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Dr. Stefan Eimeke (links) und Dr. Martin Wilhelmi, beide Geschäftsführer von Ewikon (Bild: Ralf Mayer/Redaktion Plastverarbeiter)

Am Anfang stand der Erfindergeist – eine Fähigkeit, die bis heute die 40-jährige Erfolgsgeschichte von Ewikon prägt: Ende der 1970-er Jahre entwickelte Walter Müller, Ingenieur im Spritzgießwerk der Hettich Gruppe in Frankenberg, ein neues Heißkanalsystem mit Innenbeheizung und Niederspannungstechnik. Dieser „kalte“ Heißkanal wurde zunächst für den Eigenbedarf konzipiert. Denn die damals auf dem Markt erhältlichen außenbeheizten Heißkanäle neigten unter anderem zu Leckagen. In den bei Hettich durchgeführten Nylon-Verarbeitung brachten sie deshalb nicht die erhofften Effizienzgewinne. Bei der neuen innenbeheizten Lösung erfolgte die Beheizung im Zentrum der Fließkanäle. Erstarrte Schmelze an der Außenwand der Kanäle schützte das System vor Undichtigkeiten.

Premiere auf der K 1979

Zum Erfindergeist kam unternehmerischer Weitblick. Anton Hettich, geschäftsführender Gesellschafter des gleichnamigen Familienunternehmens, erkannte nämlich sofort die Marktpotenziale der hausinternen Entwicklung und ließ das Heißkanalsystem patentieren. Für dessen Weiterentwicklung und Vermarktung wurde 1979 die Firma Ewikon gegründet. Anton Hettichs Instinkt sollte sich sehr bald als richtig erweisen. Bereits bei seiner Feuertaufe auf der K 1979 in Düsseldorf stieß das neue Produkt auf „ein riesiges Interesse im Fachpublikum“, wie die heutigen Ewikon-Geschäftsführer Dr. Martin Wilhelmi und Dr. Stefan Eimeke berichten. Dabei kam man ganz ohne Showeffekt aus: Die Firma präsentierte ihr – noch weitgehend in Handarbeit gefertigtes – Heißkanalsystem an einem kleinen Tisch auf dem Messestand des Spritzgießmaschinen-Herstellers Desma. „Ewikon ist mit dem innenbeheizten Heißkanal in eine echte Marktlücke vorgedrungen“, sagt Wilhelmi, „viele Spritzgießfertiger suchten damals nach einem solchen leckagefreien System.“

Danach startete das junge Unternehmen durch. Im Jahr 1982 erfolgte der Umzug in das erste eigene Firmengebäude am heutigen Standort in Frankenberg. Im Jahr 1986, also nur sechs Jahre nach der Firmengründung, war die Belegschaft des Heißkanalspezialisten bereits auf über 100 Mitarbeiter angestiegen. Ewikon war damals noch eine Tochtergesellschaft des Unternehmens Hettich. Im Jahr 1990 wurde der neue, dynamisch wachsende Geschäftszweig auch rechtlich vom Hettich-Kerngeschäft (Möbelbeschläge) getrennt. Seitdem wird Ewikon als ein unabhängiges Familienunternehmen geführt, heutiger Eigentümer ist Dr. Andreas Hettich, jüngster Sohn von Anton Hettich.

Seit seiner Gründung hat Ewikon die Entwicklung der Heißkanaltechnik maßgeblich vorangetrieben. Möglich war dies in einem stets starken Wettbewerbsumfeld nur durch eine vorausschauende Innovationsstrategie, die sich eng an den aktuellen und zukünftigen Marktbedürfnissen orientiert.  „Wenn wir neue Produkte entwickeln, dann immer mit dem Ziel, ein Alleinstellungsmerkmal zu schaffen“, erklärt Eimeke einen wichtigen Teil der Firmenphilosophie.

Meilenstein: Verteilersystem mit Elementetechnik

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Heißkanalverteiler mit strömungsoptimierten Umlenkelementen (Bildquelle: Ewikon)

Dies erfordert mitunter auch die Bereitschaft zum radikalen Umdenken. So stellte Ewikon in den 1990-er Jahren sein bisheriges Erfolgsmodell Innenbeheizung auf den Prüfstand. „Die klassische Heißkanaltechnik mit Außenbeheizung hatte sich inzwischen weiterentwickelt“, erklärt Eimeke, „und bot tendenziell Vorteile, etwa in Bezug auf die Heißkanalbalancierung in höherfachigen Anwendungen.“ Mit der Vorgabe, eine gänzlich neue Produktlinie zu entwickeln, die dem Unternehmen wiederum ein Alleinstellungsmerkmal verschafft, engagierte Ewikon den Ingenieur Dr. Peter Braun, den späteren technischen Geschäftsführer des Unternehmens (bis 2017). Braun und sein Team waren erfolgreich: 1994 präsentierte Ewikon als zweiten technologischen Meilenstein der Firmengeschichte das außenbeheizte Heißkanalsystems HPS III mit 230 V Betriebsspannung.  Das Revolutionäre an dem System war das Verteilerlayout. Dabei sorgen sogenannte Umlenkelemente für perfekt abgerundete Schmelzekanäle. Auf – tote Ecken verursachende – Stopfen kann komplett verzichtet werden. Die zylinderartigen Elemente kann Ewikon in jeder gewünschten Kanalgeometrie fertigen. Sie werden vor der Montage mit Flüssigstickstoff gekühlt und somit leicht „geschrumpft“. Durch vorgefräste Löcher werden die Elemente an die vorgesehenen Stellen in den tiefgebohrten Fließkanälen geführt. In dem auf Betriebstemperatur aufgeheizten Verteiler dehnen sie sich wieder aus und dichten perfekt mit dem Kanalsystem ab. „Im Laufe der Jahre haben wir die Element-Verteilertechnik noch weiter optimiert“, erklärt Eimeke, „das Prinzip wurde aber beibehalten.“ Neben dem totraumfreien Schmelzetransport ermöglichen die strömungsoptimierten Umlenkelemente eine optimale Balancierung über mehrere Verteilerebenen und somit eine gleichmäßige Schmelzeverteilung auf die Heißkanaldüsen.

Zur Jahrtausenwende stieg das Frankenberger Unternehmen in die Nadelverschlusstechnik ein und brachte sein erstes Nadelverschlusssystem mit integriertem Antrieb auf den Markt. Auf dem Gebiet der Nadelverschlusstechnik mit Elektroantrieb (als Einzel- oder Hubplattenantrieb ausgelegt) war Ewikon Pionier und zählt heute zu den führenden Anbietern.

Meilenstein: Innovatives System zur Seitenanspritzung

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Heißkanalsystem zur Seitenanspritzung. (Bildquelle: Ewikon)

Mit der Einführung eines neuen Düsenkonzepts (HPS III-MH Düse) zur seitlichen Direktanspritzung im Jahr 2008 setzte Ewikon erneut Maßstäbe. Die Anspritzung senkrecht zur Entformungsrichtung spielt ihre Vorteile vor allem bei der Fertigung langer, schlanker Spritzgussteile, wie etwa Spritzenkörper, Spritzenkolben oder Pipetten, in Multikavitätswerkzeugen aus. Der bei der Entformung entstehende Abschereffekt sorgt hier für perfekte Oberflächen ohne Angussüberstände, die beispielsweise bei medizintechnischen Produkten unakzeptabel wären. Klassische Seitenanspritzsysteme verursachen aber einen erheblichen Aufwand bei der Montage und im Wartungsfall. Häufig sind geteilte Formeinsätze nötig, um die Düsenspitzen an der Kontur platzieren zu können. Um eine einzelne Spitze auszutauschen, muss das Werkzeug aufwendig demontiert werden. Abhilfe schafft hier die von Ewikon entwickelte, patentierte Spitzenwechseltechnologie: Hierbei werden zuerst die Düsenkörper (in Entformungsrichtung) montiert und erst dann die Spitzeneinsätze von der Trennebene aus eingesetzt. Um Spitzen auszuwechseln, muss am geöffneten Werkzeug auf der Spritzgießmaschine lediglich ein Klemmdeckel abgeschraubt werden. Die Spitzen werden dann einfach aus dem Formeinsatz gekippt und ausgetauscht.

Das MH-Konzept erlaubt sehr flexible Anbindungen des Bauteils durch den Einsatz abgewinkelter Düsenspitzen. So können etwa Anspritzwinkel von 60 (statt 90) Grad zur Entformungsrichtung und Anspritzungen sehr dicht am Kernlager realisiert werden. Bei der Fertigung von schlanken, dünnwandigen, rohrförmigen Bauteilen wird auf diese Weise ein Versatz der Formkerne durch seitlich einwirkenden Schmelzedruck verhindert.

Hohe Investitionen in Menschen und Maschinen

In den vergangenen 40 Jahren schrieb das Frankenberger Unternehmen eine fast ungebrochene Wachstumsgeschichte. Zwar hinterließ die globale Krise 2008/2009 auch in den Bilanzen von Ewikon einen Umsatzknick, umso steiler ging es danach wieder bergauf. Dies war kein Zufall: „Wir haben in der Krise keinen einzigen Mitarbeiter entlassen, sondern nutzten die Zeit für intensive Weiterbildungen und Schulungen“, berichtet Dr. Martin Wilhelmi. „Zudem haben wir antizyklisch investiert, weshalb wir besser auf den Neustart vorbereitet waren als viele andere Unternehmen.“ Eine vorausschauende Investitionspolitik prägt das Unternehmen bis heute. Allein in den letzten fünf Jahren hat Ewikon 25 Mio. EUR in den Standort Frankenberg investiert und mehr als 80 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen. „Das war schon ein Kraftakt“, kommentiert Wilhelmi. „Aber die unerwartet rasante Auftragsentwicklung insbesondere in den Jahren 2016 und 2017 stellte uns vor die Alternative, entweder längere Lieferzeiten in Kauf zu nehmen oder die Kapazitäten zu erhöhen.“ Die Eigentümer entschieden sich für Letzteres. Heute beschäftigt das Unternehmen mehr als 320 Mitarbeiter in Frankenberg und über 340 Personen weltweit. Der Bedarf an zusätzlichen Fachkräften wird zum großen Teil aus dem eigenen Nachwuchs gedeckt – derzeit bildet Ewikon in Frankenberg 22 junge Menschen aus, die meisten davon in Werkzeugbau-Berufen.

Hohe Fertigungstiefe

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Hohe Fertigungstiefe: Der Maschinenpark des Unternehmens umfasst unter anderem Fräszentren, Tieflochbohrzentren (Bild) und Dreh/Fräszentren. (Bildquelle: Ewikon)

Der Firmensitz wurde im Laufe der Jahre sukzessive ausgebaut. Neuestes „Kind“ der permanenten Standorterweiterung ist die neue, 1.800 m2 große Montagehalle und ein angegliedertes Verwaltungsgebäude mit 2.000 m2 Nutzfläche. Investiert wurde und wird nicht nur in Kapazitätserweiterungen, sondern vor allem auch in die Modernisierung und Automatisierung des Maschinenparks, der unter anderem Fräszentren, Tieflochbohrzentren und Dreh/Fräszentren umfasst. Höchste Fertigungspräszision und bestmögliche Produktqualität lautet die Prämisse.

Ewikon in Frankenberg ist ein vollintegrierter Fertigungs- und Montagestandort. Alle Heißkanalsysteme des Unternehmens– von der Düse inklusive Nadel und Nadelführung über das Verteilersystem und die Regeltechnik bis hin zur kompletten Heißen Seite – werden hier produziert. „Wir haben eine extrem hohe Fertigungstiefe, und das aus gutem Grund“, erläutert Dr. Stefan Eimeke. „Wir fertigen quasi ausschließlich Einzelstücke, da muss jedes Detail stimmen.“ So müssen etwa die Abstände der Düsenpassungen auf der Platte einer Heißen Seite auf den Hundertstelmillimeter genau sein. Bei Werkzeugen mit bis zu 128 Kavitäten bedeutet dies eine frästechnische Herausforderung, die man nicht Externen überlassen kann und will. Ein anderes Beispiel ist die Fertigung der Nadelführungen, an deren Maßhaltigkeit und Oberflächenqualität besondere Ansprüche gestellt werden. Hierfür hat Ewikon einen vollautomatisierten Hon-Prozess mit integrierter Inline-Messstation eingeführt. Dabei werden die extrem dünnen Nadelführungskanäle gehont, und Sollabweichungen werden durch Nachstellung der Honahle automatisch korrigiert.

Erst kürzlich in Betrieb genommen hat Ewikon in Frankenberg eine neue Automationszelle, die Drahtschneiden, Erodieren und Messen miteinander kombiniert. Ein Roboter transportiert die Werkstücke von einer Station zur anderen. „Mit der Automationszelle haben wir die Herstellung von Nadelverschlussspitzen und Nadeldichtungen auf eine neue Qualitätsstufe gehoben“, erklärt Eimeke. Für die Produktion von Zweikomponenten-Bauteilen hat Ewikon zudem den 3D-Druck in die Fertigungsabfolge integriert. Damit können komplexe Bauteile, bestehend aus zwei unterschiedlichen Materialien, mit hoher Maßhaltigkeit, sehr guter Form- und Lagegenauigkeit sowie hoher Reproduzierbarkeit gefertigt werden.

Weit fortgeschrittene Digitalisierung

Ohne den Begriff „Industrie 4.0“ zu propagieren, setzten die Frankenberger schon früh auf die Digitalisierung aller Geschäftsabläufe. Ein Kernstück der Digitalisierungsstrategie, die unter anderem ein bereits weitgehend papierloses Rechnungswesen beinhaltet, ist die datenbankbasierte Heißkanalauslegung. Dabei werden eingehende Auftragsdaten mit einer Projektdatenbank, in der sämtliche Daten früherer Aufträge gespeichert sind, abgeglichen. Anstelle einer aufwendigen 3D-Simulation unterstützt eine datenbankbasierte Software die Heißkanalauslegung und ermittelt Parameter wie etwa Druckverlust, Scherung und Verweilzeit der Schmelze. Zudem können die Konstrukteure auf die dokumentierten Ergebnisse von Materialtests zugreifen, die im Ewikon-Technikum durchgeführt werden. Füllsimulationen des Bauteils optimieren den Auslegungsprozess weiter. In der Produktion kommen Machining Knowledge Editoren zum Einsatz. Das heißt, die CAM-Software erkennt anhand von Codes im 3D-Modell bestimmte Standardgeometrien, beispielsweise Gewinde, und die Maschine fertigt diese ohne manuelle Eingabe in die Maschinensteuerung. Die CE-Prüfung von Heißkanaldüsen erfolgt automatisch anhand digitaler Seriennummern.

Alles „Made in Frankenberg, Germany“

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Die Heißkanalsysteme und -komponenten des Unternehmens werden ausschließlich am Standort Frankenberg gefertigt – im Bild die Montage. (Bildquelle: Ewikon)

Einen wichtigen Trend auf der Anwenderseite sieht Eimeke in der zunehmenden Miniaturisierung von (beispielsweise elektronischen) Bauteilen, die in hochfachigen Werkzeugen gespritzt werden. Diesem Trend kommt Ewikon unter anderem mit seinen Mikroverteilersystemen entgegen. Auch auf die fortschreitende Digitalisierung in der Kunststoffverarbeitung sei man vorbereitet, sagt der Geschäftsführer. So ermöglicht etwa die digitale Überwachungs- und Diagnoseeinheit „Smart Control“, die optional in Heißen Seiten von Ewikon installiert wird, dem Spritzgießer eine schnelle Ferndiagnose laufender Prozesse via PC, Tablet oder Smartphone.

Mit einem Branchenfokus, der Verpackungstechnik, Medizintechnik, Automotive, technische Teile, Elektronik und Haushaltswaren umfasst, ist Ewikon breit aufgestellt. Das Unternehmen hat eigene Tochterfirmen in Großbritannien, Japan, Hongkong, VR China und Italien und verfügt über ein weltweites Vertriebs- und Servicenetzwerk. Sämtliche Heißkanalkomponenten und –systeme werden jedoch an einem einzigen Standort gefertigt – in Frankenberg. Lediglich die (wenig spezifischen) Werkzeug-Rahmenplatten werden von den Ewikon-Niederlassungen in Nordamerika und Japan für lokale Heiße-Seiten-Kunden vor Ort verarbeitet.

Ewikon auf der K 2019

40 Jahre nach seiner Messepremiere in Düsseldorf präsentiert Ewikon auf der K 2019 neben Neuheiten im Sortiment der Heißkanallösungen auch sein 2018 auf den Markt eingeführtes Kaltkanalsystem Coolshot für die LSR-Verarbeitung. Details zum K-2019-Auftritt des Unternehmens finden Sie in Oktoberausgabe des Plastverarbeiter.

K 2019: Halle/ Stand  1/C11

Weiterführende Informationen

ist Chefredakteur Plastverarbeiter. ralf.mayer@huethig.de

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Unternehmen

EWIKON Heißkanalsysteme GmbH

Siegener Str. 35
35066 Frankenberg
Germany