Abb.3 WITTE-Tuergriffe+Gasinjektion_door handles+gas injection

Aktuell werden bei Witte Ostrov rund 1 Mio. Türgriffe als Hohlkörper aus PA6-GF 30 hergestellt. Die Abbildung zeigt zwei Griffmodelle samt dem durch das Stickstoffgas in die Nebenkavität verdrängten Kernmaterial. In der Mitte befindet sich das Endprodukt, ein einbaufertiger Griff mit 3-Schicht Glanzlackierung. (Bild: alle Bauer)

Die Formen-, Farben- und Funktionsvielfalt der bei Witte Automotive in Ostrov gefertigten Türaußengriffe und Verriegelungseinheiten, die auch weitreichenden Crash-Sicherheits-Bestimmungen entsprechen müssen, ist groß. Insgesamt geht das Angebot des Zulieferers jedoch weit über die Außengriffe hinaus und umfasst auch Schließbügel, Tür-Innenbetätigungen, Schlüssel und Schlösser, Zuziehhilfen, Türfeststeller, Türbremsen und motorisierte Türantriebe.

Fokus auf Oberflächen-Qualität der Hohlkörper

Da sich die Tür- und Klappengriffe eines Automobils im Sicht- und Tastbereich des Nutzers befinden, tragen sie durch ihre Form und Haptik wesentlich zur Qualitätsanmutung eines Automobils bei. Dafür wurde 2016 ein neues Spritzgießwerk in Ostrov bei Karlsbad errichtet, in dem zunächst 14 Spritzgießmaschinen von Wittmann Battenfeld mit einer Schließkraft von 1.800 bis 5.500 kN aufgebaut wurden. Die Anlagen wurden mit Linearrobotern und Peripherieeinrichtungen des Maschinenbauers zur automatisierten Nachbearbeitung der produzierten Türgriffe kombiniert. Eine Erweiterung auf 20 Fertigungszellen ist bereits in Umsetzung.

Die Griffe werden aus PA6-GF30 (mit 30 Prozent Glasfaser-Verstärkung) gefertigt, die Abdeckungen aus einem PC/ABS-Blend, dahinter liegende Strukturteile aus PP-GF 30. Dazu setzt der Kuststoffverarbeiter die hybriden Macro Power E 500/2100 mit vollelektrischem Spritzaggregat und servohydraulischer 2-Platten Schließeinheit ein.

„Je nach Kundenspezifikation werden bei uns drei unterschiedliche Türgriff-Ausführungen produziert“, erklärt Pavel Karas, Abteilungsleiter Spritzguss im Werk Ostrov, beim Gang durch die Produktion und fügt hinzu: „Griffe, die Sensoren samt der zugehörigen Elektronik eingebaut haben, benötigen dafür einen glattflächigen Einbauraum. Dafür produzieren wir Griffe, bei denen durch mechanisch ausfahrende Bogenschieber im Spritzgießwerkzeug Platz geschaffen wird. Die Alternative dazu sind Griffe, die aus zwei oder mehr Gehäuseschalen bestehen, die durch Schnappverbindungen und Verschrauben zusammengesetzt werden. Die Griffe ohne integrierte Sensor-Elektronik sind einteilige Hohlkörper, die mit Hilfe der Gas-Injektionstechnik hergestellt werden.“ Er betont: „Sie ist die effizienteste Methode, um ohne aufwendige Werkzeugmechanik die Kunststoff-Wandstärke und damit die erforderliche Kühlzeit und den Materialeinsatz zu reduzieren.“

Abb.5 WiBa-Airmould-Steuerung_Airmould control unit

Wittmann Battenfeld Airmold-Steuereinheit mit der bis zu acht Druckregel-Module angesteuert werden können. Mit der Maschine kommuniziert die Steuerung über die Euromap 62-Schnittstelle.

Das Verfahren erscheint einfach, benötigt aber für ein gutes Ergebnis eine präzise Prozesssteuerung. Der erste Schritt ist die Komplettfüllung der Formkavität und das Verfestigen der Randschichten durch Abkühlen an der Formwand. Anschließend wird das Stickstoffgas mit einem Druck von bis zu 300 bar durch Injektordüsen kontrolliert in die Kunststoffmasse eingeblasen. Das unter Druck stehende Gas wirkt dort wie ein Kolben und verdrängt den im Kernbereich noch flüssigen Kunststoff über einen mechanisch freigegebenen Kanal in eine Nebenkavität. Die ausgeschobene Kunststoffmenge liegt je nach Griffmodell bei 25 bis 30 Prozent des eingefüllten Vollvolumens. Anschließend wirkt der Gasdruck im nun hohlen Formteil von innen heraus der Abkühlschwindung entgegen und kompensiert dadurch potenzielle Einfallstellen an der äußeren Oberfläche. Nach dem Ende der Kühlzeit werden Formteil und Nebenkavität entnommen, die Nebenkavität abgetrennt und dem Recycling zur Wiederverwendung zusammen mit Neu-Kunststoff zugeführt. Die Zykluszeit sinkt dabei auf 45 bis 50 Sekunden, je nach Griffmodell und liegt damit ungefähr gleichauf mit der Schieberversion.

Gemeinsames Stickstoff-Hochdrucknetz für alle Maschinen

Im Rahmen des Werksneubaus wurden alle Infrastruktureinrichtungen für die Spritzgießproduktion so konfiguriert, dass sie einerseits zentral beschickt und betrieben und andererseits modular erweitert werden können. Dies gilt sowohl für die Stromversorgung, als auch für das Material-Trocknungs- und Fördersystem sowie für die Stickstoff-Versorgung.

Die zentrale Einspeisung und Aufbereitung des Stickstoffgases befindet sich außerhalb des Betriebsgebäudes. Mit einem zentralen Flüssig-Stickstoff-Tank sind zwei Kompressor/Gas-Verdampfer-Einheiten kombiniert. Sie speisen Stickstoffgas mit 300 bar Systemdruck über einen Flaschenspeicher zum Ausgleich von Druckschwankungen in das Leitungssystem in der Maschinenhalle ein.

Hoher Bedienkomfort durch Systemintegration

Abb.7 Airmould-Spritzgiesswerkzeug-Detail_mold detail

Detailansicht eines 4-fach-Spritzgießwerkzeugs zur Herstellung von Türgriffen mit der Gasinjektionstechnik.

An den Spritzgießmaschinen wird das Hochdruckgas auf einzelne Versorgungsleitungen zu den Injektionsdüsen im Spritzgießwerkzeug aufgeteilt. Jede dieser Injektionsleitungen wird über eine eigene Druckregeleinheit geführt, welche über eine eigene Airmould-Steuereinheit angesteuert wird. Letztere ist eine autarke Einheit, die bei Bedarf flexibel an mehreren Maschinen eingesetzt werden kann. Zentrale Komponente der mobilen Steuereinheit ist eine Unilog B6-Steuerung, die bis zu acht Druckregelmodule und acht Kernzüge ansteuern kann.

Die Kommunikation mit der Spritzgießmaschine läuft über die genormte Euromap-62-Schnittstelle, die speziell für die Anbindung von Fluid-Injektionseinrichtungen konzipiert wurde. Über den 15-Zoll-TFT-Touchscreen-Farbbildschirm der Steuereinheit lassen sich Druckprofile mit Sollkurven und bis zu neun frei programmierbare Positionen vorgegeben werden. Ebenso können Ist-Wert-Druckkurven für bis zu acht Druckregelmodule gleichzeitig angezeigt werden. Zusätzlich stehen eine Mehrkanal-Drucküberwachung und ein Impuls-Programm zum automatischen Freiblasen der Einspritzdüsen zur Verfügung. In der Steuerung sind die gleichen Basisfunktionen wie in der Maschinensteuerung verfügbar, beispielsweise eine Zutrittsautorisierung via USB-Stick oder Passwort, eine Speicherungsmöglichkeit der Prozessdaten entweder intern, oder extern über einen USB-Anschluss oder über eine Netzwerk-Verbindung.

Der Gasdruck in den einzelnen Düsenleitungen wird in den vorgelagerten Druckregel-einheiten über hochdynamische Servoventile geregelt. Um die Regelstrecke kurz und potenzielle Gasverluste gering zu halten, werden die Druckregeleinheiten innerhalb der Maschine möglichst nahe zum Spritzgießwerkzeug positioniert – im besten Fall auf der Werkzeugaufspannplatte. Da die Griffe bis auf wenige Ausnahmen mit 4-Kavitäten-Spritzgießwerkzeugen produziert werden, wird der Gasstrom dort in vier Einzelströme aufgeteilt. Die Regelmodule sind mit dem Fokus auf eine präzises Regeln und Überwachen des Gasdrucks sowohl bei kleinen als auch bei großen Gasvolumina konzipiert. Um eine konstante Gasqualität sicherzustellen, sind im Gasstrom der Regelmodule Ein- und Ausgangsfilter vorgesehen. Von den Regeleinheiten führen Einzelleitungen zum Spritzgießwerkzeug.

Abb.8 WiBa-Michal_Slaba Witte-Pavel_Karas

Wittmann Battenfeld CZ Geschäftsführer Michal Slaba und Pavel Karas, Produktionsleiter Spritzguss bei Witte Ostrov, blicken auf eine langjährig erfolgreiche Zusammenarbeit zurück.

Das Maschinenbauunternehmen Wittmann Battenfeld bietet für die Serienproduktion von einteiligen dickwandigen Formteilen mit gleichförmig präzisen und Einfallstellen-freien Oberflächen integrierte Systemlösungen an. Diese haben sich im 24/7/365-Betrieb bewährt. Witte-Produktionsleiter Pavel Karas zieht diesbezüglich sein positives Resümee: „Durch unsere Einbindung in die Just-in-time-Lieferkette der Automobil-Hersteller sind wir auf eine dauerhaft verlässliche Produktionsausrüstung angewiesen. Dabei konnten wir uns bisher stets auf die Wittmann Battenfeld-Spritzgießtechnik verlassen.“

 

Fakuma Halle B1, Stand 1204

Technokomm, ist freier Redakteur für kunststofftechnische Berichte.  

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