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Die Fachvorträge am Symposium Digitalisierung steißen auf großes Interesse. (Bild: Ralf Mayer, Redaktion Plastverarbeiter)

„Besonders in der Industrie sorgt der digitale Wandel für eine der größten Transformationen, die es seit der dritten industriellen Revolution in den 1970er Jahren gab“, sagte Wolfgang Frohner in seinem Eröffnungsvortrag auf dem Symposium Digitalisierung, zu dem TIG am 8. Mai nach Feldkirch im Vorarlberg geladen hatte. Der Gründer und Geschäftsführer des Software-Unternehmens sieht die Herausforderung der Digitalisierung und insbesondere der digitalen Transformation darin, „die gesamte Wertschöpfungskette im Entstehen bis zur Vermarktung und Anwendung der Produkte zu überarbeiten.“ Etablierte Unternehmen werden gemäß Frohner gezwungen, ihre „Komfortzone“ zu verlassen und alte Geschäftsmodelle disruptiv durch neue Geschäftsmodelle zu ersetzen. „Viele sind sehr erfolgreich dabei, viele werden vom Markt verschwinden“, führte der TIG-Chef aus. Als markante Beispiele für äußerst erfolgreiche digitale Geschäftsmodelle und -ideen nannte er die Firmen Amazon, Google, Airbnb oder Uber. Sie alle böten digitale Marktplätze an, die davon leben, dass Kunden, Lieferanten und Partner sich vernetzen und durch ihre Dienstleistungen gegenseitig voneinander profitieren. Für die Industrie bedeute Digitalisierung das uneingeschränkte Vernetzen von Produktionseinheiten zur Datenerfassung. „Auf Basis dieser Daten müssen Erkenntnisse gewonnen werden, die zu produktionsoptimierenden Anpassungen von Geschäftsmodellen führen und damit zu mehr Flexibilität und zu entscheidenden Wettbewerbsvorteilen“, stellte Frohner fest.

Die 1994 gegründete TIG mit Sitz in Rankweil, Österreich, trägt ihren Teil zur digitalen Transformation in der kunststoffverarbeitenden Industrie bei. „Unsere MES-Lösung TIG authentig zählt zu den weltweit modernsten Produkten in der Branche“, betonte Frohner. Ihm zufolge nutzen bereits mehr als 300 Kunden in den Sparten Automotive, Medical, Packaging und Elektrotechnik das MES-System. Seit 2016 gehört das Unternehmen zur Engel Gruppe, die damit ihre Gesamtstrategie im Bereich Digitalisierung (Inject 4.0) abgerundet hat. Neben den Produktgruppen Smart Machine (Optimierungsalgorithmen für die Maschine), Smart Services (weltweiter 24-Stunden-Support) steht der MES-Spezialist TIG innerhalb der Engel-Strategie für den Bereich Smart Production. Dabei betont der Geschäftsführer aber, dass TIG weiterhin bewusst als unabhängiges Unternehmen geführt wird und Daten von allen Maschinenherstellern erfassen kann. Das Unternehmen beschäftigt rund 60 Mitarbeiter an den Standorten Rankweil, Schwertberg, Wien (Österreich), Singapur, Shenzhen (China) und seit dem 1. Mai auch in York (USA).

Auf dem Symposium erörterten vornehmlich Entscheidungsträger aus der Industrie sowohl grundsätzliche Aspekte der Digitalisierung – von der Daten-Monetisierung über die Voraussetzungen für die digitale Fabrik bis hin zur Datensicherheit – als auch konkrete Lösungswege und Anwendungen. In einem Open-Space-Workshop legten die zahlreichen Teilnehmer aus dem In- und Ausland selber die Themen für verschiedene Arbeitsgruppen fest, in denen unter der Moderation des Vorschlagenden das jeweilige Thema diskutiert und die Ergebnisse dokumentiert wurden.

Projektziel vorausschauende Instandhaltung

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Angeregte Diskusssion im Rahmen des Open Space Workshops (Bildquelle: TIG)

„Eingerahmt“ wurde der Open Space Workshop durch insgesamt sieben Fachvorträge. So skizzierte etwa Nico Jordi von der Bocar Group mit Hauptsitz in Mexiko-Stadt, Mexiko, ein Industrie 4.0-Projekt, das die Kunststoff und Aluminium verarbeitende Gruppe an ihren Produktionsstandorten durchführt. Ein wichtiges Projektziel ist die vorausschauende Instandhaltung. Dabei werden tausende Prozesssignale gesammelt, verarbeitet und so analysiert, dass sie den Prozess- und Wartungsexperten im Kontrollraum aussagekräftige Werte liefern. Dass dies alles andere als trivial ist, zeigte Jordi am Beispiel des Druckgussverfahrens. In diesem Bereich umfasst der Maschinenpark einerseits neue Anlagen, die über speicherprogrammierbare Steuerungen und Industrie 4.0-fähige Funktionen wie etwa OPC-UA-Schnittstellen verfügen. Andererseits sind aber auch Maschinen im Einsatz, deren Alter zehn Jahre und mehr beträgt und die gemäß Projektvorgabe alle in das Programm zur vorausschauenden Instandhaltung integriert werden sollen. Also musste ein System realisiert werden, das sowohl digitale als auch elektrische Signale in sinnvoller Weise analysieren kann. Bei den Druckgusszellen von Bocar werden alle erfassten Daten (zum Teil mehr als 1.000 pro Injektion) zunächst in einem Cell Controller gesammelt. Diese PLC-Datenbank ist in der Lage, die Werte in verschiedenen Datenbanksprachen (SQL-Statements) weiterzuleiten. Transferiert werden die Daten in eine Big Data Plattform der Firma TIG, die laut Jordi ein zentrales Element des Systems darstellt. Dank der Softwarestruktur von TIG big data steht den Druckgussspezialisten hiermit ein vollständig skalierbarer Datenbasis-Server zur Verfügung. Die Analysesysteme im Kontrollraum greifen die Daten aus dem Basisserver als SQL-Statements ab, während die Rohdaten in der Basis verbleiben. Spezielle Templates liefern den Kontrollraum-Mitarbeitern ständig Informationen über den Zustand der einzelnen Geräte und führen beispielweise zu der Anweisung, in zwei Stunden einen Filterwechsel vorzunehmen. Der bidirektionale Datenfluss über die SQL-Schnittstellen soll zudem frühe Entscheidungen ermöglichen, etwa um zu verhindern, dass Ausschussteile aus der Gießzelle in die Weiterverarbeitung gelangen – bei Zykluszeiten von unter sechs Sekunden eine anspruchsvolle Aufgabe.

Big Data erfordert Paradigmawechsel

In den weiteren Fachvorträgen, die alle von lebhaften Fragerunden begleitet wurden, präsentierte unter anderem Michael Aichinger, CEO von Uni Software Plus, Perg, die „Erzählung eines Datenwissenschaftlers, von der Architektur zu den Anwendungen“. „Big Data erfordert ein ganz neues Paradigma, über datengetriebene Systeme nachzudenken“, sagte er. Traditionelle Architekturen seien dafür eigentlich zu komplex. Einen möglichen Ansatz für eine einfachere Lösung sieht Aichinger in der Lambda Architektur. Hierbei werden (grob vereinfacht) Echtzeit-Prozessdaten in unterschiedlichen Geschwindigkeiten mit vorberechneten Batchdaten abgeglichen. Die Lösung zielt unter anderem auf eine signifikante Einsparung von Rechnerzeit ab. Sture Sǿrli schilderte den Einsatz des MES-Systems TIG authentig beim Spritzgießfertiger Kongsberg Automotive in Raufoss, Norwegen. Mohamed Abuali, CEO von IoTco, Cincinnati, USA, referierte über die digitale Transformation durch industrielles IoT und vorausschauende Analyse. Einen Überblick zu den Tätigkeiten der Digital Factory Vorarlberg lieferte deren Leiter Dr. Robert Merz. Erol-Kurt Yurtluk rundete das Vortragsprogramm in Feldkirchen mit einer kurzen Beschreibung der neuen Trainingsakademie der TIG (LiT – Learning and interactive Training) ab.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

ist Chefredakteur Plastverarbeiter. ralf.mayer@huethig.de

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