Ein Mann mit weißen Haaren und schwarzem T.Shirt steht vor einer blauen Wand auf der "Sumitomo, DHI Demag" steht. In seinen neun Jahren als Geschäftsführer trieb Gerd Liebig insbesondere den Ausbau der vollelektrischen Spritzgießmaschinentechnologie voran.

In seinen neun Jahren als Geschäftsführer trieb Gerd Liebig insbesondere den Ausbau der vollelektrischen Spritzgießmaschinentechnologie voran. (Bild: Redaktion)

Welche großen Veränderungen hat die Branche während Ihrer 35 Jahre Kunststoffindustrie durchlebt?
Gerd Liebig: Die zunehmende Internationalisierung und die vielleicht altersbedingte Einschätzung, dass es immer weniger Querdenker und Kunststoffenthusiasten in der Branche gibt. Die Kraibühlers und Steinbichlers aus der Vergangenheit wurden im gesamten Wettbewerbsumfeld immer stärker von stromlinienförmigen Managern ersetzt, die heute Spritzgießen leiten und morgen etwas ganz anderes machen. Ich kann ein solches Unternehmen aber nicht auf Dauer erfolgreich führen, wenn ich von der Spritzgießtechnologie nicht begeistert bin. Mir fehlt da der Drang zur Kreativität und zum Hinterfragen, das ist wichtiger als das minutiöse Planen, das nicht immer zu nützlichen Ergebnissen führt. Unsere Indus-trie braucht mehr Enthusiasten, Systemsprenger und ein paar Genies – die fehlen zunehmend. Ein ganz wichtiges Thema wird die Automation und die Digitalisierung darstellen. Wir werden bei unseren Kunden immer weniger qualifizierte Maschinenbediener finden – die Antwort darauf sind Assistenzsysteme und Automation.

Wie hat sich die Spritzgießmaschinenbranche in dieser Zeit verändert?
Liebig: Vor 35 Jahren gab es die Maschine – und die Frage war Kniehebel oder 2-Platten. Es gab eine Vielzahl von deutschen und österreichischen Unternehmen, die zunehmend weniger werden. Unsere Kunden werden internationaler, und sie brauchen internationale Partner mit starker lokaler Präsenz und Fertigung nah am Kunden. Und wir brauchen eine klare Definition des Kundennutzens für High-Performance, diese Differenzierung wird immer weniger mit der Maschine gelingen und immer mehr über Automation und Digitalisierung. Mir ist überhaupt nicht bange um die Zukunft unserer Industrie. Man muss nur die Märkte verstehen und die richtigen Antworten entwickeln

Aktuell dreht sich vieles um die Themen Künstliche Intelligenz, ChatGPT und Co.: Sind das Ihrer Meinung nach Technologien, die sich auch nachhaltig in der Produktionstechnik respektive kunststoffverarbeitenden Industrie durchsetzen werden?
Liebig: Digitalisierung ist für uns in unserer Produktion ein extrem wichtiger Baustein. Wenn Sie nach unseren Kunden fragen, hilft uns Digitalisierung, endlich echte Daten über die Nutzung unserer Maschinen und die Belastung unserer Komponenten zu bekommen. Das hat Einfluss auf unser Engineering, auf Predictive Maintenance und auf den Nutzen der Assistenzsysteme. Zudem ist Digitalisierung ein wichtiges Differenzierungsmerkmal zu Commodity-Anbietern und kann uns helfen, dem Fachkräftemangel zu begegnen und dem fallenden Qualifizierungsniveau der Maschinenbediener entgegenzuwirken.

Nachhaltigkeit und Energieeffizienz sind bei der Kunststoffverarbeitung wichtig. Mit welchen Technologien unterstützt Sumitomo (SHI) Demag hier die Kunststoffverarbeiter?
Liebig: Als wir vor acht Jahren auf einen Schlag nur noch vollelektrische Maschinen in Wiehe gebaut haben, hat man uns belächelt. Jetzt sind wir Mr(s). Vollelektrik und haben den Trend zu vollelektrischen Maschinen nicht mit Lippenbekenntnissen, sondern mit klaren Handlungen geführt. Wir verfeinern unsere Strategie und bieten nun auch Spezialitäten in „Vollelektrik“ an. Mit unseren Angeboten zum digitalen Prozessbegleiter My Assist, der eine effizientere Nutzung von Maschine und System ermöglicht, mit der modularen Plattform My Connect, die dem Verarbeiter einen Echtzeit-Überblick über alle Daten gibt und Predictive Maintenance ermöglicht und nicht zuletzt mit Active Melt Control, mit der der Verarbeiter zum Beispiel schwankendes Schussgewicht bei   100 Prozent recyceltem Material ausgleichen, auf den Level von Neuware bringen und somit seine Ausschussquote massiv reduzieren kann, tragen wir zur Nachhaltigkeit und Effizienz in der Produktion unserer Kunden bei.

Geschäftsführung bedeutet nicht nur Technologien zu entwickeln, sondern auch die Mitarbeiter. Welche Werte sind Ihnen in der Führung Ihrer Mitarbeiter besonders wichtig?
Liebig: Wir achten auf gegenseitigen Respekt – es spielt keine Rolle, wo ein Mitarbeiter herkommt; wichtig für uns ist, wo er mit uns hin will. Wir sind ein internationales Unternehmen mit Mitarbeitern aus 16 Nationen – manche von ihnen schon in der dritten Generation und in Führungspositionen. Diversität wird bei uns nicht nur geduldet – wir wissen um die Bereicherung, die unterschiedliche Ansichten und Lebensweisen mit sich bringen und sich dann auch im Arbeitsleben niederschlagen. Wer hier nicht mitmachen kann oder will, hat bei uns keinen Platz. Dafür sorgen wir Hand in Hand mit dem Betriebsrat. Die bei uns gelebte Transparenz pflege ich seit Jahren mit dem Coffee Talk: Einmal im Monat erläutere ich über Teams Unternehmensthemen – die Beteiligungsquote der Mitarbeiter geht gegen 100 Prozent. Und die Wahrnehmung ist: Das ist meine Firma!

Was würden Sie jungen Menschen raten, die heute in die Branche eintreten?
Liebig: Ein leichter Job ist es nicht, in unserer Branche zu arbeiten. Das liegt primär an der starken Nachfragefluktuation. Aber es ist extrem vielseitig, spannend und für die Zukunft herausfordernd. Kunststoff richtig genutzt, kann ein unglaublich vielseitiges Spektrum an Einsatzmöglichkeiten bieten. Die Verpackungsindustrie ist im Umbruch, in der Medizintechnik tun sich viele neue Anwendungen auf, die Teile werden individualisierter, personalisierter und die Lebenszyklen vieler Teile sinken. Da sind viele junge Ideen und ein kräftiges Maß an Flexibilität gefordert.

Ein Mann mit weißen kurzen Haaren sitzt in einem weißen LKW mit der Aufschrift "Sumitomo SHI Demag an der Tür. Als passionierter Sportler möchte sich Liebig wieder intensiver den eigenen sportlichen Hobbys wie Rennradfahren und Skitouren widmen. Ob ein Ausflug mit dem Roadshow-Truck von Sumitomo dazugehört, hat er nicht verraten.
Als passionierter Sportler möchte sich Liebig wieder intensiver den eigenen sportlichen Hobbys wie Rennradfahren und Skitouren widmen. Ob ein Ausflug mit dem Roadshow-Truck von Sumitomo dazugehört, hat er nicht verraten. (Bild: Redaktion)

Wie wirkt Sumitomo dem Fachkräftemangel entgegen? Und wie könnte man Ihrer Meinung nach junge Menschen motivieren, sich für den Wertstoff Kunststoff zu begeistern?
Liebig: Da gibt es drei Faktoren: ordentliche Bezahlung, damit sie die Besten kriegen und diese auch bleiben, maximale Freiräume und Vertrauen in Menschen, Funktionen und Arbeitsbedingungen sowie eine intensive und total transparente Kommunikation zu den Mitarbeitern. Die ganze Region schaut mit Neid auf unseren Solidarpakt in der Krise ohne Kündigung. Alle beteiligen sich an Sparmaßnahmen und Kurzarbeit, sodass niemand seinen Arbeitsplatz und wir nicht unsere Kolleginnen und Kollegen verlieren. Uns eint mit dem Betriebsrat das Bestreben, Arbeitsplätze langfristig zu sichern. Auch während der Krise haben wir die Zahl unserer Auszubildenden nicht zurückgeschraubt, sondern weiterhin hochgehalten. Wir legen viel Wert darauf, unsere nächste Generation gründlich auszubilden und an die Firma zu binden. Der Kampf gegen Corona ohne Kunststoff? Undenkbar! Ein Fahrzeug ohne Kunststoff? Megaschwer! Elektronik ohne Kunststoff? Megateuer! Es gibt keinen nachhaltigeren, innovativeren, flexibleren, günstigeren Werkstoff als Kunststoff.

Sie haben mitgeteilt, dass Sie Sumitomo (SHI) Demag auch weiterhin unterstützen wollen. Welche Projekte oder Initiativen werden dies sein?
Liebig: Es wird eine Aufgabe bei Sumitomo Heavy Industries sein, bei der ich meine Stärken einbringen werde und der Spaßfaktor ungemein hoch ist. Die Voraussetzungen sind weniger finanzieller Natur, sondern sehr viel Freiraum, den ich haben möchte. Mein privates Steckenpferd ist die Energiewende in meiner Heimatstadt Enns in Oberösterreich, wo mich die Bürger zum Obmann (Vorstand) der erneuerbaren Energiegemeinschaft gewählt haben. Das nehme ich sehr ernst; ich will die Energieautarkie von Enns.

Die große Übersicht zum Studium der Kunststofftechnik

Junge Menschen beobachten gemeinsam einen 3D-Drucker bei der Arbeit
(Bild: Dalle 3 / OpenAI)

Die Kunststoffindustrie sucht händeringend nach Fachkräften. Und auch die Hochschulen melden immer weniger Einschreibungen für ein Studium der Kunststofftechnik. In unserer Übersicht gehen wir für alle Interessierte den Fragen nach:

  • Was macht eigentlich ein Kunststoffingenieur?
  • Wie viel verdient ein Kunststoffingenieur?
  • Wo kann ich Kunststofftechnik studieren?

Neugierig geworden? Dann folge diesem Link.

Gibt es Hobbys oder Interessen, denen Sie nun mehr Zeit widmen möchten?
Liebig: Da ich ein passionierter Sportler bin, werde ich mich wieder deutlich intensiver meinen sportlichen Hobbys widmen – Rennradfahren und Skitouren gehen. Mein ländlicher Wohnsitz in der Nähe der Berge hilft da natürlich ungemein. Mein anderes großes Interesse gilt der Energiewende. Mit Gleichgesinnten haben wir am Wohnort eine Bürgerinitiative gegründet, die den Energiewandel in meiner Heimatstadt Enns vorantreibt. Hin zu Solarstrom, weg von fossilen Energieträgern.

Wie möchten Sie von Ihren Kollegen und der Branche in Erinnerung behalten werden?
Liebig: Es wäre zutiefst befriedigend für mich, wenn mein Name in unserer Branche mit Kompetenz, Zuverlässigkeit und Leidenschaft in Verbindung gebracht wird. Ich bin Kunststoffenthusiast, Visionär und liebe das unternehmerische Risiko. Ich rede immer Klartext, auch wenn das den einen oder anderen irritiert.

Quelle: Sumitomo (SHI) Demag

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