Ein projeziertes leuchtendes Gehirn auf einer Schaltfläche. Was ist mit Künstlicher Intelligenz heute schon möglich? Wo spielt diese ihren „Mehrwert“ aus?

Was ist mit Künstlicher Intelligenz heute schon möglich? Wo spielt diese ihren „Mehrwert“ aus? (Bild: Dalle 3/Open AI)

Eine Kamera: KI unterstützt auch bei der Bauteilprüfung.
KI unterstützt auch bei der Bauteilprüfung. (Bild: SAR)

Die stark veränderten Rahmenbedingungen im Weltmarkt erfordern zusätzliche Kreativität. Vor wenigen Jahren reichte es noch aus, eine Spritzgießmaschine oder einzelne Produktionsprozesse zu automatisieren. Heute stehen komplexe, maximal flexible und verkettete Gesamtprozesse im Fokus von Anwendern. Ein aktiver Treiber dieser Entwicklung ist, wie so oft, der Kostendruck. Zudem verändert sich unsere Gesellschaft. Langjährige Mitarbeiter, die überschaubare Entwicklungszyklen der Prozesse über Jahrzehnte vorangetrieben und begleitet haben, gehen zunehmend in Rente. Junge, gut ausgebildete Experten rücken mit Detailwissen nach. Im Anwenderkreis bei SAR Dingolfing entsteht dadurch zunehmend eine Wissenslücke über die komplette Produktions- und Logistikkette; vom Granulat bis zum autonomen Beladen fertiger Güter. Um dieses Wissen zu sammeln und zu strukturieren, wird verstärkt auf Künstliche Intelligenz (KI) gesetzt. Diese dient dabei einerseits als transparentes „Firmen-Wikipedia“ und andererseits zur Echtzeitauswertung von Prozessdaten. Den Begriff „Künstliche Intelligenz“ hat das Unternehmen SAR zusammen mit seinem Partner Erium für eigene Anwender folgendermaßen definiert: Das Unternehmen setzt Systeme der ersten Stufe ein, die dem aktuellen Stand der Technik entsprechen und genau das bieten, was Unternehmen heute benötigen. In der Praxis bedeutet dies, dass Technologien wie Data Science, Data Mining, Machine Learning und generative KI kombiniert werden, sodass sie maßgeschneidert auf die Bedürfnisse von Anwendern abgestimmt sind. Das Unternehmen entwickelt also Systeme, die Wissen aus Datenbanken extrahieren oder von den Nutzern Schritt für Schritt sammeln und als intelligente Produktionssysteme genauso bereitstellen, wie der Nutzer es braucht.

Wo Künstliche Intelligenz einen Mehrwert bringt

In den letzten Jahren führte der Weg der Digitalisierung von der Automatisierungslinie über die Anbindung zur Integration der kompletten Intralogistik. Neue Schnittstellenstandards ermöglichten es, Prozessdaten über Euromap, AGVs über VDA 5050 und alle Fertigungs- und Produktdaten über OPC UA an Datenbanken anzubinden. Letztere bilden die Basis für KI-Algorithmen. Mit der einfacheren Integration von Anlagenkomponenten stieg auch die Flexibilität für Anlagenerweiterungen sowie Retrofit. Ein aktuelles Anwenderbeispiel betrifft die Fertigung eines 2K-Bauteils mit komplexer Geometrie und hohen Fertigungsanforderungen. Der Anwender stand vor drei Herausforderungen: Erstens, wie das Wissen der Mitarbeiter langfristig abgebildet werden kann, um den Generationenwechsel zu meistern und dieses Wissen den Werken länderübergreifend zur Verfügung zu stellen. Zweitens, welche Prozessparameter für die stetige Prozessoptimierung kategorisiert und relevant sind. Drittens, die schrittweise selbstregulierende KI-Prozesskette. Diese bietet den Mitarbeitern in der Einführungsphase Handlungsvorschläge zur eigenverantwortlichen Prozessoptimierung und übernimmt in der finalen Ausbaustufe die Regelung selbst.
Systemseitig wurden zwei Spritzgießmaschinen mit jeweils drei Gummimaschinen durch Handhabungsroboter taktzeitoptimiert und redundant verknüpft. In einem kameragestützten Prüftunnel wurden 26 Prozessparameter pro Bauteil geprüft und innerhalb der Toleranzgrenzen als IO-/NIO-Teile deklariert. Besonders diese Parameter waren für den späteren KI-Prozess entscheidend. Über eine Transferstrecke wurden die geprüften Bauteile einem Großtrockner zugeführt. Im finalen Schritt vor der Verpackung wurden erneut Parameter geprüft und die Bauteile markiert. Alle entstehenden Prozessparameter wurden schon bei der Konzeptfindung detailliert erörtert und anschließend nach ihrer Prozessrelevanz geclustert. Dabei wurde ein besonderes Augenmerk darauf verwendet, welche Parameter schon durch die Anlagenkomponenten vorhanden waren und welche Sensoren wirklich noch nachgerüstet werden sollten.

Monitir-Bild: Software „Halerium“ von Erium: Auf Basis von Prozessdaten, kombiniert mit Expertenwissen, werden Ereignisse errechnet, die zur Prozessoptimierung benötigt werden.
Software „Halerium“ von Erium: Auf Basis von Prozessdaten, kombiniert mit Expertenwissen, werden Ereignisse errechnet, die zur Prozessoptimierung benötigt werden. (Bild: SAR)

Effiziente Datenspeicherung und frühzeitiger KI-Einsatz

Während der gesamten Produktionsphase wurden sämtliche Prozessdaten in einem virtuellen, noch nicht bauteilbezogenen Datensatz abgespeichert. Der Datensatz wurde dem Bauteil erst bei der letzten Bauteilprüfung mit Erhalt des IO-Status zugewiesen. Dies machte die primär relevante Datenmenge überschaubar und die Fertigung hochflexibel. Ein firmeneigener Server verarbeitet und speichert heute die Daten lokal. NIO-Bauteile und die dazugehörenden Datensätze werden automatisch aus dem System entfernt. Die datentechnische Zwischenebene bildete das SAR-eigene Prozessdatenmanagement „SAR Flow“. Durch die offene SAR-Steuerungsarchitektur kann der Anwender beliebige Kunststoffmaschinen sowie Peripheriegeräte zentral via Siemens-SPS zur OPC UA-Schnittstelle übermitteln. Diese Protokolle werden dann strukturiert in der Datenbank abgelegt.
SAR Flow bietet dem Nutzer erste Erkenntnisse über Prozessdatensätze, Störungsmeldungen, Betriebszeiten und Schaugrafiken. Pareto-Analysen sowie OEE-Auswertungen helfen dem Management, die Produktionsplanung feiner zu justieren. Schichtweise Rückblicke und Auswertungen ermöglichen die präzise Planung erweiterter Tagesvorgaben. Mit dem bauteilspezifischen Datensatz griff die KI bereits früh ein. Gezielte Algorithmen verknüpften das Wissen der Mitarbeiter zu jedem Prozessschritt mit den Echtzeitdaten. So konnte beispielsweise rechtzeitig festgestellt werden, ob Parameter abwichen, innerhalb der Toleranzgrenzen lagen oder ob Störungen vorlagen, die zum Stillstand der Anlage führen könnten. Diese Vorgehensweise hatte zwei beabsichtigte Zusatznutzen: Die Ausschussquote durch vorbeugende Maßnahmen zu minimieren und den Energieaufwand so gering wie möglich zu halten.

KI spielt eine zentrale Rolle bei der datenoptimierten Produktionslinie.
KI spielt eine zentrale Rolle bei der datenoptimierten Produktionslinie. (Bild: SAR)

Autonome Prozesssteuerung und Wissenssicherung

2K-Bauteil mit komplexer Geometrie: Mittels KI lässt sich erkennen, ob Parameter abweichen, Toleranzen eingehalten werden oder Störungen vorliegen.
2K-Bauteil mit komplexer Geometrie: Mittels KI lässt sich erkennen, ob Parameter abweichen, Toleranzen eingehalten werden oder Störungen vorliegen. (Bild: SAR)

Eine zentrale Rolle bei der datenoptimierten Produktionslinie spielt die KI. Diese vereint nun drei Kompetenzen zu einem Regelkreis: Mitarbeiterwissen, Echtzeitdaten und Algorithmen. Letztere durchsuchen, wie in einem neuronalen Netz, die programmierten Zusammenhänge und regeln autonom die Prozesskette oder informieren vorbeugend die Mitarbeiter. Rückblickend war es entscheidend, die relevanten Prozessparameter einzugrenzen und deren Zusammenhänge zu erörtern. Mit der Priorisierung auf wenige relevante Parameter wurde klar, worauf bei der Anlagenkonzeption fokussiert werden konnte und welche Daten „nur“ gesammelt werden sollten. Durch die Beschaffung der Linie mit Neumaschinen mussten nur wenige Schnittstellen berücksichtigt werden. Lediglich die intelligente Erfassung und Ablage der Bilddateien aus der Kameraprüfung waren ein Kernthema, um die Datenbank nicht unnötig zu belasten. Die Auswertung der Kamerabilder erfolgt mit KI sehr viel schneller und genauer als mit herkömmlichen Verfahren. Die Frage der Datenablage auf der Cloud oder dem firmeninternen Server war schnell geklärt. Aufgrund spezifischer Vorgaben zur Cybersecurity sowie vorhandener interner Administratoren, die für die Datenpflege zur Verfügung standen, setzte der Anwender auf ein redundantes Serversystem. Die Clusterung sowie Edge-Funktionalität sichern zudem den schnellen Datentransfer in die Firmenzentrale.
Die beste Technologie ist ohne den Menschen wenig wert. Auch KI ersetzt ihn keineswegs, sondern ist ein erweiterter Assistent mit zusätzlichen Fähigkeiten. Dies wurde deutlich in den Aufwänden, die nötig waren, um das Wissen der Mitarbeiter zu bündeln. Der Großteil der Zeit wurde benötigt, um das verteilte und individuelle Wissen der Mitarbeiter zu sammeln, zu strukturieren und auf Plausibilität zu prüfen. Dabei zeigte sich, wie fundiert und wichtig zugleich die Kenntnisse der Inbetriebnehmer, Maschinenbediener sowie Servicekräfte sind – und wie unterschiedlich doch gleiche Rollenbilder im Bedarfsfall reagieren. Besonders überraschend waren dabei auch neue Impulse im Austausch, die zum Tragen kamen. Diese neu geschaffene Wissensdatenbank dient nun sowohl der KI, die dafür angelernt wurde, um Entscheidungen selbstständig nach den programmierten Algorithmen auszuführen, als auch der schnelleren Einarbeitung von Mitarbeitern, die damit mehr Sicherheit im Umgang mit der Fertigungsanlage gewinnen. Echtzeitdaten mit aktiver Weiterverarbeitung werden durch die zunehmend einfacher werdenden KI-Tools mehr denn je zum Wettbewerbsvorteil und bieten neue Chancen in einem Markt mit zunehmend dynamischem Umfeld.

Halle/Stand A3/3205

Quelle: SAR Elektronic

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