Zwei Hände, die ein Tablet festhalten auf dem Tabellen und Diagramme zu sehen sind.

So wird der Spritzgießprozess transparent: Zuvor in die Cloud übertragene Daten werden von Algorithmen mit Hilfe von KI verarbeitet. Sie lassen sich mit jedem browserbasierten Endgerät abrufen. (Bild: Aisemo)

Kuh mit gelben Kunststoffclips in den Ohren.
Künstliche Intelligenz wird auch in der Landwirtschaft erfolgreich eingesetzt, wie hier anhand eines Ohr-Sensors, der Daten über Bewegungen und Körpertemperaturveränderungen erfasst und analysiert. (Bild: Aisemo)

Mehrere Hunderttausend Milchkühe tragen Sensoren zur Früherkennung von Erkrankungen. Mit Hilfe Künstlicher Intelligenz (KI) gelingt es, Ausbrüche bereits Tage im Voraus vorherzusagen. Die Technologie, die bei Nutztieren funktioniert, soll jetzt Stillstände und Ausschuss von Spritzgussmaschinen vermeiden. Aisemo-Gründer Wolfgang Auer hatte 2009 mit „Smartbow“ eine Technologie auf KI-Basis entwickelt, bei der ein Ohr-Sensor Daten über Bewegungen und Körpertemperaturen von Kühen erhob. Er erfasst und analysiert sehr früh Temperaturveränderungen und eine größere Trägheit der Tiere, sodass sich Erkrankungen mehrere Tage im Voraus prognostizieren lassen. Da die Kuh frühzeitig von der Herde getrennt, gepflegt und mit einer geringeren Medikamentendosis behandelt werden kann, spart der Landwirt Kosten. Am Ohr befestigt wird der Sensor mit einem Kunststoffclip. Das Bauteil ließ Auer bei MKW Kunststofftechnik im oberösterreichischen Weibern bei Linz spritzgießen. Sein Einblick in die Branche bescherte dem 47-Jährigen die Erkenntnis, dass im Spritzgießen noch viel Potenzial für Performancesteigerung ungenutzt ist und sah darin Marktchancen.

Wie das Spritzgießen effizienter werden soll

2019 tat sich Auer mit dem drei Jahre jüngeren Werner Schwarz zusammen, Softwareingenieur mit Management-MBA und beruflichen Erfahrungen in der Stahlindustrie. Seinen Analysen zufolge stehen Spritzgießmaschinen bis zu einem Viertel der geplanten Produktionszeit: „Die Stahlindustrie dagegen ist angesichts hoher Produktionskosten schon seit Jahren bis zur letzten Schraube hin auf Effizienz getrimmt.“ Nachdem Auer „Smartbow“ an eines der weltweit führenden Pharmaunternehmen für Tiergesundheit verkauft hatte, gründeten sie 2019 das Unternehmen Aisemo, das sie als geschäftsführende Gesellschafter leiten. Ihr Ziel ist es, Spritzgießern durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz zu weniger Ausfallzeiten und einer drastischen Reduzierung des Ausschusses zu verhelfen. Der Unternehmensname setzt sich zusammen aus den Anfangsbuchstaben der Wörter „Artificial Intelligence“, „SEnsortechnik“ und „MOnitoring“. Hauptprodukt ist „Aisemo Analytics“, eine Komplettlösung, mit der die Produktivität von Spritzgießmaschinen gesteigert und der Ausschuss vermieden werden kann. Sie setzt sich zusammen aus einem Bluetooth-Sensor, einem Tablet und einem Edge-Gateway. Der Sensor muss lediglich an die bewegliche Seite der Schließeinheit geklebt werden. Das dauert keine halbe Stunde, dann kann die Maschine wieder produzieren. Ein Eingriff in ihre Steuerung oder in die IT-Struktur des Unternehmens ist nicht erforderlich. Sobald die Installation abgeschlossen ist, liefert der Sensor kontinuierlich Informationen zu Temperatur und Bewegungen an der Schließeinheit. Diese werden per Bluetooth an ein in der Produktionshalle stationiertes Edge-Gateway gesendet und von dort SSL-verschlüsselt an die Aisemo-Cloud in Frankfurt am Main übertragen. „Unsere Techniker müssen nicht in die IT-Struktur eines Unternehmens eingreifen, die Sicherheit der Produktionsdaten wird von uns nicht berührt“, erklärt Auer.

Eine Hand hält einen Sensor.
Der Bluetooth-Sensor, der die Maschinendaten für „Aisemo Analytics“ erfasst, wird auf die bewegliche Seite der Schließeinheit einer Spitzgießmaschine geklebt. (Bild: Aisemo)

Wie kommen die Daten zum Bediener?

Von Aisemo entwickelte selbstlernende Algorithmen analysieren die Daten und werten sie aus. Hierbei greifen sie auf einen großen Datenpool zu und können so erkennen, wenn sich die Zykluszeiten, Bewegungen und Umgebungstemperaturen in einer charakteristischen Weise verändern. Aus dem Abgleich mit bekannten Datenmustern zieht die Software Rückschlüsse und erkennt in Bruchteilen von Sekunden Unregelmäßigkeiten im Produktionsprozess. Die Informationen sendet die Cloud in Echtzeit zurück an das OEE-Dashboard, mit der Anlagenführer und Produktionsverantwortliche die Gesamtanlageneffektivität, die sogenannte „Overall Equipment Effectiveness“ überblicken. Den Bildschirm können sie auf dem Tablet direkt an der Spritzgießmaschine oder an jedem anderen browserbasierten Endgerät aufrufen. „Die KI erkennt Produktionsunregelmäßigkeiten und Stillstände bereits in einer sehr frühen Phase. So lassen sich die Gründe rasch analysieren. Das verhindert Ausschuss und verringert Ausfallzeiten“, unterstreicht Schwarz. Außerdem lassen sich die Verfügbarkeit einzelner Maschinen und die Produktionsprozesse im Unternehmen besser und sicherer planen.

Monitor mit Tabellen und Grafiken.
Mit „Aisemo Analytics“ lassen sich die Verfügbarkeit einzelner Maschinen und die Produktionsprozesse im Unternehmen besser und sicherer planen. (Bild: Aisemo)
Zwei Herren mit kurzen braunen Haaren und blauen Polo-Shirts.
Gegründet wurde Aisemo 2019 von Werner Schwarz und Wolfgang Auer (rechts). (Bild: Aisemo)

Auf dem Tablet an der Maschine ruft der Bediener nicht nur die Informationen ab. Dort kann er auch auf einfache Art die Gründe für eine Störung oder einen Maschinenstillstand eintragen. „Standardmäßig ist eine Liste mit 15 Stillstandgründen vorkonfiguriert, die der Nutzer seinen Bedürfnissen anpassen kann. Außerdem gibt es ein Feld für eine freie Texteingabe“, erklärt Auer. Die Servicemitarbeiter helfen Kunden nach der Inbetriebnahme dabei, die Fehler zu analysieren, sie richtig zuzuordnen und das Menü bei Bedarf den individuellen Bedürfnissen anzupassen. „‚Aisemo Analytics‘ ist eine Softwarelösung, die wenige, aber aussagekräftige Daten zu Temperatur und Bewegungen einer Maschine erfasst und nur diese analysiert. Diese Informationen reichen für eine Performancesteigerung vollkommen aus. Gleichzeitig sind sie für jeden Maschinenbediener sofort verständlich. Daher kann er bei Unregelmäßigkeiten direkt reagieren – bevor er bei anderen digitalen Anwendungen auch nur erfahren hat, das etwas nicht stimmt“, hebt Schwarz hervor. Eine aufwändige Softwareschulung ist nicht erforderlich. „Die Benutzeroberfläche ist überschaubar, sieht auf allen Maschinen gleich aus und jeder verstehe sie nach einer halben Stunde“, versichert der Geschäftsführer. Auch Aushilfskräfte oder angelernte Mitarbeiter seien schnell in der Lage, die Software zu bedienen.

Sind alle Spritzgießmaschinen kompatibel?

Zu Vorteilen wie der raschen Installation, der einfachen Bedienbarkeit und der schnellen Reaktionsmöglichkeit kommen weitere Pluspunkte hinzu. „Da wir selber Daten erheben, brauchen wir die Maschinensteuerung nicht. Wie alt, welche Version – das ist völlig unerheblich“, bekräftigt Auer. Denn „Aisemo Analytics“ ist universell einsetzbar: Es funktioniert gleichermaßen auf horizontalen wie auf vertikalen Maschinen, bei sämtlichen Fabrikaten und Modellen, unabhängig vom Werkzeug und dem zu verarbeitenden Material.
Damit unterscheidet sich die Komplettlösung fundamental von den Angeboten der Maschinenhersteller, die in der Regel nur auf den eigenen Produkten laufen. „Unsere Zielgruppe ist der Spritzgießer mit einem heterogenen Maschinenpark ab zehn Maschinen, der nicht nur auf Engel oder Arburg, sondern vielleicht auch noch auf Krauss Maffei und Haitian produziert. Wir bieten ihm an, mit nur einer Komplettlösung die Performance aller Maschinen zu steigern“, erklärt Auer. Diese gibt es ab einer Jahresgebühr von 1.200 Euro pro Maschine. Darin ist alles enthalten, von der Hardware mit Sensorik, Tablet und Edge-Gateway über die Kosten für Installation und Setup bis hin zur Lizenz für die Nutzung der Software-as-a-Service-Lösung (SaaS). „Ein weiterer Pluspunkt ist die schnelle Verfügbarkeit. Während viele Herstellerlösungen Lieferzeiten von mehreren Monaten haben, läuft ‚Aisemo Analytics‘ schon wenige Wochen nach der Bestellung beim Kunden auf der Maschine“, verspricht Schwarz. Zu den ersten Nutzern gehören Spitzgießunternehmen in Österreich und Deutschland, darunter Hersteller von Elektro-, Möbel-, Automobil-, Landtechnik- und Baukomponenten sowie Textilverarbeiter und Lohnfertiger. Bislang konzentriert sich das Unternehmen auf die DACH-Region, zukünftig ist die Expansion ins restliche Europa und nach Übersee geplant.

Quelle: Aisemo

Halle/Stand: 12/D36-07

Sie möchten gerne weiterlesen?