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In der Hohlprofil-Hybridtechnik des Rohstoffanbieters kommen statt Stahlblech metallische Hohlprofile mit runden und eckigen Querschnitten zusammen mit Pplyamid 6 zum Einsatz. Die Investitionen in eine dafür geeignete Anlage sind vergleichweise gering und die Zykluszeiten so kurz wie beim Standard-Spritzguss. (Bild: Lanxess)

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Leichtbau lässt sich mit hybriden Bauteilen, in denen kosten- und nutzeneffzient Kunststoff und Metall eingesetzt wird, optimal gestalten. (Bildquelle: Elringklinger)

Sogenannte Hybrid-Bauteile, in denen Kunststoffe mit Metallen kombiniert werden, sind keine grundlegend neue Idee der Entwickler für Leichtbau-Strukturen. Zwar wird im Leichtbau, und besonders im Automobil-Leichtbau die Priorität darauf gelegt, möglichst leichte Strukturen zu konstruieren, doch Sicherheit und Stabilität sind letztendlich wichtiger. Daher lassen sich Metallbauteile auch nicht beliebig durch Kunststoff-Lösungen ersetzen. Einerseits bestehen auch mit Carbonfaser-Verstärkung konstruktive Grenzen und andererseits, bestehen die Bauteile aus eher hochpreisigen Rohstoffen und sind vor allem auch hinsichtlich der Verarbeitung kostenintensiv.

In der kostengünstigen Serienverarbeitung liegt der Schlüssel

Es liegt daher nahe, „den richtigen Werkstoff an der richtigen Stelle“ einzusetzen, wie es erst kürzlich Joachim Melzig, Leiter des Bereichs Vorentwicklung Interieur Hausfertigung der BMW Group Landshut, auf der VDI-Veranstaltung PIAE in Mannheim auf den Punkt brachte. Und das muss nicht immer eine Voll-Kunststoff-Lösung sein und auch nicht immer ein CFK. In der kostengünstigen Verarbeitbarkeit in Serie liegt der Schlüssel für Leichtbaulösungen mit Kunststoff. Für kurzfaserverstärkte Thermoplaste, die sich im Spritzguss verarbeiten lassen gibt es bereits zahlreiche erfolgreiche Beispiele im Automobilbau. Auch in der Verarbeitung von Fasergelegen sind große Fortschritte für effiziente Verfahren erzielt worden. Dazu zählt beispielsweise der Einsatz von thermoplastbasierten Organoblechen oder das In-situ-Spritzgießen, bei die Imprägnierung der Faserverstärkung in einem Spritzgießwerkzeug stattfindet. (Plastverarbeiter https://www.plastverarbeiter.de/66666/die-neue-leichtigkeit-2/)

Allerdings werden mit den genannten Verfahren in der Regel keine Strukturbauteile für Serienfahrzeuge gebaut. Für solche Bauteile sind Sicherheit und Belastbarkeit sowie Verarbeitung und die Produktionskosten entscheidende Kriterien. Daher sehen viele Experten in Hybrid-Bauteilen Lösungen, die quasi als Kompromiss Kosten und Sicherheit auf einen Nenner bringen.

Kosten und Sicherheit auf einen Nenner bringen

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Der Cockpitquerträger ist im Metallinnenhochdruck-Umformen mit Kunststoffspritzguss in nur einem Prozessschritt gefertigt und vereint hohe Funktionalität mit geringem Gewicht. (Bildquelle: Elringklinger)

Das Hybrid besteht aus einer Metall-Kunststoff-Kombination, in der sich die Werkstoffe optimal ergänzen und wortwörtlich unterstützen. Ziel der Kombination ist, nicht nur Rohstoffkosten für teure FVK oder CFK zu sparen, sondern vor allem eine effiziente Produktion zu ermöglichen.

Hierzu zählt beispielsweise die Kombination aus Innenhochdruckumformen und Spritzgießen (IHU-Spitzgießen). Dabei werden metallische Rohrprofile, beispielsweise für Cockpitquer- oder Frontendträger, durch Innendruck umgeformt und anschließend im selben Werkzeug umspritzt. Der Prozess kann sowohl auf einer Spritzgießmaschine mit einem Gasdruckregelmodul oder auf einer IHU-Presse und einem Spritzguss-Beistellaggregat erfolgen und ist damit vergleichsweise kostengünstig.

Bekannte Anwender sind Daimler und der Zulieferer Elringklinger. Die Weiterentwicklung des Verfahrens treibt das Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik (IWU) in Chemnitz voran. Der Austausch des Umformmediums von HFA-Flüssigkeit zu Stickstoff bietet beispielsweise verfahrenstechnische Vorteile. Auch wird daran gearbeitet, auf den Einsatz von chemischen Haftvermittlern verzichten zu können. Vielversprechend ist auch das Entwicklungsziel, statt Aluminiumprofile bzw. -rohre Kunststoffrohe mit Faserverstärkung umzuformen, wofür Gas als Umformmedium benötigt wird. Im Projekt eingesetzt haben die Wissenschaftler bislang endlosfaserverstärkte Rohre, die die hohen Innendrücke im Umformprozess widerstehen und ohne zu reißen gasdicht bleiben. Der Einsatz kurzfaserverstärkter extrudierter Rohre ist Gegenstand weiterer Untersuchungen.

Eine weitere Verfahrenskombination ist bereits seit einigen Jahren in der Entwicklung. Das Tiefziehen von dünnwandigen Blechen, die mit Kunststoff-Strukturen verstärkt werden. Dafür arbeitet man am Fraunhofer IWU an einem einstufigen Prozess, in dem Tiefziehen und Spritzgießen kombiniert werden und gleichzeitig die wirkmedienbasierte Umformung mit der Kunststoffschmelze erfolgt. Mit beiden Verfahren lassen sich Metall-Kunststoff-Verbundstrukturen in nur einer Maschine und wenigen Prozessschritten fertigen.

Wesentlich für eine erfolgreiche Entwicklung ist eine intensive, Fachbereichs-übergreifende Zusammenarbeit, in der auch industrielle Anforderungen berücksichtigt werden. Im BMBF-Projekt Q-Pro hat ein interdisziplinäres Team aus Industrie und Wissenschaft unter Federführung von Porsche und des Instituts für Leichtbau und Kunststofftechnik (ILK) der TU Dresden eine neue Leichtbau-A-Säule in 3D-Hybrid-Bauweise entwickelt. Gefertigt wird diese hochkomplexe Bauteilstruktur in einem vollständig automatisierten und qualitätsüberwachten Fertigungsprozess. Mit der sogenannten 3D-Hybrid-Technologie wird eine Verbindung aus hochfestem Stahl, endlosfaserverstärktem Thermoplast und faserverstärkter Thermoplast-Rippenstruktur geschaffen. In dem Verfahren werden die Einzelkomponenten im Ur- bzw. Umformprozess der Einzelkomponenten miteinander gefügt, für eine ausreichende Verbindungsfestigkeit sorgt ein Haftvermittler.

Auch am Institut für Kunststofftechnik (IKT) der Universität Stuttgart hat man sich mit der Werkstoffkombination von Metall und Kunststoff beschäftigt. In Kooperation mit dem Institut für Umformtechnik (IFU) arbeitet das IKT an einem Verfahren zur Herstellung von Hybrid-Bauteilen aus den Werkstoffen Aluminium und Kunststoff, das auf dem in der Metallumformung etablierten Kaltfließpressen aufbaut. Beim Fließpressverfahren wird das Metall bei Temperaturen weit unterhalb der Schmelztemperatur von Metallen über hohe Presskräfte umgeformt. Das Kunststoffgranulat schmilzt durch die Scherwärme und wird im Fließpresswerkzeug geformt. Die Herausforderung ist, eine ausreichende Plastifizierung und Adhäsion der Kunststoffphase zu erreichen. Nachdem die prinzipielle Machbarkeit bereits nachgewiesen werden konnte, werden nun Untersuchungen zur Optimierung des Prozesses durchgeführt, zudem wird der Umformprozess numerisch abgebildet. Hierfür wurden temperaturabhängige Werkstoffkennwerte der Kunststoffe ermittelt und für eine Implementierung in einer Simulationssoftware aufbereitet.

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Zu den Stärken der Hybrid-Bauteile zählen Gewichtseinsparung, hohe Form- und Maßgenauigkeit, gesteigerte Biege- und Beulsteifigkeit im Crashfall, Verwirklichung komplexer Geometrien, geringere Einzelteileanzahl durch Multifunktionalität, Zeitersparnis durch Integration mehrerer Verfahrensschritte in einen Arbeitsgang sowie weniger Materialeinsatz und folglich auch niedrigere Kosten. (Bildquelle: Elringklinger)

Hybrid bedeutet, die wirtschaftlichste Lösung zu finden

Wie stark die Automobilindustrie an Hybrid-Bauteile aus Kunststoff und Metall interessiert ist und wie weit fortgeschritten hier die Entwicklung ist, zeigt auch die PIAE in diesem Frühjahr in Mannheim. „Die Materialkombinationen bieten ein hohes Potenzial hinsichtlich bezahlbaren Leichtbaus in Verbindung mit Funktionsintegration“, sagte Joachim Melzig, Leiter des Bereichs Vorentwicklung Interieur Hausfertigung der BMW Group Landshut auf der Pressekenferenz des Branchentreffs.

Die BMW Group hat in dem Sondermodell des aktuellen BMW M4 erstmalig ein Tragrohr aus 100 Prozent Kunststoff im Einsatz. Hier wird eine ehemals Stahl-Schweißkonstruktion durch eine vergleichbare Struktur aus einem thermoplastischen Hochleistungswerkstoff mit einem relativ hohen Glasfaseranteil ersetzt. „Doch mit Blick auf einen Großserieneinsatz, in dem man sowohl eine Magnesiumkonstruktion als auch eine Stahlvariante durch Kunststoff ersetzen möchte, ist die Wirtschaftlichkeit aufgrund des hohen Materialpreises nur sehr schwer erreichbar beziehungsweise nicht gegeben“, so Melzig. Darüber hinaus sei die Abhängigkeit der mechanischen Eigenschaften des Kunststoff Tragrohres von der vorherrschenden Temperatur im Fahrzeuginnenraum deutlich höher im Vergleich zu einer Metalllösung. Neben anderen Aggregaten und Bauteilen wird auch die Lenksäule an der Tragstruktur befestigt. Ohne die schon im oben genannten Fahrzeug ohnehin vorhandenen Versteifungsmaßnahmen, müsste man zur Vermeidung von Lenksäulenschwingungen Metallelemente in das Kunststoffteil integrieren, so Melzig.

In der Weiterentwicklung des Projekts wurde eine Metall-Kunststofflösung gefunden. Für die Übertragung von höheren statischen und vor allem dynamischen Kräften auf der Fahrerseite entschieden sich die Entwickler für eine Lösung mit einem höheren Metallanteil im Lenksäulenbereich. Im Gegenzug dazu konnte auf der Beifahrerseite ein günstiger Kunststoff mit Glasfaserfüllung eingesetzt werden. Aufgrund der Eigenschaften und der Kosten des gewählten Kunststoffes könnten Bauteile und weitere Funktionselemente mit der Tragstruktur in einem Prozessschritt hergestellt werden, ergänzte der BMW-Entwicklungsleiter.

In der begleitenden Ausstellung zur PIAE präsentierte der Rohstoffanbieter Lanxess eine Lösung für Kunststoff-Metall-Hybrid-Bauteile mit metallischen Hohlprofilen. „Im Vergleich zu Blechen sind Hohlprofile deutlich formstabiler und weisen höhere Torsionssteifigkeiten sowie -festigkeiten auf“, erklärte Lukas Schröer, Projektleiter Leichtbau in der Anwendungsentwicklung des Geschäftsbereichs High Performance Materials (HPM). Das Unternehmen hat für die Hohlprofil-Hybridtechnik einen wirtschaftlichen und einstufigen Prozess entwickelt. Dafür waren mehrere Aufgaben zu lösen: „Zum Beispiel muss es möglich sein, die Metalleinleger problemlos in das Spritzgießwerkzeug einzubringen. Produktionsbedingt weisen sie Toleranzen auf, was zu Schäden am Werkzeug und, bei zu kleinen Einlegern, zu Undichtigkeiten im Werkzeug führen kann“, erläutert Boris Koch, Spezialist für Hybridtechnik in der technischen Anwendungsentwicklung von HPM. Weiterhin muss der Einleger abgestützt werden, damit er den hohen Schmelzedrücken während des Spritzgießens standhält und nicht zusammengepresst wird. Zudem muss sich ein in alle Richtungen nachhaltig fester Verbund zwischen Kunststoff und Metall ergeben. Koch: „Das Resultat unserer Entwicklungsarbeit ist ein großserientauglicher Prozess, der nur geringe Anlageninvestitionen erfordert, kurze Zykluszeiten wie beim Standard-Spritzguss ermöglicht und ähnlich einfach ist wie die klassische Hybridtechnik mit Blechen.“

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In der Hohlprofil-Hybridtechnik des Rohstoffanbieters kommen statt Stahlblech metallische Hohlprofile mit runden und eckigen Querschnitten zusammen mit Pplyamid 6 zum Einsatz. Die Investitionen in eine dafür geeignete Anlage sind vergleichweise gering und die Zykluszeiten so kurz wie beim Standard-Spritzguss. (Bildquelle: Lanxess)

Lanxess erwartet für die neue Variante der Hybridtechnik Einsatzmöglichkeiten in der Fertigung von Instrumententafelträgern und anderen Strukturbauteilen mit hohen Anforderungen an die mechanische Belastbarkeit. „Wir denken zum Beispiel im Fahrzeugleichtbau an Sitzstrukturen, Frontends, Heckklappen- und Lkw-Spiegelträger. Aber auch in der Fertigung von Möbeln, Leitern und Kinderwagen sehen wir Anwendungspotenzial“, sagt Schröer.

Praxistauglich und ausbaufähig

Erfolgreich in der Fertigung von Hybrid-Bauteile ist der Automobilzulieferer Elringklinger, Dettingen/Erms. Anfang 2018 vermeldete das Unternehmen einen Großauftrag vom Elektrofahrzeughersteller Byton. Dieser beauftragte für sein Premium-SUV-Modell einen Cockpitquerträger, für den das Metallinnenhochdruck-Umformung mit Kunststoffspritzguss in nur einem Prozessschritt angewendet wird.

Die Kunststoffbranche wird sich beim Thema Hybrid-Bauteil mehr und mehr mit den geeigneten Prozessen beschäftigen, denn die Verbindung von Metall und Kunststoff bietet sich in vielen Fällen als optimale Lösung an. Vereinzelt sind bereits moderne Umform- und Fügeverfahren für beide Werkstoffklassen in der Praxis angekommen, doch das Entwicklungspotenzial ist noch immer hoch.

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