Portraitfoto Ralf Olsen, Hauptgeschäftsführer Pro-K Industrieverband

Ralf Olsen, Hauptgeschäftsführer des Industrieverbands Pro-K (Bild: Pro-K)

Aktuell liegt ein Vorschlag der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) auf dem Tisch, mit dem rund 10.000 per- und polyfluorierten Alkylverbindungen, kurz PFAS, verboten werden könnten. Oft werden die Stoffe wegen ihrer Langlebigkeit auch als „Jahrhundert-Chemikalien“ bezeichnet. Und genau hier liegt der Hauptgrund für die angedachte Beschränkung einer ganzen Stoffgruppe, die von Behörden aus Deutschland, den Niederlanden, Dänemark, Schweden und Norwegen angestoßen wurde: Die Widerstandsfähigkeit von PFAS entlang ihres gesamten Leistungsspektrums und die damit einhergehende Angst, dass sich die Substanzen in Ökosystemen und Nahrungsketten anreichern. Ziel der ECHA ist es, die Herstellung und Verwendung aller PFAS zu verbieten, was auch das Inverkehr­bringen von PFAS-haltigen Erzeugnissen in die EU beinhaltet.

 

Viel eingesetzt, nicht gefährlich

Fakt ist, dass PFAS wegen ihrer vielschichtigen Eigenschaften in zahlreichen Alltagsprodukten und Anwendungen zu finden sind. Dies gilt insbesondere auch für die 38 sich auf dem Markt befindlichen Fluorpolymere, die in die Chemikaliengruppe der PFAS eingeordnet sind – und die als unverzichtbare Hochleistungswerkstoffe viele industrielle Prozesse in Deutschland und der Welt am Laufen halten.

Fakt ist auch, dass es innerhalb der gesamten PFAS-Gruppe Stoffe gibt, die möglicherweise eine Gefahr für Mensch und Umwelt darstellen. Solche kritischen und riskanten PFAS gilt es zu untersuchen und gegebenenfalls aus dem Verkehr zu ziehen. Allerdings: Fluorkunststoffe zählen aufgrund ihrer Eigenschaften nicht dazu und gelten nach OECD-Kriterien als Polymers of low concern. Da Fluorpolymere chemisch inert sind, reagieren sie bei normalen Temperaturen nicht mit anderen Stoffen. Sie sind ungiftig, nicht wasserlöslich und setzen sich nicht in der Umgebung frei.

 

Hightech für die Welt von morgen

Doch wäre es wirklich so schlimm, wenn die 38 Kunststoffe plötzlich vom Markt und aus der EU verschwinden würden? Ein klares ja: Fluorpolymere bereichern unseren Alltag, schützen Leben und sind entscheidende Möglichmacher für die Energiewende. Man findet sie in diversen Technologien etwa in der Luftfahrtindustrie oder für Autos unterschiedlichster Antriebsarten. Damit die EU ihr selbst gestecktes Ziel der Klimaneutralität bis 2050 erfüllen kann, braucht es Fluorkunststoffe für die Gewinnung erneuerbarer Energie mittels Solarpanels und Windrädern.

Für die Abkehr von fossilen Energieträgern wie Kohle, Erdöl oder Erdgas muss zudem ausreichend Ersatz für Industrie, Wirtschaft und Gesellschaft her, etwa durch die Gewinnung grünen Wasserstoffs. Fluorkunststoffe sind hierbei an vorderster Stelle dabei, etwa als zentrale Komponenten des Elektrolyseurs für die Umwandlung von Wasser in Wasserstoff. Sie sind damit entscheidend für die Defossilisierung der deutschen Wirtschaft – und helfen mit, Europa unabhängiger von Rohstoff­importen zu machen.

 

Lebensretter und Sparfuchs

In der sensiblen Medizintechnik sind Fluorkunststoffe etwa im Stent bei Herz-OPs oder in Beatmungsschläuchen auf der Intensivstation aktiv. Gallenblase oder Blinddarm könnten ohne diese speziellen Polymere nicht minimalinvasiv mittels endoskopischer Chirurgie entfernt werden. Sollten derartige Medizinprodukte vom Markt verschwinden, drohen OP-Eingriffe durch die Öffnung des Bauchraums, wodurch sich die Behandlungs- und Liegezeiten in Krankenhäusern sowie die Risiken für die Patientinnen und Patienten erhöhten.

 

Immer erste Wahl

Die Beispiele zeigen: Fluorpolymere sind weit mehr als Bestandteile von Regenjacken oder Pfannenbeschichtungen. Die reine Produktionsmenge ist zwar gering, aber ihr Einsatz an ganz wichtigen Schlüsselstellen von Industrie und Gesellschaft machen sie unersetzlich. Und das im wahrsten Sinne des Wortes: Mögliche Alternativen kranken daran, dass sie immer in mindestens einer Leistungseigenschaft unterlegen sind, etwa bei der Temperaturbeständigkeit, der Temperatur­bandbreite oder der Verfügbarkeit.

Ein Beispiel aus der Architektur verdeutlicht das eindrücklich: Die Allianz Arena in München wurde mit ETFE-Folien ausgekleidet. Würde man hier auf alternative Materialien setzen, würde sich entweder das Brandrisiko oder das Gewicht der Bauteile erhöhen; ob damit ein ähnlich imposantes Bauwerk umsetzbar wäre, ist mehr als fraglich. Dazu kommt, dass neue Materialien im Gegensatz zu Fluorkunststoffen praktisch überhaupt nicht erforscht und geprüft sind, mithin der Nachweis ihrer Unbedenklichkeit fehlt.

 

Raus aus dem Verfahren

Daher kann es in unseren Augen nur eine Lösung geben: Fluorpolymere müssen aus dem ECHA-Beschränkungsverfahren herausgelöst werden. Ein Verbot nur aufgrund ihrer persistenten Eigenschaften ist weder notwendig noch zielführend. Um ein Umdenken bei Politik und anderen gesellschaftlichen Akteuren zu bewirken, sucht der Industrieverband pro-K und die darin organisierten Fluorpolymer-Experten den direkten Austausch und Dialog – mit der Politik etwa auf Landes- und Bundesebene. Die Signale beispielsweise aus dem im Mai von mir besuchten Bundeswirtschafts- und Klimaschutzministerium sind durchaus vielversprechend. Unsere Argumente treffen auf offene Ohren. Wichtig ist, ein Verständnis dafür zu schaffen, dass der aktuell vorgelegte ECHA-Entwurf die technologische Souveränität und Versorgungssicherheit der EU in zentralen Schlüsselindustrien der Zukunft bedroht. Auch künftig muss es möglich sein, Fluorkunststoffe einzusetzen, von denen nachweislich kein unkontrollierbares Risiko für Mensch und Umwelt ausgeht.

Wichtig in diesem Zusammenhang

Was Sie über PFAS wissen müssen

Übersichtsgrafik zu PFAS.
Wissenswertes zu PFAS finden Sie in unserem Übersichtsartikel. (Bild: Francesco Scatena – Stock.adobe.com)

Fluorpolymere und weitere fluorhaltige Substanzen sollen verboten werden. Eine ihrer herausragenden Eigenschaften – die Beständigkeit – könnte ihr Verbot bedeuten. Für Sie haben wir das Thema PFAS aus verschiedenen Blickwinkeln während der Widerspruchsfrist beleuchtet und halten Sie künftig zu PFAS-Alternativen auf dem Laufenden. Alles, was Sie zum Thema wissen sollten, erfahren Sie hier.

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