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Prof. Dr. Hans-Josef Endres leitet das Institut für Kunststoff- und Kreislauftechnik (IKK) an der Leibniz-Universität Hannover. (Bild: Christian Wyrwa)

Kunststoffe haben ein schlechtes Image. Können Biokunststoffe da zu einem Stimmungswandel beitragen?

Prof. Hans-Josef Endres: Biokunststoffe könnten beim Image etwas bewirken, weil sie sowohl auf der Rohstoffseite, als auch auf der Entsorgungsseite Vorteile mit sich bringen. Kunststoffe haben ihr schlechtes Image nicht nur, weil sie an der Petrochemie hängen, sondern auch wegen ihrer Langlebigkeit. Die ist aus Produktsicht vorteilhaft, im Fall des Mülls wird sie aber als Nachteil gesehen. Tatsächlich ist es aber nicht so, dass Biokunststoffe profitieren. Im Gegenteil: In der Öffentlichkeit überträgt sich meist das Negativimage des petrobasierten Kunststoffes auch auf Biokunststoffe, obwohl sie Vorteile wie die Kompostierbarkeit haben und ebenfalls recycelt werden können. Der Verbraucher differenziert nicht.

Bei biobasierten Kunststoffen wird auch kritisiert, dass sie Nahrungsmittelressourcen verbrauchen.

Prof. Endres: Die Kritik ist sehr pauschal. Der Treibhauseffekt verbraucht auch Anbaufläche, und wir setzen ja auch nachwachsende Rohstoffe im Energiebereich ein. Außerdem reden wir bei den Rohstoffen der biobasierten Kunststoffe nicht nur von solchen, die Basis für Nahrungsmittel sind, sondern auch von Baumwolle, Kautschuk oder Linoleum sowie zunehmend auch von landwirtschaftlichen Abfallstoffen. Aber lassen wir die einmal beiseite. Wenn man die 350 Mio. Tonnen Kunststoff, die derzeit jährlich auf der Welt produziert werden, vollständig über biobasierte Kunststoffe darstellen würde, dann brauchte man etwa 5 Prozent der zur Verfügung stehenden Ackerfläche.

Wenn man die 350 Mio. Tonnen Kunststoff, die derzeit jährlich auf der Welt produziert werden, vollständig über biobasierte Kunststoffe darstellen würde, dann brauchte man etwa 5 Prozent der zur Verfügung stehenden Ackerfläche.

Es gibt biobasierte Kunststoffe und biologisch abbaubare. Was ist besser?

Prof. Endres: Das hängt von der Anwendung ab. Biobasiert beschreibt ausschließlich den Rohstoffursprung zur Polymerherstellung. Bioabbaubar sind Kunststoffe, wenn Mikroorganismen die Polymerstruktur durch biologische Prozesse verstoffwechseln können, völlig unabhängig vom Rohstoffursprung. So kann man aus Erdöl auch bioabbaubare und aus nachwachsenden Rohstoffen auch beständige Kunststoffe machen. Die allerersten Kunststoffe, die wir hatten waren alle biobasiert, da hatte man einfach noch kein Erdöl.

Wozu sollte man einen biobasierten Kunststoff herstellen, wenn er nicht biologisch abbaubar ist?

Prof. Endres: Da könnte man auch fragen, wozu man einen biobasierten Kraftstoff braucht, wenn man ihn auch petrochemisch machen kann. Der Vorteil ist eine Einsparung an CO2. Jeder Kunststoff wird ganz am Ende seiner Lebenszeit entsorgt – durch Verbrennung oder, wie bei vielen Biokunststoffen, auch durch Kompostierung. Biobasierte Kunststoffe sind klimaneutral, denn jede Pflanze nimmt während ihrer Lebenszeit genauso viel CO2 auf, wie sie bei ihrer Verbrennung oder Zersetzung wieder abgibt. Hinzu kommt, dass der Kunststoffbedarf zunimmt. Wir werden bald nicht mehr 5, sondern vielleicht 10 Prozent des Erdöls für Kunststoff benötigen. Die Mineralölindustrie käme daher eher ohne die Kunststoffe als Abnehmer zurecht als umgekehrt, die Kunststoffe benötigen derzeit noch die petrochemischen Rohstoffe.

Was steht aktuell im Fokus der Forschung bei Biokunststoffen?

Prof. Endres: Ein wichtiges Forschungsfeld ist die Entwicklung sogenannter Drop-ins. Darunter versteht man biobasierte Kunststoffe, die strukturgleich zu den petrochemischen Pendants sind, wie etwa aus Bioalkohol hergestelltes Polyethylen oder PET. Sie bieten technisch dieselben Eigenschaften wie herkömmliche Kunststoffe, sind aber ökologisch besser, da sie biobasiert, also nachwachsend sind.

Die EU legt in ihrer Kunststoffstrategie den Fokus auf das Recycling. Ist das für Biokunststoffe ein Problem?

Prof. Endres: Auch Biokunststoffe können im Abfallstrom getrennt, recycelt und in neue Produkte gebracht werden. Werden Sie am Ende kompostiert oder gar verbrannt, handelt es sich dennoch um ein natürliches Recycling des Kohlenstoffs über die Photosynthese. Wenn man die petrochemischen Kunststoffe recycelt, ist das ein technisches Recyceln des Kohlenstoffs. Auch die Drop-ins lassen sich problemlos zusammen mit ihren petrochemischen Pendants recyceln. Daneben haben wir die neuartigen Biokunststoffe, wie das PLA. PLA muss – so wie alle anderen Kunststoffe auch – aus dem Abfallstrom separiert werden. Da steht und fällt die Rezyklierbarkeit schlicht und einfach mit der Menge. PLA ist im Abfallstrom problemlos identifizierbar, man kann es recyceln, aber aufgrund der geringen Menge lohnt es sich derzeit nicht, hier eine extra Sortierstufe für PLA in eine Abfallsortierung einzuziehen. Das Recycling von PET hat sich allerdings auch erst über die PET-Menge entwickelt.

PLA ist im Abfallstrom problemlos identifizierbar, man kann es recyceln, aber aufgrund der geringen Menge lohnt es sich derzeit nicht, hier eine extra Sortierstufe für PLA in eine Abfallsortierung einzuziehen. Das Recycling von PET hat sich allerdings auch erst über die PET-Menge entwickelt.

Es wird auch an Bioverbundkunststoffen geforscht. Was können sie besser als andere Materialverbunde?

Prof. Endres: Bei der Carbonfaser zeigt sich das Dilemma der Verbundwerkstoffe. CFK wurde über viele Jahre optimiert, aber man hat das Ende des Lebenszyklusses nicht auf dem Radar gehabt. Die Carbonfasermaterialien haben sehr gute Gebrauchseigenschaften, sind aber schwierig in der Entsorgung. Eine Carbonfaser ist dazu noch sehr energieintensiv in der Herstellung. Ein Auto aus CFK-Bauteilen wiegt zwar weniger und verbraucht dadurch weniger Treibstoff oder Energie. Bis man aber das CO2 dadurch eingespart hat, dass bei der Produktion der Fasern entstanden ist, muss das Auto circa 150.000 Kilometer fahren. Bei CFK verschiebt man die Umweltbelastungen in die Phase der Faserherstellung und ungeklärte Entsorgungssituation. Hier kommen jetzt die Vorteile der Bioverbundwerkstoffe ins Spiel. Damit kann man auch Leichtbauwerkstoffe herstellen. Aber hier haben wir wieder eine Materialkomponente mit einem biobasierten Rohstoffursprung. Gleichzeitig kann eine Naturfaser deutlich einfacher verbrannt werden, CO2 neutral. Hier sieht es am Ende des Lebenszyklus deutlich besser aus, als bei den Carbonfasern.

Wie sehen sie die deutsche Kreislaufwirtschaft im internationalen Kontex

Prof. Endres: Einige andere Länder schlagen hier eine ähnliche Richtung ein. In Kanada, zum Beispiel, denkt man auch zunehmend in Form einer Kreislaufwirtschaft und möchte beispielsweise die Vielfalt der zugelassenen Verpackungskunststoffe reduzieren. Aber dort ist die Abfalllogistik teilweise noch nicht so stark entwickelt. Auch in einigen Ländern Asiens steigt das Bewusstsein für Kreislaufwirtschaft. In den USA wird dagegen noch immer der meiste Kunststoffabfall deponiert. Einige Länder in Europa und auch Deutschland nehmen bei Recycling von Kunststoffverpackungen eine gewisse Vorreiterrolle ein. Die dualen Systeme wurden in Deutschland bereits vor mehr als 20 Jahren eingeführt. Deutschland hat hier einen Technologievorsprung, hat aber daraus bislang zu wenig gemacht. Erst jetzt mit viel politischem und gesellschaftlichem Druck kommt Bewegung in die Branche.

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