Eine Frau riecht an einem Kunststoffprodukt

Gaschromatographie-Olfaktometrie: Eine geschulte Prüfperson riecht den von der Trennsäule kommenden Gasstrom ab und vermerkt Geruchseindrücke direkt im Chromatogramm. (Bild: Fraunhofer IVV)

Verbrauchern wird oft empfohlen, sich beim Einkaufen von ihren Sinnen leiten zu lassen, beispielsweise von der Stiftung Warentest oder dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) [1],[2]. Der Tenor dabei: Produkte, die einen starken Geruch aufweisen, sind wahrscheinlich von minderer Qualität und schlimmstenfalls mit Schadstoffen belastet. Gleichzeitig lässt sich in Umfragen eine deutliche Skepsis der Verbraucher im Hinblick auf die Sicherheit und gesundheitliche Unbedenklichkeit von Produkten feststellen. Bei Spielzeug und Kinderprodukten beispielsweise halten laut einer repräsentativen Umfrage 70 % der Verbraucher Sicherheitsmängel für wahrscheinlich, und 66 % der Befragten befürchten Gesundheitsgefahren durch Schadstoffe in Spielzeug [3].

Warum Kunststoffprodukte zur Geruchsbildung neigen können

Fehlgerüche in Kunststoffprodukten können dabei verschiedenste Ursachen haben: Geruchsstoffe können etwa als Verunreinigung in diversen Rohstoffen in die oftmals sehr komplex zusammengesetzten Produkte eingebracht werden. Andererseits können sich geruchsaktive Substanzen auch während der Herstellung durch Reaktionen der verschiedenen Komponenten miteinander bilden. Darüber hinaus sind Mechanismen denkbar, bei denen sich die Stoffe erst durch oxidative Prozesse während der Lagerung bilden.

Durch die komplexe Zusammensetzung der Produkte ist es eine hoch anspruchsvolle Aufgabe, die Fehlgerüche in den Produkten analytisch aufzuklären und deren Ursachen zu finden. Hinzu kommt, dass Geruchsstoffe allgemein betrachtet nur zwei Eigenschaften gemeinsam haben: Sie sind ausreichend flüchtig, um während des Riechens über die Atemluft zu den menschlichen Geruchsrezeptoren zu gelangen und sind in der Lage, diese zu aktivieren. Dadurch, dass Geruchsstoffe also nicht auf bestimmte Substanzklassen oder funktionelle Gruppen eingeschränkt werden können, müssen geruchsanalytische Verfahren in der Lage sein, ein breites Spektrum unterschiedlichster Substanzklassen nachzuweisen. Das heißt im Umkehrschluss auch, dass die derzeitigen Routineanalysen wie beispielsweise Screenings für polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAKs) oder Weichmacher nicht zur Aufklärung von Fehlgerüchen eingesetzt werden können.

Leistungsfähige Analyseverfahren zur Aufklärung von Geruchsstoffen sind aus der Aromaforschung von Lebensmitteln bekannt. Am Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV wurden diese Techniken weiterentwickelt und für die zielgerichtete Aufklärung von Fehlgerüchen in Kunststoffprodukten erfolgreich eingesetzt.

Warum es ohne die menschliche Nase (noch) nicht geht

Am Anfang der Untersuchungen steht in der Regel eine sensorische Bewertung der zu testenden Produkte. Um den Geruch der Probe objektiv beschreiben zu können, wird dabei eine Geruchsprofilanalyse durchgeführt. Speziell dafür geschulte Prüfpersonen riechen dazu an den Proben und legen gemeinsam Geruchsattribute fest, die sie in der Probe wahrnehmen. Anschließend wird in einer zweiten Sensorik-Session die Intensität der jeweiligen Geruchsnoten auf einer Skala von 0 (Geruch nicht wahrnehmbar) bis 10 (Geruch sehr intensiv wahrnehmbar) bewertet. Zur Visualisierung der Daten werden die Mittelwerte der Bewertungen in einem Spinnennetzdiagramm aufgetragen.

Warum Analytik von Geruchsstoffen bei der Probenvorbereitung wichtig ist

Wie beschrieben findet man in verschiedensten chemischen Substanzklassen Geruchsstoffe. Damit also nicht schon bei der Probenvorbereitung manche Geruchsstoffe für die nachfolgenden Analysen verloren gehen, muss diese möglichst unselektiv erfolgen. Daher werden die Proben zunächst mit einem niedrig siedenden mittelpolaren Lösungsmittel extrahiert. Der Extrakt wird anschließend aufgereinigt, indem die flüchtige Fraktion von den nicht-flüchtigen Extraktbestandteilen getrennt wird. Dies erfolgt durch eine sogenannte Solvent Assisted Flavour Evaporation, kurz SAFE [4], eine spezielle Form der Hochvakuumdestillation. Die schonenden Destillationsbedingungen verhindern dabei beispielsweise, dass temperaturempfindliche Geruchsstoffe abgebaut werden. Zur Verbesserung der Nachweisgrenzen wird das Destillat anschließend mittels Vigreux- und Mikrodestillation [5] schonend aufkonzentriert.

Was ist eine Gaschromatographie-Olfaktometrie? Und warum ist diese wichtig?

Die Analyse der so hergestellten Destillate erfolgt mittels Gaschromatographie. Analytische Detektoren sind bisher nicht in der Lage, geruchsaktive von geruchsinaktiven Substanzen zu unterscheiden. Deshalb wird bei der Analyse von Geruchsstoffen die sogenannte Gaschromatographie-Olfaktometrie (GC-O) eingesetzt. Dabei handelt es sich um eine Technik, die die Trennung flüchtiger Verbindungen unter Verwendung eines Gaschromatographen mit der Geruchserkennung unter Verwendung eines Olfaktometers (Human Assessor) integriert [12]. Das Besondere dabei: Der von der Trennsäule eluierende Gasstrom wird zwischen einem analytischen Detektor (z. B. Flammenionisationsdetektor oder Massenspektrometer) und einem Odour-Detection-Port (ODP) im Verhältnis 1:1 aufgeteilt. Die Geruchsstoffe werden dadurch zeitgleich vom Detektor erfasst und deren Geruchsqualität wird am ODP von einer geschulten Prüfperson bewertet. So können die geruchsaktiven Bereiche im Chromatogramm identifiziert und anschließend zielgerichtet strukturell aufgeklärt werden.

Aufgrund der komplexen Zusammensetzung von Kunststoffprodukten findet allerdings meist eine immense Überlagerung der Geruchsstoffe durch koeluierende nicht-geruchsaktive Substanzen statt. Um die entsprechenden Geruchsstoffe anhand ihrer Massenspektren zu identifizieren und dadurch eindeutige Ergebnisse zu erhalten, müssen diese mittels zweidimensionaler Gaschromatographie von den koeluierenden Substanzen getrennt werden.

Fallbeispiel 1: Der Geruch einer Hexenhandtasche

Wie leistungsstark und vielseitig einsetzbar die Analysentechnik ist, zeigen verschiedene Produkte, die im Rahmen der Studien am Fraunhofer IVV analysiert wurden. Unter anderem wurde eine Handtasche untersucht, die als Accessoire zu einem Hexenkostüm für Kinder vertrieben wurde [6]. Bei den Untersuchungen konnten insgesamt 38 Geruchsstoffe identifiziert werden; darunter Naphthalen und 1- sowie 2-Methylnaphthalen (Geruch nach Mottenkugeln) sowie eine Vielzahl von Dimethylnaphthalenen. Außerdem wurden verschiedene gesättigte und (mehrfach) ungesättigte Carbonylverbindungen sowie die Phenolderivate 3-Ethylphenol (Geruch nach Leder) und p-Kresol (Geruch nach Pferdestall) identifiziert. Benzothiazol (gummiartiger Geruch) konnte ebenfalls nachgewiesen werden.

Fallbeispiel 2: Der Geruch von Schwimmflügeln und Wasserspielzeug

In einer weiteren Studie [7] wurde untersucht, welche Substanzen für den intensiven und weit verbreiteten Geruch von Schwimmflügeln, Wasserbällen und ähnlichen Produkten verantwortlich sind. Im Gegensatz zur Handtasche waren in dieser Produktgruppe Lösungsmittelrückstände (insbesondere Cyclohexanon und Isophoron, aber auch Phenol) nachweisbar und es konnte gezeigt werden, dass der Geruch dieser Einzelsubstanzen dem Gesamtgeruch der Wasserspielzeuge stark ähnelte. Daneben wurden auch verschiedene geruchsaktive (mehrfach) ungesättigte Carbonylverbindungen nachgewiesen, beispielsweise Hex-1-en-3-on.

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Lassen sich nun Fehlgerüche ausreichend identifizieren?

Geruchsanalytische Verfahren können nicht nur zur Aufklärung von (Fehl-)Aromen von Lebensmitteln eingesetzt werden, sondern sie sind auch hilfreich bei der Identifizierung von Fehlgeruch verursachenden Substanzen in Kunststoffprodukten. Wie in verschiedenen Studien belegt werden konnte, gibt es ein breites Spektrum an flüchtigen Verbindungen mit unterschiedlichsten chemischen Strukturen, die zu Fehlgerüchen in Kunststoffprodukten führen können. Aufgrund der Vielzahl an möglichen Verursachern müssen Fehlgerüche also in aller Regel von Fall zu Fall aufgeklärt werden.

Gleichzeitig konnte gezeigt werden, dass ein sehr breites Produktspektrum mit diesen Methoden untersucht werden kann: Neben Spielwaren wurden auch Post-Consumer-Kunststoffabfälle und die entsprechenden Rezyklate, Klebstoffe sowie kinesiologische Tapes (Physio-Tapes) erfolgreich analysiert [8-11]. Darüber hinaus laufen derzeit im Fraunhofer IVV Untersuchungen zu Störgerüchen in weiteren Spielwaren und Produktgruppen des täglichen Bedarfs.

Quellennachweise

[1]Stiftung Warentest. Babyspielzeug: Greiflinge, Schnullerketten und Kinderwagenketten im Test. 2017. https://www.test.de/Test-Spielzeug-Babys-Schadstoffe-1063459-0/.
[2]Bundesinstitut für Risikobewertung. Stellungnahme Nr. 047/2008 des BfR: Verbraucher sollten Plastik-Clogs mit starkem Geruch meiden. 2008. http://www.bfr.bund.de/cm/343/verbraucher_sollten_plastik_clogs_mit_starkem_geruch_meiden.pdf.
[3]SGS Germany GmbH, SGS-Verbraucherstudie: Produktsicherheit von Konsumgütern. 2016, Hamburg.
[4]Engel, W., W. Bahr, and P. Schieberle, Solvent assisted flavour evaporation – a new and versatile technique for the careful and direct isolation of aroma compounds from complex food matrices. European Food Research and Technology, 1999. 209(3-4): S. 237 – 241.
[5]Bemelmans, J.M.H., Review of Isolation and Concentration Techniques, in Progress in flavour research, D.G. Land and H.E. Nursten, Editors. 1979, Applied Science Publ.: London. S. 79 – 98.
[6]Wiedmer, C., C. Velasco-Schön, and A. Buettner, Characterization of off-odours and potentially harmful substances in a fancy dress accessory handbag for children. Scientific Reports, 2017. 7(1): S. 1.807.
[7]Wiedmer, C., C. Velasco-Schön, and A. Buettner, Characterization of odorants in inflatable aquatic toys and swimming learning devices—which substances are causative for the characteristic odor and potentially harmful? Analytical and Bioanalytical Chemistry, 2017. 409(16): S. 3.905 – 3.916.
[8]Denk, P. and A. Buettner, Sensory characterization and identification of odorous constituents in acrylic adhesives. International Journal of Adhesion and Adhesives, 2017. 78: S. 182 – 188.
[9]Denk, P. and A. Buettner, Identification and quantification of glue-like off-odors in elastic therapeutic tapes. Analytical and Bioanalytical Chemistry, 2018. 410(14): S. 3.395 – 3.404.
[10]Strangl, M., et al., Characterization of odorous contaminants in post-consumer plastic packaging waste using multidimensional gas chromatographic separation coupled with olfactometric resolution. Journal of Separation Science, 2017. 40(7): S. 1.500-1.507.
[11]Strangl, M., et al., Comparison of the odorant composition of post-consumer high-density polyethylene waste with corresponding recycled and virgin pellets by combined instrumental and sensory analysis. Journal of Cleaner Production, 2018. 181: S. 599-607.
[12] Gaschromatographie-Olfaktometrie (wikibrief.org)

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