Bei der abschließenden Lackierung erhalten die Außenhautteile ihren Glanz und die Beständigkeit gegenüber Umwelteinflüssen wie zum Beispiel Steinschlag oder Sonneneinstrahlung.

Die neue Lackiererei in Leipzig läuft durch Trockenabscheidung ohne jegliches Abwasser und benötigt nur ein Viertel der Energie, die sonst in diesem Bereich eingesetzt wird. Zudem benötigt die Lackierung eines BMW i3 70 % weniger Wasser. Denn im Unterschied zur traditionellen Karosserie muss bei der Produktion der BMW i-Modelle nicht mehr die gesamte Karosserie in mehreren Arbeitsschritten gegen Korrosion geschützt, lackiert und getrocknet werden. Die Stoßfänger, Front-, Heck- und Seitenteile können einzeln ressourcenschonend lackiert werden. Durch den Entfall einer konventionellen Lackierung mit der kathodischen Tauchbadlackierung werden noch einmal 10 kg pro Fahrzeug an Gewicht eingespart. An der Kunststoff-Außenhaut des BMW i3 arbeiten in Leipzig rund 300 Mitarbeiter.

Weblink zum Thema
Auf der BMW-Internet-Seite beziehungsweise hier finden Sie knapp 100 Bilder sowie 20 Videos aus der Produktion der BMW i3 in den verschiedenen Werken.

(dw)

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