schwarzes Auto

(Bild: Hella)

Hybridbauteile nehmen in der Zukunft des Automobilbaus eine wesentliche Rolle ein. Der Trend zum Leichtbau und zum Erhöhen der Funktionalität bei gleichzeitig zunehmender Variantenvielfalt führt zur Notwendigkeit, verschiedene Werkstoffklassen miteinander zu kombinieren. In lichttech-nischen Anwendungen, wie Scheinwerferoptiken, kommen häufig Leichtmetallkomponenten sowie Kunststoffbauteile zum Einsatz. Leichtmetallbauteile sind in der Formvielfalt und Oberflächenqualität eingeschränkt, während Kunststoffbauteile eine vergleichsweise hohe anisotrope Wärmeausdehnung bei geringer Wärmeleitfähigkeit aufweisen. Ein Werkstoffverbund aus für optische Anwendungen vielseitig eingesetztem Polycarbonat (PC) und Leichtmetallkomponenten kann die Beschränkungen der Einzelmaterialien aufheben und die Vorteile kombinieren [1, 2].

Zum Realisieren des Verbundes gibt es verschiedene Herstellungsverfahren. Aufgrund fehlender Haftvermittlersysteme für die Materialkombination aus PC und Leichtmetallen wie Aluminium kann für eine hohe Verbindungsfestigkeit ein Mikroformschluss angestrebt werden. Dazu muss die Leichtmetallkomponente zunächst mittels Laserstrahlung mikrostrukturiert werden [3]. Anschließend kann durch Hinterspritzen der strukturierten Metallkomponente im In-Mould-Assembly  eine formschlüssige, hochfeste und mediendichte Verbindung erzeugt werden.

Ein entscheidender Einflussfaktor auf die Hybridverbundhaftung ist die Füllung der einzelnen Mikrostrukturen. Um bei größeren Verbundflächen eine vollstän-dige Füllung der Strukturen durch die Kunststoff-schmelze zu erreichen, muss das Füllverhalten über den Fließweg bewertet werden. Dies ist besonders relevant, um bei der Konstruktion und Auslegung von Hybridbauteilen und -produkten frühzeitig den zu erreichenden Verbund beurteilen zu können. Simulative Vorhersagemethoden zu Mikrostrukturfüllungen im Spritzgießprozess sind bislang allerdings nur unvollständig möglich [4]. Ein Bewerten kann durch die praktische Untersuchung der Fließweglänge und Strukturfüllung eines mit einer Fließspiralengeometrie hinterspritzten, strukturierten Blecheinlegers erfolgen.

Weshalb Fließ- und Füllverhalten wichtig sind

Polycarbonatformmassen können in Automobilbeleuchtungen vielseitig eingesetzt werden. Neben transparenten Streu- und Abdeckscheiben ist auch ein Einsatz für metallisierte Rahmen und Reflektoren möglich [5]. Eine Herausforderung der hybriden Verwendung von Polycarbonat und Leichtmetallen sind die stark voneinander abweichenden Ausdehnungskoeffizienten, die den Verbund im Anwendungsfall belasten. Durch das Hinzu-fügen von Mineralfüllstoffen kann der Ausdehnungs-koeffizient des Kunststoffes in Annäherung an Metalle reduziert werden. Weiterhin verringern die Mineralfüllstoffe die Bauteilschwindung und verbessern so die Maßhaltigkeit [6]. Der erhöhte Füllstoffanteil beeinflusst allerdings das Fließverhalten der Formmasse, sodass in den folgenden Untersuchungen die ungefüllte Polycarbonat-Formmasse Makrolon 2205 (PC) sowie die zu 40 % mit Mineral gefüllte Spritzgießformmasse Makrolon DS801 (PC40) von Covestro, Leverkusen, verwendet werden. Dies ermöglicht das Bewerten des Einflusses der für den Belastungsfall vorteilhaften Mineralfüllstoffe auf die Bauteilherstellung.

Die Analyse der Fließeigenschaften der eingesetzten Kunststoffformmassen in Abhängigkeit der strukturierten Leichtmetallkomponenten kann durch die Variation der Laserstrukturgeometrie, der Vorbehandlung, der Formmasse und des Einspritzdrucks sowohl prozess- als auch materialabhängig bewertet werden. Dazu wird der in Bild 1 dargestellte Herstellungs- und Analyseprozess durchlaufen. Die geometrisch auf den Werkzeugeinsatz angepassten Aluminiumblecheinleger werden im ersten Schritt durch das Fraunhofer Institut für Lasertechnik, Aachen, mit einem Ytterbium Faserlaser mikrostruk-turiert, um hinterschnittige Formschlussstrukturen mit einer Tiefe von 300 bis 400 µm und einer Öffnungsbreite von 100 bis 200 µm zu erzeugen. Nachfolgend wird ein Teil der Proben zur Analyse des Vorbehandlungsein-flusses gebeizt. Das Beizen entfernt Verunreinigungen und Aufwürfe an der Blechoberfläche und erweitert die Strukturöffnungen. Dies verbessert das Eindringen der Kunststoffschmelze und die Langzeiteigenschaften der Verbindung, da die Korrosionsneigung reduziert wird [7]. Die strukturierten Bleche werden im nächsten Prozessschritt in das temperierte Spritzgießwerkzeug eingelegt und hinterspritzt. Um ein späteres Übertragen der Ergebnisse auf bereits ermittelte Verbundfestigkeiten zu ermöglichen, werden die Werkzeug- sowie die Massetemperatur entsprechend den Voruntersuchungen gewählt (TM = 300 °C; TW = 90 °C).

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Prozessablauf zur Analyse des Fließ- und Füllverhaltens formschlüssig verbundener Kunststoff/Metall-Hybridbauteile. (Bild: IKV)

Weiterhin wird der Einspritzprozess direkt über den Nachdruck gesteuert, um einen gezielten Spritzdruck einstellen zu können. Dazu wird eine Spritzgießmaschine von Sumitomo (SHI) Demag, Schwaig, des Typs Intelect 2 100/470-250 verwendet. Ein beispielhafter Probekörper sowie die untersuchten Laserstrukturierungen und Fließbereiche sind in Bild 2 dargestellt. Die erreichten Fließwege werden gemessen und das Füllverhalten wird über den Fließweg mithilfe von Auflichtmikroskopieaufnahmen des Verbundquerschnitts analysiert. Dazu werden entlang der Fließspirale repräsentative Proben entnommen. Zusätzlich wird der Bereich des Verbindungsendes optisch ermittelt und untersucht. Das Verbindungsende beschreibt den Punkt, ab dem die Laserstrukturen nicht mehr durch Schmelze gefüllt werden, sodass keine Verbindung mehr zwischen der Kunststoff- und der Metallkomponente vorliegt.

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Darstellung der Strukturanordnung sowie eines hinterspritzten Fließprüfkörpers zum Ermitteln der Fließweglänge, des Verbindungsendes
und des Füllverhaltens. (PC, Oberfläche gebeizt). (Bild: IKV)

So sind die Material- und Prozesseinflüsse zu bewerten

Auf Basis von Voruntersuchungen wurden die Parameter Laserstrukturanordnung (liniert und gekreuzt mit Abstand 1.000 µm), Kunststoffformmasse (PC und PC40), Einspritzdruck (600 bar und 1.000 bar) und Oberflächenvorbehandlung (gebeizt und ungebeizt) als Einflussgrößen auf das Verbundverhalten ausgewählt. Das Bestimmen der Fließweglänge ermöglicht es, eine Bewertung des eingesetzten Materials im Hinblick auf die Bauteilfüllung, die Strukturfüllung und den resultierenden Hybridverbund im geplanten Prozessfenster vorzunehmen.

Die Ergebnisse der gemittelten Fließweglängenbestimmung von jeweils 5 untersuchten Proben pro Versuchspunkt sind in Bild 3 dargestellt und zeigen einen signifikanten Einfluss des Einspritzdrucks und der verwendeten Formmasse sowie der Beizbehandlung auf den Fließweg. Eine Erhöhung des Einspritzdrucks um 400 bar führt zu einer Verlängerung des Fließweges um bis zu 60 %. Das mit Mineralfüllstoffen versetzte Polycarbonat erreicht bei gleichen Prozessparametern aufgrund der erhöhten Schmelzeviskosität nur eine verringerte Fließweglänge. Der Beizprozess führt durch die Entfernung der Aufwürfe und Fließhindernisse besonders bei der hochgefüllten Formmasse zu einer signifikanten Fließwegverlängerung.

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Gemessene Fließweglängen und Position des Verbindungsendes in Abhängigkeit der Prozess- und Materialvariation. (Bild: IKV)

Entlang des Fließweges nimmt die Füllung der Mi­krostrukturen für beide Formmassen ab. Die Schmelzefront kühlt ab und die erhöhte Viskosität sowie der Druckabfall verhindern das Eindringen der Schmelze in die hinterschnittigen Strukturen. Die Darstellung der Fließweglängen sowie der erreichten Verbindungsenden in Bild 3 weisen darauf hin, dass mit einem höheren Spritzdruck tendenziell auch ein Füllen der Strukturen über einen weiteren Weg möglich ist. Während Voruntersuchungen gezeigt haben, dass die Strukturanordnung bei gleicher Strukturdichte die mechanische Festigkeit des Hybridverbundes stark beeinflusst, lässt sich nur ein geringer Einfluss auf die Fließweglängen durch die variierte Strukturierung (liniert oder gekreuzt) der Proben feststellen. Allerdings ist für die gekreuzte Struktur auch bei niedrigen Einspritzdrücken eine verbesserte und verlängerte Strukturfüllung zum Fließwegende erkennbar, da im Vergleich zu den linierten Strukturen auch ein Fließen in Strukturierungsrichtung möglich ist.

Durch eine mikroskopische Analyse der Verbundflächen entlang der Fließspirale lassen sich weiterhin das Füllverhalten sowie die Qualität der Laserstrukturen bewerten. Über den Fließweg können verschiedene Struktur- und Füllfehler unterschieden werden (Bild 4). Ein Betrachten der Verbundbereiche in Abhängigkeit der variierten Parameter zeigt eine deutliche Reduktion von Aufwürfen und Verschlüssen durch den Beizvorgang. Weiterhin kann durch den Einsatz von gefülltem Polycarbonat die Gesamtfehleranzahl, besonders im Hinblick auf unvollständige Strukturfüllungen, reduziert werden. Der steifigkeitssteigernde Füllstoff reduziert die Fließweglänge, verbessert durch die entstehenden Drücke jedoch gleichzeitig die Füllung über den verkürzten Fließweg.

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Anzahl der Struktur- und Füllfehler in Abhängigkeit der Prozess- und Materialvariation. (Bild: IKV)

Die dargelegten Ergebnisse erlauben Rückschlüsse auf das Fließverhalten der eingesetzten Polycarbonatformmassen und weisen den Einfluss der Beizvorbehandlung sowie des Einspritzdrucks strukturunabhängig nach. In der Hybridtechnik bietet das aufgezeigte Vorgehen Potenziale, einen simulativ nicht ausreichend darstellbaren Strukturfüllvorgang zu ergänzen und für die Bauteilentwicklung einzusetzen. Im Rahmen des Projektfortschritts soll die Korrelation zwischen den Fließ- und Fülleigenschaften und den resultierenden Festigkeits- und Dichteigenschaften hybrider Prüfkörper weiterführend beurteilt werden.

Literatur

[1] N.N.: Neue Materialien Fürth - Kunststoff-Metall-Hybridtechnik. (2015)
[2] Albert, A./Zorn, W./ Layer, M./Drossel, W.-G. et al.: Smart Process Combination for Aluminum/Plastic Hybrid Components. Technologies for Lightweight Structures 2 (2017) 1, S. 44–53.
[3] Van der Straeten, K.: Laserbasiertes Fügen von Kunststoff-Metall-Hybridverbindungen mittels selbstorganisierter Mikrostrukturen. RWTH Aachen University, Dissertation, 2020.
[4] Bauser, M. Simulative Auslegung und praktische Validierung der Formfüllung von mikrostrukturierten Hybridformteilen im Spritzgießen (2020).
[5] Abts, G.: Kunststoff-Wissen für Einsteiger. München,  2016.
[6] Gestermann, S./Köppchen, W./Krause, V./Möthrath, M./Pophusen et al.: Polycarbonat und seine Blends für Karosseriebauteile. ATZ-Automobiltechnische. Zeitschrift 107 (2005) 11, S. 1010–1016.
[7] Fedler, M.: Umspritzen und prüfen von Einlegeteilen. Kunststoffxxtra 2 (2012) 4, S. 6–8.

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