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Im Rotationsformverfahren zweiteilig hergestellter Transportwagen für Gasflaschen (Carbagas). Die beiden stabilen und stoßbeständigen hohlen Kunststoffteile sorgen für einen hervorragenden Unfallschutz. Der Wagen wird komplett montiert mit allen Anbauteilen geliefert (Bild: Klaus Vollrath)

Bevorzugtes Material ist Polyethylen. Bei höheren Anforderungen stehen zahlreiche weitere Werkstoffe wie Polypropylen oder Polyamide zur Verfügung. Die Seriengrößen liegen zwischen einigen Dutzend bis hin zu mehreren 1.000 Stück. Es ist eine breite Palette genormter Farbtöne verfügbar, auf Wunsch sind auch spezielle Farbmischungen möglich.

Vorteile des Rotationsgießens

„Beim Rotationsgießen wird Kunststoffpulver in einer geschlossenen Metallform aufgeschmolzen und erstarrt an der Formwand als Hohlkörper“, erläutert Reto Grütter, designierter Geschäftsführer der Grütter Kunststoff + Formen in Hombrechtikon, Schweiz. Die Form rotiert hierbei ständig um zwei Achsen. Durch diese Taumelbewegungen verteilt sich die zähflüssige Kunststoffschmelze gleichmäßig über die gesamte Formoberfläche und bildet nach der Erstarrung einen stabilen Hohlkörper. Dieser ist an den Formtrennungen nahezu nahtlos, was einen wesentlichen Qualitätsvorteil darstellt. Bei entsprechender Prozessführung lassen sich recht komplexe Strukturen erzeugen. Beispiele hierfür sind hohle Griffe, durch Brückenbildung, sogenannte kiss-off-points, stabilisierte flächige Hohlkörper oder ein sehr komplex strukturiertes radförmiges Bauteil für einen Sandwich-Automaten. Bei der Herstellung lassen sich Durchbrüche und teilweise sogar Gewinde direkt im Kunststoff formen. Außerdem können schon beim Fertigungsprozess metallische Einsätze wie Stutzen, Schrauben oder Gewindebolzen mit eingeformt werden. Dabei kann auch festgelegt werden, ob diese blind in der Wand enden oder durch diese hindurchgehen sollen.

„Einer der wesentlichen Vorteile des Rotationsformens ist die weitgehende Spannungsarmut der Teile, die sich somit auch weniger verziehen“, ergänzt Erich Schnyder, Projektverantwortlicher bei Grütter. Grund hierfür ist, dass das erstarrende Bauteil wegen seiner hohen thermischen Ausdehnung zumeist frei nach innen in den Hohlraum schrumpfen kann. Im Unterschied dazu behindern beim Spritzgießen metallische Kerne den Schrumpfungsprozess, was zu inneren Spannungen führt. Im Vergleich zu anderen Verfahren wie Blasformen oder Twin-Sheet-Thermoformen sind zudem die Wanddicken beim Rotationsgießen wesentlich gleichmäßiger. Das ermöglicht es dem Konstrukteur, die Bauteile dünnwandiger und damit leichter sowie kostengünstiger auszulegen. Ein weiterer wesentlicher Pluspunkt Aspekt ist, dass rotationsgegossene Behälter innen keine Nähte aufweisen. Auch lassen sich die Formen vergleichsweise schnell und kostengünstig aus Aluminium herstellen. Selbst nach Anlauf der Serie kann die Wanddicke und ihre Verteilung durch Anpassung der Materialfüllmenge sowie der Prozessparameter nachjustiert werden, ohne dass neue Formwerkzeuge benötigt würden. Da keine Fließkanalfüllungen oder Verschnittreste anfallen, gibt es außerdem kaum Materialverluste. Auch besteht die Möglichkeit, mehrkomponentiger Teile mit mehrlagigen Wänden oder vollständiger Füllung mit einem Schaumstoff z.B. bei Wassersportgeräten herzustellen. Da die Produktionsanlagen mit unterschiedlichen Formen in nahezu beliebiger Reihenfolge bestückt werden können, fallen auch nur geringe Umrüstkosten an. Damit sind auch sehr kleine Losgrößen kostengünstig zu produzieren.

„Bei Mengen ab etwa 20 bis 2.500 Stück ist das Rotationsgießen dank der niedrigen Werkzeugkosten deutlich wirtschaftlicher als andere Verfahren“, sagt Reto Grütter

„Wesentliche Einflussfaktoren beim Rotationsgießen sind vor allem die Kosten für die Herstellung der metallischen Dauerform sowie die vergleichsweise lange Zykluszeit von rund 40 Minuten“, sagt Reto Grütter. Doch sind die Werkzeuge bedeutend preisgünstiger als in konkurrierenden Verfahren wie dem Blasformen oder Spritzgießen. Je nach Bauteil und sonstigen Rahmenbedingungen kann sich der Einsatz des Rotationsgießens daher schon ab 20 Stück lohnen. Die langen Zykluszeiten begrenzen auf der anderen Seite die maximalen Produktionszahlen auf wenige 1.000 Stück, es sei denn, man investiert in die Herstellung zahlreicher Formen und in eine größere Zahl parallel arbeitender Produktionsanlagen.

Entwicklungspartnerschaft im Vordergrund

„Die intensive Beratung unserer Kunden schon im Vorfeld der Entwicklung neuer Produkte spielt bei uns eine ganz wesentliche Rolle“, weiß Erich Schnyder. Dies betrifft im Prinzip alle Aspekte der Herstellung und beginnt bereits bei der Materialauswahl. Neben der Stabilität geht es hierbei oft auch um Verträglichkeit mit dem vorgesehenen Füllgut, denn dieses könnte unter Umständen mit dem Behältermaterial reagieren und den Kunststoff zersetzen. In anderen Fällen ist zu prüfen, ob Feuchtigkeit aufgenommen wird, was zum Beispiel bei der Lagerung hygroskopischer Schüttstoffe Probleme verursachen könnte. Einen weiteren Schwerpunkt bilden Designfragen, da der Konstrukteur nur selten genaue Kenntnisse über die Besonderheiten des Verfahrens hat. So beeinflusst beispielsweise die Viskosität der Schmelze die Ausbildung von Ecken und Übergängen, die Dichtheit im Bereich von eingeformten Teilen. Hinzu kommen weitere Aspekte wie die Gefahr, dass sich an Engstellen Materialanhäufungen ausbilden und dadurch die Hohlraumbildung beeinträchtigt wird. Noch wichtiger wird diese Beratung in solchen Fällen, wo mit zwei oder gar drei Komponenten gearbeitet werden soll, da hier zusätzlich die Kompatibilität der Werkstoffe und die Ausbildung eines guten Verbundes sichergestellt werden müssen. Die Verhältnisse sind insgesamt so komplex, dass es hierfür bisher keine praxistauglichen Verfahren zur Simulation des Prozesses im Computer gibt. Stattdessen kommt es entscheidend auf Prozess-Knowhow und Erfahrung der Mitarbeiter an. Ein weiterer Pluspunkt des Unternehmens ist der eigene Formenbau, da man hierüber ein wesentliches, weil qualitäts- und kostenbestimmendes Glied der Prozesskette mit einbringen kann.

Vorserien-Bauteile und 3D-Druck

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Mithilfe eines 3D-Druckers hergestelltes Bauteil aus PLA (Foto: Klaus Vollrath)

„Eine wichtige Dienstleistung für unsere Kunden ist zunehmend auch die Herstellung unterschiedlichster Prototypen“, verrät Reto Grütter. Dazu gehört in manchen Fällen schon die Produktion begrenzter Stückzahlen von vollwertigen rotationsgegossenen Bauteilen zum Beispiel für Vorserienerprobungen, bevor die eigentliche Serienproduktion dann mit anderen Verfahren durchgeführt wird, die sich besser für Größtstückzahlen eignen. Darüber hinaus verfügt der Kunststoffverarbeiter über insgesamt drei 3D-Drucksysteme mit Bauraumgrößen bis zu 600 x 600 x 600 mm. Zwei davon arbeiten nach dem Fused-Deposition-Modeling(FDM)-Verfahren, bei dem das Bauteil aus einem Kunststoff-Faden aufgebaut wird, der vom Arbeitskopf an den gewünschten Stellen kurz aufgeschmolzen und dann als Schicht appliziert wird. Zum Einsatz kommen entweder der seriennahe Werkstoff ABS oder der Biokunststoff PLA. Weitere Materialien sind je nach Anwendung möglich. Das dritte System erzeugt farbige Gipsmodelle (Colorjet Printing CJP bis zu 250 x 380 x 200 mm), indem Schichten aus Gipspulver übereinandergelegt werden. Nach dem Aufbringen jeder Schicht wird diese mithilfe eines Tintenstrahl-Druckkopfs mit farbigem Binder besprüht und härtet in diesem Bereich aus. Zum Schluss braucht man nur noch das ausgehärtete Gipsmodell aus dem Pulverbett herauszunehmen, zu reinigen, zu verschleifen und die Oberfläche zu verfestigen.

Arbeitsablauf beim Rotationsgießen

„Für das Rotationsgießen unterschiedlich großer Bauteile verfügen wir über zwei Produktionsanlagen“, so Schnyder. Für sehr große Bauteile kommt eine Einzelplatzanlage zum Einsatz, deren Arbeitsraum die Form einer Kugel mit einem Durchmesser von 2,5 m aufweist. Die Form wird auf eine Mechanik gespannt, die anschließend unter einen Haubenofen geschwenkt wird und dort bei ständiger Rotation den Produktionszyklus durchläuft.

Die zweite Anlage besteht aus einer Art Drehkreuz mit drei drehbaren Auslegern. Auf jedem Ausleger befindet sich ein Gestell in Form eines Doppelrades, das wiederum um seine eigene Achse rotiert. Diese drei Doppelräder werden nacheinander durch drei Arbeitsstationen getaktet: In der ersten Station erfolgt zunächst das Auspacken der fertigen Bauteile und anschließend das Neueinrüsten und die Vorbereitung der Formen für den nächsten Arbeitszyklus. Die beiden anderen Stationen sind der Ofen für das Aufschmelzen des Kunststoffs und die Abkühlstation, in der die Teile abkühlen und dabei erstarren. Ein kompletter Arbeitsdurchlauf dauert in der Regel 40 bis 60 Minuten. Da drei Ausleger vorhanden sind und jedes Doppelrad mit mehreren Formen bestückt werden kann, kann die Anlage etwa alle 20 Minuten ein oder mehrere Bauteile liefern.

Bearbeitung, Montage und Qualitätssicherung

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Großflächige dünne Hohlkörper wie dieser Deckel werden durch Brückenbildung an „Kiss-off-points“ ausgesteift (Foto: Klaus Vollrath)

„Nach der Entnahme aus der Form werden die Teile entgratet und zunächst sichtgeprüft“, ergänzt Reto Grütter. Anschließend erfolgt je nach Erfordernis eine mechanische Bearbeitung. So müssen enger tolerierte Öffnungen, Gewinde oder Ausfräsungen auf konventionelle Art oder mithilfe von 5-Achs-Bearbeitungszentren erzeugt werden. Hierfür stehen mehrere Fräsbearbeitungszentren mit Bauraumabmessungen bis zu 2.000 x 1.000 x 800 mm zur Verfügung. Anschließend erfolgt je nach Kundenvorgaben die Bestückung mit Anbauteilen sowie die Montage zu kompletten Baugruppen oder verkaufsfertigen Einheiten.

Ein weiterer wesentlicher Punkt ist die Qualitätssicherung. Für die Auftraggeber aus anspruchsvollen Branchen wie der Automobilindustrie, ist das Niveau der Qualitätssicherung entsprechend hoch. Dazu gehöre als Grundvoraussetzung die ständige Mitarbeiterselbstkontrolle. Eine besondere Rolle spielen hierbei Dichtheitstests, da sehr viele der Bauteile als Behälter für Flüssigkeiten eingesetzt werden. Das Managementsystem des Unternehmens ist nach ISO 9001:2015 zertifiziert.

 

betreibt ein Redaktionsbüro in Aarwangen, Schweiz.

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