Ehrlich gesagt war das Studium der Kunststofftechnik für mich ursprünglich eine Notlösung. Im Maschinenbaustudium in Schmalkalden war ich an einer Prüfung gescheitert, die im Studiengang angewandte Kunststofftechnik nicht vorkam. Daher wechselte ich die Fachrichtung und konnte alle anderen, erfolgreichen Prüfungsergebnisse mitnehmen. Erst während des Studiums wurden meine Augen für das Wesen und die Besonderheiten der Kunststoffe geöffnet.
Wie toll ist es, wenn man einen Werkstoff erzeugen kann, der genau die Eigenschaften liefert, die eine Anwendung benötigt? Und wenn man den Werkstoff dann auch noch in so vielseitigen Verfahren verarbeiten und bearbeiten kann, da kommt das Ingenieursherz nicht aus dem Staunen heraus!
Bereits während des Studiums konnte ich in einem Werkzeugbau Praxiserfahrungen sammeln und tief in die Abläufe hinter dem einfach klingenden Begriff „Werkzeug“ schauen. Ein typisch deutsches Wort, welches von einem Hammer bis hin zu einem Spritzgießwerkzeug mit eigener Sensorik, Hydraulikantrieben und mechanischen Komponenten alles abdeckt.
Nachdem ich den Abschluss als Bachelor of Engineering an der FH Schmalkalden in der Tasche hatte, stieg ich direkt in die Konstruktion von Spritzgießwerkzeugen ein. Und ich kann Ihnen sagen, es ist ein absolut großartiges Gefühl, wenn bei einer Musterung das Werkzeug, was man im CAD erdacht hat, auch genau so funktioniert, wie man sich das vorgestellt hat. Und selbst wenn mal etwas irgendwo klemmt, dann wird im Werkzeugbau angepackt und gemeinsam nach einer Lösung gesucht.
Um mein theoretisches Wissen weiter voranzubringen habe ich dann gemeinsam mit zwei Kommilitonen aus Schmalkalden noch ein Fernstudium an der TU Dresden absolviert. Der Abschluss Diplom-Ingenieur klingt halt einfach toll. Auch im dortigen Maschinenbaustudium hat mich der Kunststoff nicht losgelassen. So habe ich in meiner Studienarbeit beispielsweise ein Spritzgießwerkzeug für die Digitalisierung der Ausbildung der Verfahrensmechaniker erstellt.
Beruflich konnte ich zu der Zeit über eine Stelle bei einem Ingenieurdienstleister meine Werkzeugbauerfahrungen in der Produktentwicklung einbringen. Vor allem die Bandbreite des Kunststoffeinsatzes kam hier nochmal enorm zum Tragen. Von Automotiveteilen über Kaffeemaschinen bis hin zu Anwendungen in der Medizintechnik, jeder Bereich hat seine eigenen Anforderungen, aber keiner der Bereiche käme ohne Kunststofftechnik aus. Und tatsächlich ist es ein gutes Gefühl, wenn Produkte, die man (mit)entwickelt hat, im Serienanlauf sind und alles funktioniert wie gedacht.
Man merkt schon, aus der Notlösung ist für mich ein Lebensinhalt geworden. Mich fasziniert die Wandelbarkeit und das breite Einsatzspektrum der Kunststoffe. Derzeit arbeite ich bei Witosa im technischen Vertrieb von Heißkanälen. Gerade mit den innovativen Ansätzen aus dem 3D-Druck können Heißkanaldüsen direkt auf die immer differenzierteren Werkstoffe zugeschnitten und diese dann ideal verarbeitet werden. Außerdem ermöglicht diese Technologie die Energiekosten im Spritzguss zu reduzieren. Und das muss das Ziel sein.
Eine Welt ohne Kunststoffe kann niemand wollen. Aber wir alle müssen schauen, dass bestehende Kunststoffmengen wieder in den Zyklus kommen. Außerdem gilt es, den Energieeinsatz in der Verarbeitung so weit wie möglich zu reduzieren und die Herstellung neuer Kunststoffe vom Öl unabhängiger zu machen. Nur dann haben wir eine lebenswerte Zukunft vor Augen.
Und für all das braucht es: Kunststoffingenieure!