Entnahme aus einem Spritzgusswerkzeug wie rohe Eier zu behandeln, war eine der Herausforderungen: Ein Automobilzulieferer benötigte für die Fertigung der Lüftungsdüsen der neuen Mercedes-Benz C-Klasse von Daimler eine Entnahmeeinheit. Die soll die Einzelteile für täglich 15.000 Bauteile bei der Entnahme aus der Spritzgussmaschine vor unerlaubten Zugriff schützen und dabei eine präzise Rundheit gewährleisten. 4.000.000 solcher Lüftungsdüsen sollen so in sechs Jahren bereitgestellt werden.
Aufgrund der hohen Stückzahl werden dem Qualitätsanspruch und der Ausschussminimierung naturgemäß besondere Bedeutung beigemessen. Die Fischer Automotive Systems, Horb a. N., zählt als einer von vier Geschäftsbereichen zur Unternehmensgruppe Fischer mit Sitz in Waldachtal. Die Sparte Automotive liegt nach Umsatz und Größe an zweiter Stelle in der Gruppe und produziert am Standort Horb sowie in Tschechien, China und den USA hochwertige Innenraumkomponenten für Automobile, darunter Lüftungsdüsen, Getränkehalter oder Halterungen für Navigationssysteme.
Nun sind diese sichtbaren Bauteile natürlich nicht so empfindlich, dass jede Berührung sofort Kratzer verursacht. Ganz anders verhält sich das aber im 80 bis 90 °C warmen Zustand, in dem sich die Teile befinden, wenn sie aus dem Spritzgusswerkzeug kommen.
Absolutes Berührungsverbot
Hier gilt absolutes Berührungsverbot, denn selbst der kleinste Fingerabdruck mindere die Qualität, so Waldemar Schander, Mitarbeiter AV/Planung Task force Spritzgusscenter, bei Fischer Automotive Systems. Um das hohe Entnahme- und Ablagepensum dieser Spritzgussteile bewältigen zu können helfen sieben Roboterhände von Gimatic, Bodelshausen. Das Entnehmen von vier Teilen sowie der Angüsse und schließlich das Ablegen in Trays dauert jeweils eine halbe Minute.
Im Werkzeug werden vier Teile gleichzeitig spritzgegossen. Der Spritzzyklus beginnt mit dem Erhitzen des Granulats auf 300 °C. Die Kunststoffschmelze wird in die verhältnismäßig kalte Form mit einer Temperatur von 90 °C eingespritzt. Nach dem Abkühlen auf 90 °C werden die Teile über einen hydraulischen Auswerfer entformt. Der Entnahmegreifer, bestehend aus vier Großhubgreifern, fährt ins Werkzeug und holt sich die Teile heraus. Nach der Entnahme bewegt sich der Greifer zur Ablageposition. Dort warten über ein Förderband zugeführte Trays auf eine komplexe Ablageprozedur. Die Trays werden anschließend zur Düsenmontage gebracht.
Insgesamt können auf einer Maschine sieben verschiedene Teile mit unterschiedlichen Durchmessern spritzgegossen werden. Gefertigt werden Blenden, Rosetten und Kugelvorderteile in den Abmessungen zwischen 68 bis 74 mm Durchmesser. Sie werden später zu Lüftungsdüsen montiert, die ihren Platz im Sichtbereich des Fahrzeugs finden. „Unsere Greifer können in dieser Bandbreite des Durchmessers variieren“, sagt Johannes Lörcher, Geschäftsführer bei Gimatic. „Zudem sind sie im Verhältnis zu Baugröße und Hub um etwa 25 Prozent kleiner und leichter als die Mitbewerberprodukte.“
Ausgetüftelte Entnahmeeinheit
Für die Flexibilität der Entnahmestation sorgen Großhub-Parallelgreifer der Baureihe SZ, die flach bauen und große Hübe von 2 x 6 mm fahren können. So ermöglichen sie, dass das ganze Teilespektrum mit einem Greifer aufgenommen und abgelegt werden kann. „Der Mechanismus, der die flache Bauform des Großhubgreifers und seinen großen Hub ermöglicht, ist patentiert“, betont Lörcher. Doch wie greift ein Greifer ohne anzufassen? Besonders ausgeformte Formbacken gestatten es, die Teile innen zu greifen. „Dieses konstruktiv auszuführen, war schon eine Tüftelei und Fleißarbeit“, erinnert er sich. „Die Störkonturen, die bei der Größe des Teilespektrums beim Aufnehmen und Ablegen ausgeschaltet werden mussten, haben uns besonders herausgefordert.“
Vom Erstkontakt bis zur Serienreife vergingen gerade nur vier Monate – eine knapp bemessene Zeit für ein solches Projekt.
Ebenso ausgeklügelt ist die Ablageprozedur in die Trays, für die aufgrund der unterschiedlichen Größen und Formen gleich 14 Ablageprogramme erarbeitet werden mussten. Die Komplexität ergibt sich daraus, dass nicht jeder der vier Greifer jede Stelle im Tray erreicht. Bei der Teileerkennung, ob der Platz schon belegt oder noch frei ist, hilft ein eingebauter Sensor. Dieser meldet auch, wenn sich noch ein Teil beim Wiedereinfahren ins Werkzeug auf dem Greifer befinden sollte. So wird eine Kollision verhindert. Der gefederte Greifer zur Entnahme der Angüsse, die beim Spritzgussvorgang entstehen, ist mit einem Druckminderventil ausgestattet und damit selbsteinstellend.
„Bei dieser Anwendung kam es besonders darauf an, dass wir die empfindlichen Hochglanzoberflächen am besten kontaktlos aus dem Werkzeug entnehmen und ablegen“, beschreibt Schander die Aufgabenstellung. Dieser Anforderung kam der Greiferspezialist durch das Aufnehmen der Teile im inneren, nicht sichtbaren Bereich nach. Dieser Bereich wird zudem durch die Ausführung der Greiferbacken in Hartkunststoff geschützt.
Die Rundheit der Bauteile während der Entnahme beizubehalten, war eine weitere Schwierigkeit. Die Teile dürfen beim Entnehmen nicht verformt werden. Zwischen Kugelvorderteil, Rosette und Blende gibt es Spaltbilder, die übereinander passen müssen, weil sie später im montierten Zustand übereinander liegen. Dafür müssen sie in einem Toleranzbereich mit ±0,2 mm Rundheit gefertigt werden. Die Einhaltung dieser Toleranzen wurde durch eingebaute Druckminderer und die spezielle Greiferbacken-Geometrie sichergestellt.
Vielversprechendes Zukunftsgeflüster
Während der Entwicklungsphase zeigten sich beide Unternehmen sehr flexibel. Durch die Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit gingen die Entwicklungen von Montage- und Werkzeugkonzept, Greifereinheit und Trays gleichzeitig vonstatten. „Die Abstimmung hat hervorragend funktioniert, Optimierungswünsche wurden vor Ort besprochen und rasch umgesetzt“, erzählt Schander, der die örtliche Nähe für eine schnelle und zielgerichtete Lösungsfindung als sehr wertvoll erachtet.
Und was bringt die Zukunft für die neuen Partner? Gleich zwei weitere solche Greiferlösungen finden im neuen Fischerwerk in Tschechien Einsatz. „Außerdem erarbeiten wir gemeinsam sechs kleinere Projekte mit Greifersystemen, -komponenten sowie ein mittelgroßes Projekt über eine Wendestation“, freut sich Lörcher, der beim Rundgang durch die Fertigung noch viele weitere Anwendungen für seinen Greiferbaukasten entdeckt.
„Mit unserer jetzt kompletten Mechatronikserie sind wir zudem in der Lage, fast alle Anwendungen elektrisch auszuführen, was sicherlich für künftige Lösungen interessant ist“. Lörcher bedauert in diesem Zusammenhang aber, dass sich kein Anwender die Mühe macht, die höheren Kosten für mechatronische Produkte den höheren Kosten für den Druckluftaufwand gegenüberzustellen. Dennoch, er sieht die Zukunft druckluftfrei.
„Bei dieser Anwendung kam es darauf an, dass wir die empfindlichen Hochglanzoberflächen am besten kontaktlos aus dem Werkzeug entnehmen und ablegen.“
Waldemar Schander, Mitarbeiter AV/Planung Task force Spritzgusscenter, Fischer Automotive Systems