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Eine Auswahl typischer MIM-Teile in verschiedenen Fertigungsstadien vom spritzgegossenen Grünteil über das Braunteil (nach dem Entbindungsprozess) bis zum fertig gesinterten MIM-Teil. (Bild: Klaus Vollrath)

„Mit dem MIM-Verfahren stellen wir kleine, hochfeste und geometrisch anspruchsvolle Teile aus Stahl oder Edelstahl in Serie her“, erläutert Georg Breitenmoser, Geschäftsführer des Unternehmens Parmaco, Fischingen, Schweiz. Dazu wird eine fließfähige Mischung aus feinen Metallpulvern mit Zugaben von Bindemitteln und Additiven hergestellt und mithilfe einer Kunststoff-Spritzgießmaschine unter hohem Druck in eine Stahlform gespritzt. Dabei entsteht ein noch weicher „Grünling“, der anschließend entbindert und bei hoher Temperatur zu einem nahezu porenfreien Bauteil gesintert wird. Auf diese Weise entstehen hoch belastbare, geometrisch und funktionell anspruchsvolle Bauteile mit sehr guter Oberflächenqualität. Darstellbar sind Längenabmessungen bis zu etwa 70 mm und Gewichte zwischen 1 und 100 g, beim Mikro-MIM-Verfahren sind bis zu 0,01 g möglich. Am Markt muss sich MIM gegen eine Reihe konkurrierender Verfahren wie Druckgießen, Feingießen, 3D-Druck, pulvermetallurgische Sinterpresslinge oder die Zerspanung aus dem Vollen behaupten.

Überzeugende Vorteile

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Georg Breitenmoser, Geschäftsführer Parmaco (Bildquelle: Parmaco)

„Innerhalb dieses Wettbewerbsumfelds zeichnet sich das MIM-Verfahren durch Vorteile aus, die es für bestimmte Anwendungsbereiche und Randbedingungen zur bestmöglichen Lösung machen“, erklärt Breitenmoser. Dazu gehört unter anderem der hohe gestalterische Freiheitsgrad des Spritzgießverfahrens. Dies ermöglicht die Herstellung sehr komplexer und filigraner Geometrien mit Hinterschneidungen. Nach Breitenmoser liegen die Abbildungsgenauigkeit sowie die Oberflächenqualität weit über derjenigen der 3D-Druckverfahren und übertreffen mit Leichtigkeit selbst die von Feinguss. Im Vergleich zu 3D-Druckverfahren erziele man beim MIM-Verfahren zudem deutlich engere Eigenschaftstoleranzen. Die mechanischen Eigenschaften entsprechen weitgehend denen von Komponenten, die aus dem Vollen gefräst wurden. Die Teile können mechanisch bearbeitet, wärmebehandelt, gehärtet, vergütet und mit allen gängigen Oberflächenbeschichtungsverfahren veredelt werden. Auch sind MIM-Teile selbst bei hohen Drücken gas- und flüssigkeitsdicht.

Entwicklungspartnerschaft im Vordergrund

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Das Verfahren zeichnet sich durch hervorragende Konturschärfe und Abbildegenauigkeit aus. (Bildquelle: Klaus Vollrath)

Die hohe Gestaltungsfreiheit des Spritzgießens ermöglicht es, belastungsoptimierte Strukturen mit Freiformflächen sowie Verrippungen oder Bohrungen zu erzeugen und so Materialverbrauch, Kosten und Gewicht zu minimieren. Zudem lassen sich oft Zusatzfunktionen gleich mit ins Bauteil integrieren, wodurch Montageaufwendungen entfallen. Selbst Gewindebohrungen können direkt im Verlauf des Formgebungsprozesses erzeugt werden. Die optimale Nutzbarmachung dieser Potenziale setzt jedoch die genaue Kenntnis der Möglichkeiten und Grenzen des Herstellprozesses voraus. Aus diesem Grund legt Parmaco großen Wert auf eine enge Zusammenarbeit mit den Konstrukteuren des Kunden bereits zu Beginn der Entwurfsphase. In diesem Zusammenhang benötige man häufig voll funktionsfähige Prototypen für Tests, erklärt Breitenmoser. Da man bisher jedoch MIM-Teile nur mithilfe aufwendiger Metallformen herstellen konnte, bedingte dies nicht nur hohe Kosten, sondern darüber hinaus auch lange Wartezeiten von typischerweise acht Wochen oder mehr. Entwicklungsprojekte stehen jedoch aufgrund des Zwangs, mit neuen Produkten möglichst frühzeitig auf den Markt zu kommen, unter enormem Zeitdruck. Mit dem Spezialdienstleister Injex könne man diese Lücke jetzt schließen.

Schnelle Prototypen im Spritzgießverfahren

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Die Konstruktion der Prototypformen erfolgt auf der Grundlage der 3D-CAD-Geometriedaten. (Bildquelle: Injex)

„Als Startup an der ETH Zürich haben wir uns auf die besonders schnelle Herstellung von kleinformatigen Spritzguss-Prototypen spezialisiert“, sagt Oliver Schlatter, Mitgründer und Geschäftsführer der Firma Injex, Zürich, Schweiz. Typische Reaktionszeiten liegen bei zwei bis drei Werktagen, fallweise kann sogar innerhalb von 24 Stunden geliefert werden. Hierfür verfügt Injex über selbst entwickelte kleinformatige Spritzgießmaschinen mit Schließkräften von bis zu 10 t. Auf diesen Maschinen lassen sich gemäß Schlatter Mikroteile im Gewichtsbereich von 0,01 bis etwa 20 g herstellen. Verarbeitet werden alle handelsüblichen Thermoplaste von Polypropylen bis PEEK, Elastomere und Silikone sowie weitere kundenspezifische Materialien. „Im Laufe der Zeit haben wir die Bandbreite auf MIM- sowie auf Ceramic Injection-Molding-(CIM)-Mischungen erweitern können“, erklärt der Geschäftsführer. Zu den Kunden gehörten vor allem Unternehmen der Kunststoffverarbeitung, der Mechatronik, der Uhrenherstellung sowie der Medizintechnik.

Hybridformen aus unterschiedlichen Werkstoffen

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Oliver Schlatter, Geschäftsführer Injex (Bildquelle: INJEX)

„Um die Spritzlinge schnell herstellen zu können, bestehen unsere Prototypformen nicht nur aus Metall, sondern auch aus weiteren Werkstoffen“, fügt Schlatter hinzu. Dazu gehören Duroplaste ebenso wie Komponenten aus Keramik. Für die formgebenden Konturen kommen häufig 3D-Druckverfahren zum Einsatz. Die auf diese Weise entstehenden Hybridformen bilden die Teile mit der erforderlichen Genauigkeit ab. Zwar sind die so erzeugten Formen nicht ganz so hoch belastbar und auch nicht so haltbar wie Ganzmetall-Formen, doch reichen sie dazu aus, bis zu 100 brauchbare Bauteile aus dem Originalwerkstoff und mit dem Originalverfahren herzustellen. Trotz des geringeren Spritzdrucks unterscheiden sich die Prototypen in ihren Eigenschaften kaum noch von Originalteilen. Nicht nur die Abmessungen, sondern auch die mechanischen Eigenschaften der späteren Serienteile werden weitestgehend erreicht.

Prozessablauf

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Entnahme eines Prototyps aus der Hybridform (Bildquelle: Injex)

„Ausgangspunkt ist für uns die 3D-CAD-Darstellung des gewünschten Bauteils“, erklärt Schlatter. Diese wird um produktionstechnisch erforderliche Details, wie etwa Fließkanäle oder Entformungsschrägen, ergänzt. Anschließend wird im 3D-Druckverfahren ein Formeinsatz erzeugt und mit anderen Komponenten zur vollständigen Hybridform ergänzt. Vor dem Einsatz wird meist noch manuell nachgearbeitet, um die Oberflächenqualität zu verbessern und die Abbildungsgenauigkeit zu optimieren. Hinterschnitte und Kerngeometrien werden durch Einlegeteile abgebildet, die nach dem Spritzgießvorgang entfernt werden.

Das Spritzgießen erfolgt mit dem vom Kunden vorgegebenen Material. Hierbei kann es sich um Kunststoffe oder um Feedstock-Mischungen für das MIM- oder das CIM-Verfahren handeln. Der Prozess läuft weitgehend manuell ab, das heißt, sowohl der Zusammenbau des Werkzeugs als auch die Entformung des Spritzlings erfolgen von Hand. Nach dem Entfernen des Angusses werden die Teile noch auf Qualität geprüft, gewogen und vermessen.

Bei Parmaco durchlaufen die so erzeugten Grünlinge anschließend die übliche Prozesskette aus Entbindern, Sintern sowie gegebenenfalls weiteren Fertigungsschritten. Die kurzfristige Verfügbarkeit solcher spritzgegossenen Teile ermöglicht die schnelle Lieferung von Prototypen aus dem Originalmaterial und damit eine erhebliche Verkürzung der Entwicklungszeiten. Zudem könne man dadurch MIM-Bauteile zu konkurrenzfähigen Kosten auch im Bereich von Kleinstserien bis hin zu individuellen Varianten beispielsweise für die Medizintechnik herstellen. Besonders attraktiv ist hierbei die Tatsache, dass bei diesen Prototypen bereits das spätere Serien-Herstellungsverfahren zum Einsatz kommt. Somit entsprechen die Prototypen nicht nur maßlich, sondern auch in Bezug auf das Material und dessen Eigenschaften den späteren Serienteilen. Dies kann bei der Prototypenherstellung durch reine Additive-Manufacturing-Verfahren nicht erreicht werden.

Eigenschaftsvergleich

Schieber, MIM links, Injex rechts

Vergleich von MIM-Bauteilen für einen Schieber: Links Grünling per Originalprozess erzeugt, rechts mithilfe von Injex-Werkzeugen hergestellt (Bildquelle: Parmaco)

Beim Vergleich von MIM-Bauteilen, die von Parmaco wie üblich durch Spritzgießen und Sintern hergestellt wurden, und solchen, die aus Injex-Werkzeugen erzeugt wurden, zeigten sich gewisse Unterschiede. Mit dem Originalverfahren erreicht Parmaco durchschnittliche Maßabweichungen von 1–19 µm bei einer Streuung zwischen 4-26 µm. Bei MIM-Teilen, die aus Injex-Werkzeugen entstanden, ergaben sich durchschnittliche Maßabweichung von 5–100 µm und Streuungen von 16–52 µm. Standardmäßig hergestellte MIM-Bauteile von Parmaco erreichten eine Oberflächenrauheit Ra von 1 µm, während solche aus Injex-Werkzeugen bei circa 2 µm lagen. Die Dichte der aus Injex-Komponenten erzeugten MIM-Teile war um etwa 1,3 Prozent geringer.

Auch wenn bei Verwendung von Injex-Werkzeugen die Eigenschaften von Serienteilen somit nicht zu 100 Prozent erreicht werden können, sind die Abweichungen andererseits gering genug, um in vielen Fällen den Einsatz bei Kleinstserien oder Prototypanwendungen zu rechtfertigen, vor allem mit Blick auf die Aspekte Oberflächenrauheit und Vergleichbarkeit des Herstellverfahrens. Hier erwiesen sich Injex-Prototypen solchen, die mithilfe von Additive-Manufacturing-Verfahren wie SLM (Selective Laser Melting) hergestellt wurden, als deutlich überlegen.

 

 

 

betreibt ein Redaktionsbüro in Aarwangen, Schweiz.

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