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Ein mit Dünnwandtechnologie gefertigter und mit IML dekorierter Trinkbecher. (Bild: Glaroform)

Das ICM-Verfahren hat sich in der nahen Vergangenheit in der Welt der Dünnwandverpackungen etabliert. Die Vorteile sind zeitgemäß und bekannt: Geringerer Materialverbrauch, verkürzte Zykluszeit, reduzierter Energieaufwand und die Anwendbarkeit von Materialien mit einem tieferen Schmelzflussindex. Doch wo liegen derzeit die Möglichkeiten des ICM und welches technische und ökonomische Potential gilt es noch zu erschließen?

Beispielhaft betrachtet wird ein 200 ml Einwegtrinkbecher mit U-Rand und IML-Dekoration. Dieser wird auf einer Netstal Elion 1750, mit einem 4-fach ICM-Werkzeug des Schweizer Werkzeugherstellers Glaroform mit Sitz in Näfels gefertigt. In einer Stunde werden 23 kg Polypropylen (PP) zu 4.500 IML-Trinkbechern verarbeitet. Oder anders ausgedrückt: Alle 3,2 Sekunden werden 4 Becher à 5,1 Gramm, mit einer Wandstärke von unter 0,3 Millimetern, dem Werkzeug entnommen. Nun, welches maximale Fließweg-Wandstärken-Verhältnis lässt sich für eine vergleichbare, konventionelle Spritzgießanwendung definieren? Mit 300:1 liegt den nachfolgenden Ausführungen das spritzgießtechnische Limit zugrunde. Der vorgestellten ICM-Anwendung ein Verhältnis von nahezu 400:1. Die Wandstärke ist um über 20 Prozent reduziert und die Teilequalität verbessert. Wird rund um die Uhr an sieben Tagen die Woche bei einer Anlagenverfügbarkeit von 90 Prozent produziert, so reduziert sich bei gleichem Output die Menge des verarbeiteten Materials um jährlich rund 45 Tonnen.

Anhand dieses Beispiels ist ersichtlich, welch beachtlichen Beitrag das ICM-Verfahren zur Reduktion des Materialverbrauchs bietet. Doch ist das Ende der Fahnenstange damit erreicht?

ICM-geeignete Anwendungen

Beim Beurteilen einer konkreten Anwendung hinsichtlich ihrer Machbarkeit im ICM-Verfahren, interessieren anfänglich vor allem die technischen Möglichkeiten und Grenzen des Verfahrens, die Anforderungen, denen ein Produkt entsprechen muss oder welche konkreten Vorteile das ICM gegenüber dem Tiefziehen oder dem konventionellen Spritzgießen hat.

Zuerst die Einordnung des ICM im Technologiespektrum. Eine oft gestellte Frage ist jene nach der Bedeutsamkeit des Spritzprägens gegenüber dem Tiefziehen. Die kurze Antwort darauf: Beim Spritzprägen ist grundsätzlich die Formfreiheit und Maßhaltigkeit des Spritzgießens gegeben. Die geringen Einschränkungen sehen vor, dass der Artikel möglichst symmetrisch sein muss und im Werkzeug keine Schiebertechnologie erfordern darf. Dem hingegen wird die Formfreiheit mit der Möglichkeit von deutlich dünneren Wandstärken, ähnlich dem Tiefziehen, ergänzt. Was die Randgeometrie anbelangt, sind es heute vor allem Siegel- und U-Ränder, die bei Verpackungsanwendungen in Frage kommen.

Weiter öffnet sich durch das Spritzprägen aber auch die Materialpalette. Das Verarbeiten von Materialien, die beim Dünnwandspritzgießen aus technischen Gründen nicht möglich sind, rücken beim Spritzprägen nun wieder ins Zentrum der Entwicklung. Diesbezüglich liegt der Fokus der Verpackungsindustrie heute beispielsweise bei Polylactide (PLA) und Polyethylenterephthalat (PET). Für andere, eher technische Kunststoffe, deren Einsatz bei der Produktion von Dünnwandanwendungen bisher nicht denkbar gewesen ist, eröffnen sich neue Möglichkeiten. Grund dafür sind die umverteilten Kräfteverhältnisse, die der Prozess vorgibt.

Während gewisse Anwendungen ihre Grenze bei der erforderlichen Artikelfunktion, beispielsweise hinsichtlich Haltbarkeit und Stapelgewicht, finden, tun sich auf der anderen Seite Möglichkeiten für Produkte mit einer speziellen Dünnwanderfordernis auf. Denn wie weit sich die Wandstärke mit der entsprechenden Anwendung effektiv reduzieren lässt, ist bislang noch unversucht geblieben. Die mutmaßliche Grenze liegt jedoch weit unter den im Einführungsbeispiel genannten 0,3 mm. Diese neue Formfreiheit, in Kombination mit der verbreiterten Materialpalette, bietet Potential für Anwendungen außerhalb der herkömmlichen Märkte.

Geeignete Anlagenkonfiguration

Eine ICM-Produktionszelle benötigt grundsätzlich die gleichen Hauptkomponenten wie eine herkömmliche Spritzgießanwendung: Maschine und Werkzeug. Trotzdem verändert sich das Anforderungsprofil, denn das ICM-Werkzeug zeichnet sich hauptsächlich durch eine angepasste Bauweise mit zusätzlichen Funktionen aus, eine hohe Verarbeitungsqualität sowie einen absolut perfekt ausbalancierten Heißkanal. Zu ersterem gibt sich Max Eberle, Inhaber und Geschäftsführer bei Glaroform, bedeckt: «Zusammen mit unseren Partnern haben wir der Entwicklung eines geeigneten und auf den ICM-Prozess abgestimmten Werkzeugkonzepts eine längere Periode gewidmet». Daraus resultiert sei eine Reihe von Eigenschaften und Funktionen, die in einem herkömmlichen Spritzgießwerkzeug nicht zu finden seien. Wie bei konventionellen Werkzeugen wirkt sich nicht nur die Bauweise, sondern auch die Verarbeitungsqualität, insbesondere die Fertigungspräzision, erheblich auf die Langlebigkeit der Werkzeuge aus. «Beim Spritzprägen sind geringe Fertigungstoleranzen besonders wichtig. Denn die Funktion der statischen Schließkraft, die in der kurzen Frist mangelhafte Verarbeitungsqualität zurechtzurücken vermag, fällt prozessbedingt weg», ergänzt Eberle. Und letztlich sei es ebenfalls der Prozessablauf, der seitens des Werkzeuges absolut gleichmäßige Schmelzeführung voraussetze. Denn aufgrund des nachdrucklosen Einspritzens vor dem Formschluss, würde die Verteilung falscher Materialmengen zu den Kavitäten in über- oder unterfüllten Teilen resultieren.

Ähnlich zeigen sich die Ansprüche an die Spritzgießmaschine. Im Zentrum der Anforderungen stehe die Steuerungstechnik. Christina Härter, Leiterin Anwendungstechnik bei Krauss Maffei High Performance, Näfels, erklärt: «Sämtliche Prozessparameter müssen ein sehr enges Toleranzfenster einhalten. Das Verfahren erfordert eine enorm hohe Wiederholgenauigkeit der Einspritzmenge und der Einspritzprozess muss mit dem Prägehub äußerst präzise synchronisiert sein». Weiter spiele auch die dynamische Schließkraft und die gewährleistete Plattenparallelität eine wichtige Rolle.

Mit Pioniercharakter in die Zukunft

Den Nutzen des ICM betrachtet, zeigt sich eine Win-Win-Situation für alle Anspruchsgruppen: Geringere Kosten, mehr gesellschaftliche Akzeptanz und neue technologische Möglichkeiten. Dank der vielseitigen ökonomischen und ökologischen Vorteile ist davon auszugehen, dass der Marktanteil dieser Verpackungen größer wird. Es liegt auf der Hand, dass die Grenzen des Spritzprägens vorerst in der menschlichen Kreativität liegen. Pioniercharakter ist gefragt.

 

Verfahren im Detail

 

Injection-Compression-Moulding

Das Injection-Compression-Moulding-Verfahren (ICM) ist eine Kombination von Spritzgießen und Prägen. Konkret bedeutet das einen dynamischen Einspritzvorgang in das, im Gegensatz zum herkömmlichen Spritzgießen, nicht vollständig geschlossene Werkzeug. Als Folge davon dient im Anschluss die mechanische Schließbewegung dazu, das eingespritzte Material im gesamten Formnest zu verteilen und zu verdichten.

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Verfahrensprinzip ICM (Bildquelle: Glaroform)

ist Area Sales Manager bei Glaroform in Näfels, Schweiz.

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