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Compounder mit gravimetrischer Dosiereinheit für die Additivierung. Zudosiert werden hier Füllstoffe und Gleitadditive. (Bild: TU Chemnitz)

Ein moderner Langlaufski besitzt einen mehrschichtigen Sandwichaufbau. Zug- und druckseitige Gewebelagen werden mit einer leichten Kernstruktur (Waben- oder Schaumkern) verklebt. Eine umlaufende Beschichtung schützt den Ski vor Witterungseinflüssen. Die Gleiteigenschaften eines Skis werden dabei maßgeblich durch den Skibelag und seine Präparation bestimmt.

Die Wissenschaft beschreibt im Ansatz von Bowden und Tabor, dass die Faktoren Oberflächenhärte und Scherwiderstand entscheidenden Einfluss auf die Gleiteigenschaften von Kunststoffen auf Schnee haben. Der Scherwiederstand wird durch mikroskopische „Härchen“ an der Oberfläche der Polymermatrix minimiert, die wiederum durch eine geschickte Präparation erzeugt beziehungsweise aufgestellt werden können. Ein guter Skibelag zeichnet sich folglich durch eine harte Oberfläche, eine hohe Wachsaufnahme sowie konstante Eigenschaften über einen langen Nutzungszeitraum aus.

Wie bisher Skibeläge produziert werden

Diesen Anforderungen wird die Kunststofftechnik durch die Verwendung möglichst hochmolekularer Polyethylene sowie einer geeigneten Additivierung gerecht. Bisher werden hochwertige Skibeläge im Presssinterverfahren hergestellt. Dabei wird ein hochmolekulares Polyethylen (PE) mit mehreren Additiven in Rondenform unter Einwirkung von Druck und Temperatur gepresst. Anschließend werden die Beläge von dieser Ronde in einer Dicke von circa 2 mm geschält. Die formatierten Beläge werden häufig geschliffen und beflammt, um eine dauerhafte Verklebung mit dem Skikern sicherzustellen. Die Verklebung erfolgt innerhalb einer Skipresse kalt oder temperiert. Das Presssinterverfahren ist energie- und zeitintensiv, woraus hohe Halbzeugkosten resultieren. Weiterhin ist die Einbringung von Additiven herausfordernd, da sich diese im pulverförmigen PE nicht homogen verteilen lassen. Das Gleitvermögen sämtlicher Skibeläge einer Ronde beziehungsweise Charge variiert somit. Deshalb müssen Spitzensportler in zeitaufwendigen Tests die besten Ski einer Produktionscharge ermitteln.

Das Entwicklungsziel

Auf dieser technologischen Basis hat sich ein Projektteam, dem Forscher der TU Chemnitz sowie der thüringische Skihersteller Germania Ski angehören, das Entwicklungsziel gesetzt, konkurrenzfähige Skibeläge im wirtschaftlichen Extrusionsverfahren herzustellen. Die Beläge sollen reproduzierbar konstante und sehr gute Gleiteigenschaften auf Schnee besitzen. Eine Besonderheit der neuartigen Beläge ist darüber hinaus, dass mittels eines speziellen Additivs wachsartige Substanzen in der Polymermatrix gebunden werden sollen. Der Aufwand für die  Skipräparation ist folglich deutlich reduziert.

Die Materialauswahl

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Links: Extruder mit Düsenwerkzeug zur Extrusion des Belages. rechts: extrudierter Skibelag auf dem Walzenabzug. (Bildquelle: TU Chemnitz)

Die verwendeten Ausgangspolymere sind hochmolekulare Polyethylene, deren Fließfähigkeit im schmelzeflüssigen Zustand gerade noch eine Verarbeitung im Extrusionsverfahren erlaubt. Das Molekulargewicht dieser Materialien liegt zwischen 500.000 g/mol und 1.000.000 g/mol bei einer Viskosität zwischen 5 g/10min (190 °C, 10 kg) und 1,4 g/10min (190 °C, 21,6 kg). Prinzipiell sind thermoplastische Kunststoffe mit derartigen Parametern eher für das Sinterverfahren geeignet. Angepasste Prozessparameter und eine leistungsfähige Compoundier- und Extrusionsanlage erlauben gleichwohl eine Verarbeitung im Extrusionsverfahren mit allen technologischen, aber auch wirtschaftlichen Vorteilen.

Mittels eines eigens entwickelten Kompatibilisators auf Basis eines thermoplastischen Elastomers konnten dauerhaft Paraffinwachsadditive teilweise mit Fluoranteil in die Polymermatrix integriert werden. Darüber hinaus wurden spezielle Rußtypen in geperlter Form eincompoundiert, um definierte mechanische Oberflächeneigenschaften unter anderem zur Verbesserung der Bearbeitbarkeit einzustellen. Die Verwendung von Ruß entspricht bereits dem Stand der Technik. Allerdings wurde im Rahmen des Forschungsvorhabens die bisher gebräuchliche Rußzugabemenge im zweistelligen Prozentbereich hinterfragt und optimiert.

Die Materialherstellung

Skibelag von unten

Die neuartigen Skibeläge haben unter anderem sehr gute Gleiteigenschaften. (Bildquelle: TU Chemnitz)

Das Materialcompound wird auf einem gleichläufigen Doppelschneckenextruder mit 25 mm Schneckendurchmesser hergestellt. Die Schneckenkonfiguration wurde hinsichtlich der Anforderungen dieses hochmolekularen Polyethylens sowie einer bestmöglichen Additiv-Verteilung in der Polymermatrix optimiert. Beispielsweise ist die Schnecke derart aufgebaut, dass nach jeder Zugabestelle Schneckenmischelemente angeordnet werden. Darüber hinaus werden flüchtige Additive, wie zum Beispiel Wachs, dem Compoundierprozess vergleichsweise spät zugegeben, um diese vollständig in der Polymermatrix zu binden, und ein Verdampfen zu minimieren. Sämtliche Belagadditive werden dem System über gravimetrische Dosiereinheiten zugegeben, um ein dauerhaft reproduzierbares, konstantes Mischungsverhältnis sicherzustellen. Innerhalb des Forschungsvorhabens wurde ein Materialdurchsatz von etwa 10 kg/h erreicht, dieser könnte im Fall einer seriellen Herstellung deutlich gesteigert werden.

Aus Granulat wird ein Skibelag

Innerhalb einer zweiten Herstellungsstufe werden aus dem additivierten Compound mit einem luftgekühlten Einschneckenextruder und einem Banddüsenwerkzeug Skibeläge hergestellt. Ein nachgeschalteter Kalander gewährleistet einen konstanten Materialabzug sowie eine gleichmäßige Abkühlung.

Sogar eine Belagherstellung im Direktverfahren, bei dem die Compoundierung sowie die Belagextrusion unmittelbar hintereinander ablaufen, wurde erfolgreich erprobt. Das Material-Compound läuft dabei nicht in ein Wasserbad, sondern direkt in einen nachgeschalteten Kalander. Gegenüber einer Belagherstellung in zwei Schritten (Compoundierung und Extrusion) ist dieses Verfahren deutlich effizienter, die Anlagen-, Personal- und Energiekosten sind vergleichsweise gering. Natürlich ergeben sich auch Effizienzvorteile gegenüber der Belagherstellung im Sinterverfahren.

Ein Skibelag ist zwischen 1 bis 2 mm dick und etwa 50 mm breit. Aufgrund dieser Vorgabe wurde ein Banddüsen-Werkzeug mit einstellbarer Dicke und einer Breite von 80 mm eingesetzt. Die Randbereiche werden nachträglich entfernt. Innerhalb des Vorhabens wurden der Belagherstellungsprozess mit einer Geschwindigkeit von etwa 2 m/min umgesetzt. Der Vorschub wird wesentlich durch die Extruderleistung sowie die Kühlleistung des Kalanders determiniert. Verfahrenstechnisch herausfordernd ist die Verarbeitung hochmolekularer Polyethylene aufgrund Ihrer hohen Schmelzefestigkeit. Diese bedingt sowohl im Compoundier- als auch Extrusionsprozess recht hohe Staudrücke am Werkzeug. Folglich sollte die Leistungsfähigkeit der verwendeten Extrusionsanlage ziemlich hoch sein. Gegebenenfalls ist auch die Verwendung einer Schmelzepumpe zur Überwindung des hohen Staudrucks beziehungsweise Werkzeugwiderstandes ratsam. Zudem müssen Schneckenkonfiguration und Prozessparameter dahingehend optimiert werden, dass sämtliche Additive und Zuschlagstoffe homogen in der Schmelze verteilt werden, gleichzeitig aber eine polymere  Degradation vermieden wird, um die mechanischen Eigenschaften des Polymers zu erhalten. Insbesondere die Optimierung der Zugabemengen sämtlicher Additive zur Erreichung bestmöglicher Gleiteigenschaften erforderte einen enormen Versuchs- sowie  prüftechnischen Aufwand.

Die Verklebung mit dem Skikern

Testski

Testskis, deren neuartige Beläge im Extrusionsverfahren hergestellt wurden. (Bildquelle: TU Chemnitz)

Unabhängig davon, ob der Skibelag im Sinter- oder Extrusionsverfahren hergestellt wurde, muss er mit dem Skikern verklebt werden. Die Verklebung ist herausfordernd aufgrund der unpolaren Oberflächeneigenschaften des Belags. Die neuartigen wachsadditivierten Skibeläge müssen einer speziellen Vorbehandlung (Beflammung, etc.) unterzogen werden, um eine stoffschlüssige Bindung mit dem Skikern einzugehen.  Die innerhalb dieses Forschungsvorhabens entwickelten Skibeläge konnten mit den Mitteln der etablierten Technologien auf Skipressen verklebt werden. Hierbei werden die neuartigen Beläge gemeinsam mit allen anderen Skikomponenten (zum Beispiel Beschichtung, Skikern, Zug- und Druckgurte) mit einem Epoxidharz unter Druck und Wärme gepresst. Zunehmend werden kalthärtende Klebstoffsysteme verwendet, um fertigungstechnische Toleranzen zu minimieren, und Skier mit möglichst gleichmäßigen Eigenschaften herzustellen. In diesem Verfahren wird der Ski zweistufig hergestellt, sodass der Verzug des Skis infolge unterschiedlicher Wärmeausdehnungskoeffizienten gering gehalten werden kann.

Bewertung des  Gleitvermögens

Das wichtigste Bewertungskriterium für einen Skibelag ist dessen Gleitfähigkeit. Mit Tribometern können die Gleiteigenschaften von Kunststoffen, auch auf Schnee oder Eis, ermittelt werden. Diese Methode wurde genutzt, um aus einer großen Anzahl von Varianten die aussichtsreichsten auszusuchen. Die Projektpartner konnten zeigen, dass im Extrusionsverfahren durchaus leistungsfähige Skibeläge sehr wirtschaftlich und reproduzierbar hergestellt werden können. Auch die Labortests und erste Praxistests sind vielversprechend. Derzeit wird die Dauerstandfestigkeit der Beläge erprobt. Mit den neuartigen Skibelägen wurden im zurückliegenden Winter unzählige Trainingskilometer zurückgelegt und dabei immer wieder ihr Gleitvermögens bewertet. Die Tests zeigten, dass die Schlagzähigkeit der Beläge weiter gesteigert werden muss, um mikroskopische Materialschädigungen durch Fremdkörper im Schnee zu vermeiden.

Die Wiederherstellung einer möglichst homogenen Belagoberfläche erfolgt wie bisher mit Schleifmaschinen. Auch die Strukturierung und Präparation mit unterschiedlichen Wachsen erfolgt wie gewohnt, wenngleich die spezielle Beschaffenheit des Belages, wie auch die Wachsadditivierung bereits gute Gleiteigenschaften sicherstellen.

Verkaufen über echte technische Innovationen

Mittelständische Unternehmen dieser Branche brauchen derartige Entwicklungen, um sich vom Stand der Technik und damit den marktbeherrschenden Großunternehmen abzugrenzen und sich auch mit kleinem Marketingbudget auf dem hart umkämpften Sportartikelmarkt zu behaupten. Aus Sicht des an dem Projekt beteiligten Skiherstellers Germina Ski kann das nur über echte technische Innovationen gelingen. Natürlich müssen sich die neuen Skibeläge erst in Langzeittests bewähren, ihre sehr guten Gleiteigenschaften über einen langen Nutzungszeitraum behalten, woran aktuell noch getüftelt wird. Dennoch wurde innerhalb dieses Forschungsvorhabens gezeigt, wie mittelständische Unternehmen und Forschungseinrichtungen gemeinsam seriennahe Produktentwicklungen vorantreiben können.

Ein Dank gilt dem BMWi und dem Projektträger AiF Projekt, der die Mittel zur Durchführung des Forschungsvorhabens bereitstellte.

Kontakt

TU Chemnitz, Institut für Strukturleichtbau

florian.tautenhain@mb.tu-chemnitz.de

Weiterführende Informationen

TU Chemnitz, Institut für Strukturleichtbau SLK

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